Es ist ein gutes Beispiel für das eurozentrische Denken, wenn nach dem Erfinder des Drucks mit beweglichen Lettern gefragt – und als Antwort Johannes Gutenberg erwartet wird. Das ist zwar nicht falsch, aber doch bloß die halbe Wahrheit. Denn früher als in Europa wurde die Technik des Druckens mit beweglichen Lettern in China und Korea entwickelt. Druckstempel aus Keramik gab es in China bereits im 11. Jahrhundert, später folgten Versuche mit Lettern aus Holz und Metall. Daß sich dieses Verfahren dort nicht durchgesetzt hat, hat einen simplen Grund: Angesichts von 50000 verschiedenen chinesischen Schriftzeichen ist der Druck mit beweglichen Lettern ein mühsames Geschäft … Statt dessen gab es in China ein viel praktischeres Verfahren: die sogenannte Abreib- oder Abklatschtechnik. Dabei wurden Texte in Steine geritzt, danach wurde feuchtes, mit Tusche eingeschwärztes Papier auf die Steine gelegt und anschließend mit einer Bürste darüber gefahren. Dadurch zeichnete sich der Text weiß auf dem schwarzen Papier ab.
In Korea wurde bereits im 12. Jahrhundert mit hölzernen Lettern gearbeitet. Um 1350 wurden erstmals Metallettern verwendet. Da in Korea zu dieser Zeit aber ebenfalls noch chinesische Schriftzeichen verwendet wurden, hatte es die Erfindung auch dort schwer. Erst 1443/1446 wurde in Korea eine leicht zu lernende Alphabetschrift mit 28 (heute 24) Buchstaben entwickelt. Doch setzte sich dieses Alphabet (Han-gul) erst im 20. Jahrhundert bis in die breite Masse der Bevölkerung hinein durch. Daher hatte die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern auch in Korea keine so weitreichenden Folgen wie in Europa. Gleichwohl wurde – um den „weltverbindenden Charakter“ des Programms hervorzuheben – nicht nur die 42zeilige Gutenberg-Bibel in das UNESCO-Register aufgenommen, sondern auch ein koreani?sches Dokument, ein 1377 gedruckter Band über die Zen-Lehre – das älteste bekannte Beispiel eines Buchdrucks mit beweglichen Metallettern.
Johannes Gutenberg hat seine Erfindung ohne Kenntnis der chinesischen und koreanischen Druckkunst entwickelt und ist dabei im Detail zu entsprechend anderen Verfahrensschritten gekommen. Daher kann er für Europa auch weiterhin als Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern gelten. „Gutenbergs Leistung“, so Cornelia Schneider vom Gutenberg-Museum in Mainz, bestand darin, daß er mehrere Arbeitsschritte (Schriftguß, Satz, Pressen), bei denen er auf bekanntes technisches und handwerkliches Wissen zurückgreifen konnte, „optimierte und zu einer Reproduktionstechnologie zusammenfaßte, die derart brauchbar war, daß sie bis ins 20. Jahrhundert Geltung hatte.“
Sich mit Johannes Gutenbergs Biographie zu beschäftigen ist ein müßiges Unterfangen, denn es gibt zu seinem Leben nur wenige gesicherte Quellen. Das fängt schon mit seinem Geburtsjahr an – irgendwann zwischen 1394 und 1404 – und geht mit seinem Geburtsort weiter: Da seine Eltern Mainzer Bürger waren, kann man vermuten, daß auch er selbst in der alten Römerstadt am Rhein geboren wurde. Über die Kindheit und Jugend Gutenbergs wissen wir nichts. Daß ein „Johannes de Eltville“ (in der Nähe von Mainz) zwischen 1418 und 1420 als Student in Erfurt eingeschrieben war, hat zu der Vermutung geführt, es könne sich dabei um Johannes Gutenberg handeln.
