Als Jakob Fugger am 6. März 1459 in Augsburg als Sohn eines vermögenden Kaufmanns geboren wurde, war eine Karriere, wie er sie durchlaufen sollte, kaum denkbar. Die wenigen großräumig operierenden deutschen Unternehmen dieser Zeit waren zumeist durch eine begrenzte Kapitalausstattung gehandikapt und konzentrierten ihren europäischen Handel zwangsläufig auf wenige Routen. Deflationäre Tendenzen, bedingt durch eine Unterversorgung mit Münzmetall, hemmten das Wirtschaftswachstum strukturell, und politische Krisen sorgten zusätzlich für eine nachhaltige Störung von Produktion und Handel. Gegen eine wirtschaftliche Karriere sprach zudem Jakobs Geschwisterposition. Vor dem Hintergrund der patriarchalischen Strukturen seiner Zeit konnte er, als jüngster von sieben Brüdern, nicht erwarten, im Familienunternehmen eine entscheidende Rolle zu spielen. reich von Gottes Gnaden
Entgegen der gängigen Angabe, Jakob sei zum Geistlichen bestimmt gewesen und habe, von den Brüdern aufgefordert, erst im Alter von 19 Jahren einem „Berufswechsel“ zugestimmt, zeigen neue Forschungs?ergebnisse, daß sich seine berufliche Entwicklung – trotz Klerikerstatus – nicht von der anderer Kaufleute unterschied. Im üblichen Alter von etwa 14 Jahren erhielt er in Venedig seine Ausbildung zum Kaufmann. Nicht zuletzt modische Präferenzen verweisen bei Jakob allerdings auf einen längeren Aufenthalt am Rialto. Wahrscheinlich leitete er in den 1480er Jahren die venezianische Faktorei der Fugger, denn bestimmte Indizien seiner ersten Steuerveranlagung in Augsburg lassen erkennen, daß er sich vor 1487 „außer Landes“ aufgehalten haben muß.
Damit bieten sich auch Erklärungsmöglichkeiten, wie er jenes Wissen erworben haben könnte, das ihn in die Lage versetzte, seine großen Geschäfte zu planen. Da Venedig bis zur Jahrhundertwende der mit Abstand wichtigste europäische Handelsplatz für Bunt- und Edelmetall war, gab es kaum einen besseren Ort, um sich intimste Kenntnisse dieses Marktes anzueignen. Aber auch für Bankgeschäfte besaß die Lagunenstadt zentrale Bedeutung: Bis zur Gründung ihrer römischen Filiale 1495 waren die Fugger bei Überweisungen an die Kurie auf italienische Banken angewiesen, wobei Venedig üblicherweise als Clearing-Stelle fungierte. Seit seiner Rückkehr nach Augsburg im Jahr 1487 dürfte Jakob faktisch die Geschäftspolitik bestimmt haben, obwohl die Gesellschaft weiterhin den Namen „Ulrich Fugker und gebrudere von Augspurg“ trug und erst durch den Gesellschaftsvertrag von 1494 eine formal gleichberechtigte Position aller Brüder vereinbart wurde. Denn es war Jakob, der – nun aus der Zentrale heraus – den Einstieg ins Montangeschäft organisierte, was nicht zuletzt die Beobachtung unterstreicht, daß die Tiroler Quellen fast durchgängig von Jakob Fuggers Gesellschaft sprechen und daß spä-ter auch die zentralen Verträge des „Ungarischen Handels“ von ihm geschlossen wurden.
Finanzielle Engpässe der wichtigsten Geldgeber Erzherzog Sigismunds hatten den Fuggern den Weg zum Tiroler Silber geöffnet. Nach ersten Silberkäufen 1485 machte sich Jakob Ende 1487 bei Sigismund als Finanzier unentbehrlich und sicherte so der Firma die Verfügung über große Teile der Silberproduktion, da die Darlehen durch Verweisung auf den „Silberwechsel“, eine Art Vorkaufsrecht des Landesherrn, getilgt wurden. Nach der Übernahme Tirols durch Maxi?milian I. sah sich Jakob zwar der zunehmenden Konkurrenz anderer Augsburger Firmen gegenüber; diesen gelang es jedoch nicht, seine dominierende Stellung dauerhaft zu erschüttern.
Stärker als beim Kampf um das Tiroler Silber, den weitgehend die höhere Liquidität der Fugger entschied, werden die strategischen und organisatorischen Fähigkeiten Jakobs beim Einstieg in das Kupfergeschäft sichtbar. Die wichtigsten europäischen Erzeugerregionen waren damals das Mansfelder Revier, aufs engste verflochten mit den Thüringer Seigerhütten (Seigerung ist das Herausschmelzen leichter schmelzender Metalle aus einem Gemenge von Metallen oder Metallverbindungen), die von Nürnberger Firmen beherrscht wurden, das Tiroler Revier, in dem bayerische und Augsburger Firmen den Vertrieb des Kupfers kontrollierten, sowie das oberungarische Revier um Neusohl, das eigentlich erst durch den Frieden von Preßburg (1491) auch für ausländische Investoren zugänglich wurde…
Dr. Peter Geffcken