Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Türe. Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebel eine neue Schöpfung hervorbricht.“ So schildert ein Augenzeuge die Reaktionen des Mannheimer Publikums auf eine Theateraufführung am 13. Januar 1782. Was es erlebt hatte, war die Uraufführung der „Räuber“ – das Theaterstück eines jungen Autors, der dadurch auf einen Schlag berühmt wurde: Friedrich Schiller.
Das Stück hatte das Interesse des Mannheimer Buchhändlers Christian Friedrich Schwan erregt, der es dem Intendanten des Theaters, Wolfgang Heribert von Dalberg, empfahl. Für die Bühnenfassung mußte Schiller manches entschärfen, die Kritik an Kirche und Obrigkeit zurücknehmen. Die Handlung, eigentlich in der Gegenwart angesiedelt, wurde ins Spätmittelalter verlegt. Trotz dieser Eingriffe – Schiller fürchtete, dadurch werde das Stück „zu einer Krähe mit Pfauenfedern“ – blieb das Drama anstößig genug; in Weimar, wo Schiller später seine Erfolgsdramen verfaßte, blieb der Hof den Aufführungen der „Räuber“ stets fern.
Die Mannheimer Ereignisse werfen ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Theaterkultur des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Diese war zunächst, was das Hoftheater angeht, von französischen und englischen Schauspielertruppen, von französischen Theaterstücken und der italienischen Oper geprägt gewesen. Sparsamkeitszwänge nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) sowie die stärkere Zuwendung zu den eigenen Untertanen bewirkten dann im Zug der Aufklärung die Förderung der – preiswerteren – deutschsprachigen Truppen durch den Hof. Die größte Veränderung aber lag in der Erweiterung der höfischen Theaterszene, die zuvor nur geladenen, meist adligen Gästen vorbehalten gewesen war, um das bürgerliche Publikum. Zu diesem zählte keineswegs nur die gehobene Gesellschaft, sondern auch die einfache Bevölkerung, die sich auf den billigen Plätzen im dritten Rang einfand. In den neugegründeten, meist anteilig vom Hof finanzierten „Nationaltheatern“ saßen nun zahlende Konsumenten, an deren Geschmack sich das Repertoire auszurichten hatte. Am beliebtesten waren unterhaltsame Lustspiele, wie sie August von Kotzebue, Friedrich Ludwig Schröder oder August Wilhelm Iffland in großen Mengen produzierten. Am attraktivsten war ohnehin nicht das Sprechtheater, sondern es waren die mit aufwendigen Garderoben und Dekorationen ausgestatteten, effektvollen Opern und Singspiele. Ein Grund für den großen Erfolg der „Räuber“ war neben der das Publikum fesselnden Thematik auch die Tatsache, daß Schiller bei der dramatischen Fassung des Stücks gezielt Operneffekte einbaute.
Auch Mannheim war unter der Herrschaft des kunstliebenden Kurfürsten Carl Theodor Ort eines bedeutenden, Unsummen von Geld verschlingenden Hoftheaters mit einer französischen Schauspieltruppe gewesen. Ganz im Einklang mit der allgemeinen Entwicklung hatte Carl Theodor 1770 seine französische Truppe entlassen und 1776 für die deutschen Schauspielertruppen, die bis dahin unter höchst unkomforta?blen Bedingungen in aufgeschlagenen Bretterbuden ihre Künste zeigen mußten, ein festes Theaterhaus erbauen lassen. Diesem ebenso wie der Residenz Mannheim drohte jedoch ein wirtschaftliches Desaster, als der kurfürstliche Hof nach München verlegt wurde – Carl Theodor war 1777 durch Erbfall auch Kurfürst von Bayern geworden. In dieser Situation wurde der vom Schauspiel begeisterte Adlige Wolfgang Heribert von Dalberg zum Retter in der Not. Durch seinen finanziellen und persönlichen Einsatz als Intendant konnte das Mannheimer Nationaltheater – trotz der eher kärglichen kurfürstlichen Subventionen – zu einer der führenden Bühnen Deutschlands avancieren, und dies, obwohl Carl Theodor seine deutsche Truppe, die Marchandsche Gesellschaft, nach München mitgenommen hatte.
