Das Engagement der Ruhrgas AG für die Rekonstruktion des Bernsteinzimmers ist wohl einmalig. Wer hatte die Idee zu dieser großartigen Aktion?
1998 begann ich mit Überlegungen über ein passendes Sponsoring-Projekt aus Anlaß des 75jährigen Firmenjubiläums der Ruhrgas im Jahre 2001. Damals erinnerte ich mich an einen Artikel Elfie Siegls in der F.A.Z.: über die Rekonstruktionsarbeiten am Bernsteinzimmer und ihre Einstellung wegen Geldmangels. Wenig später sind wir auch vom damaligen deutschen Botschafter in Moskau, Dr. Ernst-Jörg von Studnitz, auf das Projekt angesprochen worden. Das war der Beginn für unser Engagement.
Ruhrgas hat in Rußland enorme wirtschaftliche Interessen – ist hier Ihr Motiv zu suchen?
Ruhrgas bezieht seit 30 Jahren große Erdgasmengen aus Rußland, und unsere Verträge reichen noch weitere 30 Jahre in die Zukunft. Bei so langfristigen Wirtschaftsbeziehungen sollte man sich nicht nur auf die kommerziellen Aspekte konzentrieren, sondern das wechselseitige Verständnis auch durch kulturelle Verbindungen stärken. Das Bernsteinzimmer paßt auch deshalb gut zu unserem Unternehmen, weil es die Höhen und Tiefen der deutsch-russischen Geschichte widerspiegelt: in Freundschaft geschenkt, im Krieg geraubt und jetzt – als Nachbildung – in Freundschaft zurückgegeben. Wir wollten ein positives Zeichen für die deutsch-russischen Beziehungen setzen.
Wie reagierten Staat und Öffentlichkeit in Rußland auf das Angebot?
Vertragspartner sind das Staatliche Museum Zarskoje Selo und das russische Kulturministerium. Das große Engagement des stellvertretenden russischen Kulturministers Pawel Choroschilow zeigt den Stellenwert, den man dem Projekt beimißt. Auch in der Öffentlichkeit und von unseren russischen Geschäftspartnern haben wir eine sehr positive Resonanz erhalten. Und die Restauratoren in der Bernsteinwerkstatt, die seit Jahren an dem Projekt gearbeitet hatten und dies als „Lebensaufgabe“ sahen, waren erleichtert, das Werk endlich beenden zu können.
War eine Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt erforderlich?
Als privatwirtschaftliches Unternehmen konnten wir selbst die Initiative ergreifen. Der erste Hinweis kam ja sogar vom deutschen Botschafter. Da sich damals die Fronten in den Beutekunst-Verhandlungen gerade verhärtet hatten [siehe DAMALS 7-2000], haben wir aber auch Bedenken aus dem Auswärtigen Amt gehört. Heute begrüßen jedoch alle das Projekt. Das sieht man nicht zuletzt daran, daß das neue Bernsteinzimmer am 31. Mai 2003 auf höchster politischer Ebene wiedereröffnet wird.
Wie sehen Sie persönlich die Beutekunst-Frage?
Man muß bei diesen Verhandlungen sehen, daß den Russen im Zweiten Weltkrieg großes Leid zugefügt wurde und sie das Thema daher sehr emotional wahrnehmen. Gesten der Freundschaft spielen hier eine wichtige Rolle. Die positive Resonanz, die wir auf das Projekt erhalten haben, bestätigt unsere Sicht: Ich bin überzeugt, daß nicht zuletzt aufgrund unseres Engagements wieder Bewegung in die Beutekunst-Verhandlungen gekommen ist.
Hat sich das Projekt im Lauf der Zeit verändert?
Nein, denn die Bernsteinwerkstatt hatte alles sehr genau geplant. Zusätzlich haben wir einen Beirat aus russischen und deutschen Kunsthistorikern und Bernstein-Experten installiert, der Arbeiten und Mittelverwendung genau überprüft hat.
Wo lagen die größten Schwierigkeiten?
Die größte Hürde lag eigentlich darin, daß unser Sponsoring nach russischen Gesetzen als „unentgeltliche Hilfe“ anerkannt wurde, damit wir keine zusätzlichen Steuern auf unsere Leistungen entrichten mußten. Die Rekonstruktion selbst – obwohl eine Mammutaufgabe – konnte durch das herausragende Engagement der Restauratoren pünktlich vollendet werden. Schon zu Beginn der Verhandlungen hatten wir uns von dem reichen Erfahrungsschatz und der Kunstfertigkeit des Werkstatt-Teams überzeugen können, so daß ich nie am Erfolg des Unternehmens gezweifelt habe.
Am 31. Mai kommt es nun zum großen Finale…
Ja – dann wird das neue Bernsteinzimmer von Präsident Putin und Bundeskanzler Schröder wiedereröffnet und damit der Weltöffentlichkeit übergeben. Ich freue mich sehr auf diesen Tag – übrigens meinen Geburtstag –, an dem dieses großartige Projekt einen glanzvollen Abschluß findet.
Marlene P. Hiller