Fast ein Vierteljahrhundert lang herrschte um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert Krieg in Europa. Die verschiedenen Mächte kämpften in unterschiedlichen Koalitionen zuerst gegen das revolutionäre, dann gegen das napoleonische Frankreich. Die dominierende Gestalt Europas um 1800 war Napoleon Bonaparte, der aus eher bescheidenen Verhältnissen zum Kaiser der Franzosen aufstieg. In seinen Feldzügen hatte er einen guten Teil Europas unterworfen und den Rest in eine starke Abhängigkeit gebracht. Als er 1812 mit seiner Großen Armee Russland angriff, schien einer Beherrschung ganz Europas wenig im Weg zu stehen. Doch der Russland-Feldzug endete mit einer Katastrophe und führte zu einer Wende der Politik. Preußen, Russland und die Habsburgermon‧ar‧chie – und natürlich der ständige Feind der Franzosen in dieser Zeit: England – schlossen sich zusammen und befreiten sich und Europa von der Herrschaft des Korsen. Ein großer Friedenskongress in Wien sollte die offenen politischen Fragen klären und eine Neuordnung Europas nach dem Prinzip der Restauration, also der Wiederherstellung der Situation vor der Französischen Revolution 1789, bewerkstelligen.
Der gemeinsame Gegner Napoleon hatte die europäischen Mächte geeint, doch beim Wiener Kongress verfolgten sie durchaus ihre eigenen Interessen, und es entstanden tiefgreifende Konflikte zwischen den Großmächten; in manchem fühlt man sich an die Situation nach 1945 erinnert, als ebenfalls aus der Kooperation der alliierten Mächte schnell der Kalte Krieg entstand.
Metternich, der als „Kutscher Europas“ den Kongress dominierte, war vor allem daran inter-essiert, Russland nicht zu stark werden zu lassen. Ein wesentlicher Punkt seiner Strategie war es daher, Frankreich wieder zu einer wichtigen Macht in Europa und zu einem Gegengewicht zum Zarenreich zu machen. Auch der britische Außenminister Robert Stewart, Viscount Castlereagh, war auf dieser Linie. Metternich sorgte dafür, dass der französische Außenminister Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord, den er noch aus seiner Zeit als Gesandter in Paris gut kannte, als Vertreter Frankreichs neben den Gesandten Österreichs, Russlands, Preußens und Großbritanniens in den entscheidenden Ausschüssen des Kongresses vertreten war.
Hauptgegenspieler auf dem Wiener Kongress und danach waren Russland und die Habsburgermonarchie, oder – in Personen ausgedrückt – Zar Alexander I. und Metternich…
Literatur: Heinrich von Srbik, Metternich. Der Staatsmann und der Mensch. 3 Bände. München 1957. Guillaume de Bertier de Sauvigny, Metternich. Staatsmann und Diplomat für Österreich und den Frieden. Gernsbach 1988. Henry A. Kissinger, Großmacht Diplomatie. Von der Staatskunst Castlereaghs und Metternichs. Düsseldorf 1962/1980. Enno Edward Kraehe, Metternich’s German Policy. Band 1: The contest with Napoleon, 1799–1814; Band 2: The Congress of Vienna, 1814–1815. Princeton 1963/1983. Henry Vallotton, Metternich. Napoleons großer Gegenspieler. Eine Biographie. Frankfurt/Berlin 1987. Henry Vallotton, Alexander der Erste. Ein Zar gegen Napoleon. Eine Biographie. Hamburg 1967.
Zum Epochenjahr 1806: Andreas Klinger/Hans-Werner Hahn/Georg Schmidt (Hrsg.), Das Jahr 1806 im europäischen Kontext. Balance, Hegemonie und politische Kulturen. Köln/Weimar/Wien 2008.
Zum Ende des Alten Reichs: Michael North/Robert Riemer (Hrsg.), Das Ende des Alten Reiches im Ostseeraum. Wahrnehmungen und Transformationen. Köln/Weimar/Wien 2008.
Univ.-Prof. Dr. Karl Vocelka