Glücklicherweise standen aber nach der Auflösung des Gothaer Hoftheaters vielversprechende junge Schauspieler zur Verfügung, und so traf Schiller in Mannheim auf eine versierte Schauspielertruppe. Unter dem Hamburger Schauspieler Abel Seyler als künstlerischem Direktor brillierten der junge Iffland in der Rolle des Franz Moor und Heinrich Beck in der des Karl Moor.
Die damaligen Aufführungsbedingungen waren jedoch in mancher Hinsicht völlig anders als heute. Das aus dem umgebauten Schütthaus errichtete Mannheimer Theater, 1779 eröffnet, faßte etwa 600 Zuschauer. Die Öffnung der Bühne zum Zuschauerraum betrug nur etwa 6,5 Meter, so daß die Akustik relativ schlecht war. Das Publikum hörte von den Schauspielern oft weniger als von den Einflüsterungen des Souffleurs, den Geräuschen der Bühnenmaschinerie oder den lautstarken Äußerungen anderer Zuschauer. Von der „heiligen Stille“, in der manch späterer Theaterbesucher zu erstarren pflegte, wenn er sich dem als Religionsersatz fungierenden Kunstgenuß hingab, war man weit entfernt. Um überhaupt verstanden zu werden, mußten die Schauspieler lauthals deklamieren, differenzierende Zwischentöne entfielen daher oft. Der Theaterraum blieb in Mannheim – wie auch andernorts – im Winter ungeheizt, und die Bühnenbeleuchtung war vor der Einführung des Gaslichts um 1830 ausgesprochen schlecht. Verschwiegen werden soll auch nicht, daß es in das in aller Eile hochgezogene Gebäude des öfteren hineinregnete oder -schneite und daß aus den häufig verstopften Aborten im Keller ein höchst unangenehmer Geruch entwich. Doch all dies verhinderte nicht, daß das Theater eine der beliebtesten Vergnügungen der Stadt wurde, zu der man von nah und fern anreiste.
Schiller knüpfte an das Wirken des Theaters große Hoffnungen, sah es als Stätte, wo moralisches Handeln und die Erkenntnis der Wahrheit einen Platz finden konnten. Hier sollte es möglich sein, in einem gemeinsamen öffentlichen Erlebnis eine von aller Willkürherrschaft befreite Menschheit zu antizipieren. Seiner Macht über die Gefühle des Publikums war Schiller sich durchaus bewußt, als er von dem „großen Augenblick in dem Schauspielhaus“ schwärmte, „wo die Herzen so vieler Hunderter … nach der Phantasie des Dichters beben … wo ich des Zuschauers Seele am Zügel führe und nach meinem Gefallen einen Ball gleich dem Himmel oder der Hölle zuwerfen kann“. Beflügelt von dem großen Erfolg seiner „Räuber“, suchte der Dichter, der den „dramatischen Genius“ immer stärker in sich fühlte, seine neue Heimstatt in Mannheim.
Doch zunächst gestalteten sich die dortigen Umstände nicht günstig. Das 1782 fertiggestellte Drama „Die Verschwörung des Fiesko zu Genua“ wurde von den Schauspielern abgelehnt, als Schiller es ihnen vorlas, von Dalberg trotz mehrfacher Um?arbeitungen gar für theateruntauglich erklärt. Tatsächlich mußte es, am 11. Januar 1784 endlich in Mannheim uraufgeführt, bereits nach drei Aufführungen wieder abgesetzt werden. „Republikanische Freiheit ist hier zu Lande ein Schall ohne Bedeutung, ein leerer Name – in den Adern der Pfälzer fließt kein römisches Blut“, meinte Schiller resigniert. Auf an?deren Bühnen gespielt, erhielt der „Fiesko“ dagegen durchaus eine gute Resonanz. Schiller bekam denn auch für ein Jahr einen Vertrag als Dramaturg in Mannheim. Das nächste Stück, „Kabale und Liebe“, das er für „das Publikum genießbarer“ fand als seine früheren Stücke, wurde in Mannheim besser aufgenommen. Dort wurde es – zwei Tage nach der Uraufführung (13. April 1784) in Frankfurt am Main – „unter lautem Beifall, und den heftigsten Bewegungen der Zuschauer“ gespielt, wie Schiller stolz einem Freund meldete. Der Goethe-Freund Karl Friedrich Zelter erinnerte sich später an die „elektrische Macht“, die „Kabale und Liebe“ auf ihn und „sämtliche Sprudeljugend“ ausgeübt habe.