Im Jahr 1434 finden wir Gutenberg in Straßburg, wo er mit einem aus heutiger Sicht eher kuriosen Geschäft sein Geld verdiente: Er stellte Heilsspiegel her, mit denen fromme Pilger die von Reliquien ausgehende Kraft meinten einfangen zu können. Spätestens 1438 begann Gutenberg zusammen mit einigen Teilhabern, sich mit Fragen des Druckens zu beschäftigen. Auch von „Blei und andere[m], was dazugehöret“, war damals die Rede. Er könnte also schon in Straßburg mit beweglichen Metallettern gearbeitet haben. Da dies alles unter dem Siegel der Verschwiegenheit stattfand, sind eindeutige Feststellungen darüber kaum möglich, zumal sich aus dieser Zeit auch keine Drucke erhalten haben.
Irgendwann zwischen 1444 und 1448 kehrte Gutenberg nach Mainz zurück. Wann tatsächlich das erste Blatt mit Metallettern seine Werkstatt verließ – ob schon in Straßburg oder erst in Mainz –, ist in der Forschung umstritten. Zu den ersten, nachweislich von Gutenberg gedruckten Blättern gehören ausgerechnet Ablaßbriefe, die 1454/55 ausgegeben wurden. Bedenkt man, daß seine Erfindung später der Reformation den Weg bahnen half, dann ist dies schon eine Ironie der Geschichte. In dieser Zeit beschäftigte sich Gutenberg auch schon mit dem Druck einer Bibel. Einzelne Bögen hat der spätere Papst Pius II. (Enea Silvio Piccolomini), damals noch Hofdichter und Privatsekretär Kaiser Friedrichs III., selbst gesehen, wie er in einem Brief geschrieben hat. „Von mehreren Gewährsmännern erfuhr ich, daß 158 Bände fertigge?stellt seien; einige versicherten sogar, es handle sich um 180.“
Es waren Seiten der berühmten 42zeiligen Gutenberg-Bibel, die Piccolomini auf dem Frankfurter Reichstag zu Gesicht bekommen hat. Tatsächlich wurden in der Gutenbergschen Werkstatt 180 Exemplare davon gedruckt, 150 auf Papier und 30 auf Pergament. Die Bibel besteht aus zwei Bänden mit insgesamt 1282 Seiten, die nach dem Druck von einem Illuminator mit Initialen und Rankornamentik verziert wurden. 49 Exemplare dieser bibliophilen Kostbarkeit sind bis heute erhalten. Darunter sind nur vier Pergamentdrucke vollständig erhalten, darunter das Exemplar der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, das in die UNESCO-Liste aufgenommen wurde.
Die Herstellung der Bibeln und der anderen Druckerzeugnisse war ein aufwendiges und kostspieliges Geschäft. Man geht davon aus, daß an der Gutenberg-Bibel 20 Mitarbeiter beschäftigt waren. Obwohl er von seiner Mutter ein ansehnliches Vermögen geerbt hatte, konnte Gutenberg diese Arbeit nicht allein finanzieren. Mindestens zweimal lieh ihm sein Teilha?ber Johann Fust jeweils 800 Gulden. Gutenberg konnte dieses Kapital nie zurückzahlen, so daß Fust ihn verklagte. Gutenberg war schließlich dazu gezwungen, seine Druckerei 1457 an Fust und dessen Stiefsohn Peter Schöffer zu übertragen, die den Betrieb weiterführten.
Erst 1465 wird der Erfinder des Buchdrucks wieder in Quellen greifbar, als ihn der Mainzer Erzbischof Adolf II. von Nassau zu seinem Hofmann ernennt. Ob er für den Kirchenfürsten wieder als Drucker gearbeitet hat, ist nicht überliefert. Johannes Gutenberg starb am 3. Februar 1468.
Literatur und Internet: Paul Raabe (Hrsg.), 550 Jahre Buchdruck in Europa. Wolfenbüttel 1990.
http://www.gutenbergdigital.de Die Gutenberg-Bibel der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen ist digital vollständig erfaßt und im Internet einsehbar. Darüber hinaus bietet die Seite zahlreiche weiterführende Informationen und Links.
http://www.gutenberg.de Die Homepage des Mainzer Gutenberg-Museums informiert ausführlich über Leben und Werk Gutenbergs. Ein Besuch in dem Museum lohnt selbstverständlich nicht nur virtuell.
Uwe A. Oster