Warum Schillers Vertrag in Mannheim trotz dieses Erfolges nicht verlängert wurde, darüber ist viel spekuliert worden: War es seine Verleumdung als „württembergischer Deserteur mit subversiven Absichten“ am Münchner Hof, die Dalberg in Bedrängnis brachte, oder waren es eher die zunehmenden Spannungen zwischen dem Theaterdichter und den Schauspielern? Schiller war frustriert über die Unzulänglichkeit der damaligen theatralischen Möglichkeiten, sah in Mannheim zuviel „Theaterflitter“ am Werk. Er kritisierte die Schauspieler wegen ihrer Launen, ihrer Nachlässigkeiten, der oft mangelhaften Textkenntnis, wenn er klagte, daß sich viele „Akteure“ ihren Text mühsam „aus der Soufleurgrube“ herausholen müßten. In der Tat fanden viele Schauspieler damals die Probenarbeit überflüssig, Iffland etwa sah sie als nutzlose Übung für „Einfältige“ oder gar als Strafe für schlecht gespielte Aufführungen. Die Schauspieler, ihrerseits durchaus selbstbewußt, erlebten Schiller als arrogant, machten sich über sein „Sturm-und-Drang-Gebaren“ lustig. Die Aufführung eines französischen Boulevardstücks bot sogar die Möglichkeit, Schiller öffentlich bloßzustellen: Iffland persiflierte auf der Bühne gekonnt den Dichter in Aussehen und Auftreten. Der Graben war unüberwindlich geworden, Schiller verließ Mannheim. Die dortigen Enttäuschungen und die schlechte Aufnahme seines „Don Karlos“ begründeten seinen Entschluß, für etliche Jahre gänzlich Abschied vom Theater zu nehmen. Erst durch den Kontakt zu Goethe und dem Weimarer Theater schöpfte er neue Hoffnung, die Bühne für die Vermittlung seiner Ideale nutzen zu können.
In Weimar hatte seit 1790 Goethe die „Oberdirektion“ des Theaters übernommen, nicht eben gern, war er doch eigentlich vom Theater enttäuscht und eher an der Entwicklung seiner „Farbenlehre“ interessiert. Das Weimarer Theater war auch weit davon entfernt, ein „Musentempel“ der Klassik zu sein. Nur zu einem Drittel wurde es nämlich durch Herzog Carl August von Sachsen-Weimar finanziert, zwei Drittel mußte es selbst erwirtschaften. So wurde auch das Repertoire des Weimarer Theaters durch die gängigen bürgerlichen Rührstücke eines Kotzebue oder Iffland oder, in Ermangelung eines großen Ausstattungsetats für Opern, durch Singspiele bestimmt. Goethe hegte denn auch keine Illusionen, was das Publikumsurteil betraf: „Das Publikum im ganzen genommen, ist nicht fähig, irgendein Talent zu beurteilen: denn die Grundsätze, woraus es geschehen kann, werden nicht mit uns geboren, der Zufall überliefert sie nicht, durch Übung und Studium allein können wir dazu gelangen.“
Er sah deutlich, daß das Unterhaltungsbedürfnis vorrangig war, und kam diesem entgegen. Durch preisgünstigen Abonnementverkauf gelang es ihm zudem, die verhältnismäßig große Zahl von etwa 500 Zuschauern pro Vorstellung dauerhaft zu sichern.
Zu den von ihm betreuten Spielstätten gehörte auch das Sommertheater in Lauchstädt, das, in der Nähe der Universitätsstadt Halle gelegen, vor allem akademisches Publikum anzog. In Weimar fanden sich neben den Honoratioren der Stadt häufig Studenten der Jenaer Universität sowie viele einfache Bürger im Theater ein, dazu vor allem zu den späteren Schiller-Stücken durchaus auch Bauern aus den umliegenden Dörfern.
Die Aufgaben Goethes waren sehr umfassend und reichten von der Beurteilung und Bearbeitung der Stücke über das Verteilen der Rollen und das Abhalten der Leseproben bis hin zur Besorgung der Kostüme und Dekorationen. Damit übernahm er auch die Funktionen, die andernorts, etwa in Mannheim, ein Schauspielausschuß innehatte. Einen bemerkenswerten Führungsstil hatte Goethe sich zugelegt: Streng ging er mit denjenigen Schauspielern um, die sich entgegen seiner Forderung der „Subordination“ verhielten, und ließ diese zu einer mehrtägigen Haft auf die Hauptwache bringen.
Solcherart waren die Verhältnisse in Weimar, als Schiller, inzwischen mit Goethe befreundet, begann, für die Weimarer Bühne zu arbeiten. Die Theaterreform, die nun tatkräftig in Angriff genommen wurde, war geprägt von der Abwehr gegen einen naturalistischen Darstellungsstil, wie ihn viele andere Theater pflegten. Man orientierte sich, damit auch den Vorlieben des Hofs entsprechend, stärker an der französischen Tradition (etwa durch die Aufführung der Dramen von Racine oder Voltaire, die für die deutsche Bühne bearbeitet wurden). Intensiv bemühte sich Goethe um einen systematischen Aufbau der Schauspielkunst und der Sprecherziehung, das rhythmische Deklamieren. Begleitet wurde dies durch einen Gestus, der an die Pose antiker Statuen erinnerte. Größten Wert legte Goethe auf die Leseproben, die er wie ein Kapellmeister dirigierte. So merkwürdig manche dieser Prinzi-pien, die sich allerdings nur auf die Tragödie bezogen, in der Rückschau auch anmuten, Goethe brachte damit eine beeindruckende Ensembleleistung zuwege.
Die Anforderungen an die Darstellungskunst der Schauspieler richteten sich dabei nach einem adligen Habitus, der mit dem Kernbegriff „Anstand“ umschrieben werden kann. Der Schauspieler sollte sich mit Anmut bewegen, nie gegen das Gebot der Schicklichkeit verstoßen. Dies war zum Teil durchaus im Interesse der Schauspieler selbst, suchten sich die an einem Theater fest angestellten, materiell recht gut abgesicherten Darsteller doch gegen das anrüchige Image der Wanderschauspieler abzusetzen. Goethes für die Weimarer Schauspieler geltende Regeln sprechen eine deutliche Sprache. So heißt es in Paragraph 10: „Wer sich Unsittlichkeit, lasterhaftes und pöbelhaftes Betragen, oder Betrunckenheit auf dem Theater zu Schulden kommen läßt, und dadurch die Ehre und den guten Namen der Gesellschaft an?tastet, deßen Bestrafung wird der Ober-Direction allein überlassen …“ Die Tatsache jedoch, daß der „Anstand“ auch im Privatleben gefordert wurde, brachte so manchen Darsteller in Konflikt mit der Intendanz.
Von den Zuschauern erwartete Goethe ebenfalls ein angemessenes Verhalten. Dieses durfte sein Mißfallen nur durch Schweigen, seine Begeisterung nur durch Applaudieren bekunden. „Vivat“-Rufe, die bei der Uraufführung der Schillerschen „Braut von Messina“ erschollen, wurden im Auftrag des Landesherrn mit einem Verfahren gegen den vorlauten Rufer geahndet. Die erfolgreiche Zusammenarbeit Schillers und Goethes für das Weimarer Theater, gefördert durch den kunstsinnigen Herzog, dies stellt jedoch nur eine Seite der Weimarer Verhältnisse dar. Nicht zu übersehen ist, daß die Beziehung des Herzogs zu seinem Erfolgsautor distanziert-kritisch blieb. So ließ Carl August Schiller wissen, er wünsche dessen neue Stücke vorab zu lesen. Hierin zeigte sich nicht nur ein Interesse des Theaterkundigen, sondern dies war auch ein Fingerzeig auf die landesherrliche Zensur. Des öfteren sah sich Schiller zu Änderungen gedrängt. Ein erster Stein des Anstoßes wurde die Abendmahlsszene in „Maria Stuart“. Carl August sah die Kirche profaniert und schrieb an Goethe: „So ein braver Mann er [Schiller] sonsten ist, so ist doch leider die göttliche Unverschämtheit oder die unverschämte Göttlichkeit … dergestalt zum Tone geworden, daß man sich mancherlei poetische Auswüchse erwarten kann, wenn es bei neuern Dichtungen drauf ankommt, einen ‚Effect‘ … hervorzubringen …“ Auch den Text der „Braut von Messina“ habe er „nicht wohl mit behaglichem Gefühle“ gelesen, er kritisierte „undeutsche Worte“. Hinter seinem Tadel verbarg sich aber wohl ein anderes Problem: Schillers distanzierte Haltung gegenüber der herzoglichen Mätresse, der so gefeierten wie umstrittenen Schauspielerin Caroline Jagemann.
Hatte der Herzog der Aufführung der „Braut von Messina“ noch zugestimmt, so verschärften sich die Differenzen, als dieser von Schillers Drama „Die Jungfrau von Orleans“ hörte. Dieser Stoff war zuvor von Voltaire in parodistischer Weise bearbeitet worden. Wieder galten des Herzogs Befürchtungen Caroline Jagemann, die gewöhnlich die Hauptrolle spielte und die, so wähnte Carl August, der Lächerlichkeit preisgegeben werden sollte. Zwar revidierte er seine Meinung nach der Lektüre des Textes, hielt das Stück jedoch für nicht theatertauglich. In einem Brief schrieb er: „… um die Wahrheit zu gestehen, Caroline ist mir zu lieb, als daß ich ihr schönes Talent und Bemühen so zwecklos und ihr nachtheilig hier gezwungen sehen möchte.“ Schiller zog schließlich das Stück zurück. Es wurde 1801 in Leipzig uraufgeführt – und das Publikum reagierte euphorisch. Bei der dritten Aufführung der „Jungfrau“ wurden dem anwesenden Dichter Ovationen dargebracht. Dies zeigt: Schiller war nicht auf Weimar angewiesen, seine Stücke wurden auf den meisten deutschen Bühnen mit großem Erfolg gespielt.
Bezeichnend für das Verhältnis des Herzogs zu Schiller war schließlich die Tatsache, daß Schiller, der intensiv für das Weimarer Theater arbeitete, die Stücke anderer für die Bühne bearbeitete und gemeinsam mit Goethe oder allein die Einstudierung übernahm, nie eine offizielle Position am Theater bekleidete. Noch nicht einmal Mitglied der Theaterkommission wurde er.
Trotz dieser Unannehmlichkeiten bot ihm Weimar letztlich die notwendige Basis, um sein dramatisches Werk zu schaffen. Die fieberhafte Hast, mit der Schiller seine letzten Dramen schrieb, verweist bereits auf den frühen Tod des durch ständige Krankheiten Geschwächten. In den letzten Jahren wurde die Bühne ihm zum Lebensmittelpunkt. Es gelang ihm, in der Welt des Theaters existentielle Grundbedürfnisse seiner Zeitgenossen zum Ausdruck zu bringen. Und so wechselhaft Schillers Verhältnis zu seinem Publikum war, wenn er es einmal als seinen „Souverän“ ansah, ein andermal meinte, man könne gegen es nur „Krieg“ führen – deutlich ist, daß das Theater eine seiner wichtigsten Wirkungsstätten war. Wenn man auch aus heutiger Sicht manche Unzulänglichkeiten wahrnehmen mag, machte Schiller das Theater doch zu einem wichtigen Medium gesellschaftlicher Kommunikation, zu einem Ort, an dem sich ein bürgerliches Selbstverständnis ausdrücken konnte.
Dr. Heike Talkenberger