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„Ich kannte ihn anders“

Faszinierende Figuren: Albrecht Müller über Willy Brandt

„Ich kannte ihn anders“
Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wissenschaft sprechen über historische Gestalten, die sie beeindruckt haben. In dieser Ausgabe: der Publizist Albrecht Müller über Willy Brandt.

Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Albrecht Müller: Als Redenschreiber des Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller, der einen Kollegen und mich zu einer Präsidiumssitzung der SPD nach München mitnahm. Dort im Hotel bin ich Willy Brandt zum ersten Mal begegnet.

Was hat Sie damals an ihm beeindruckt?

Beeindruckt von ihm war ich schon, bevor ich 1968 nach Bonn ging. Da war mir längst aufgefallen, dass es
einen Politiker gab, der eine Strategie entworfen hatte, um im Ost-West-Konflikt aus der Konfrontation zur Kooperation zu kommen – „Wandel durch Annäherung“, wie die 1963 geprägte Formel hieß.

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Sie haben 2013 ein Buch über Brandt geschrieben …

Ich hatte festgestellt, dass in den damaligen Betrachtungen zu seinem 100. Geburtstag alle Vorurteile, die es über Willy Brandt gab, nochmals gepflegt, vertieft und verbreitet wurden. Da ich ihn anders kannte, habe ich mich entschlossen, selber etwas zu schreiben.

Was an unserem Bild ist korrekturbedürftig?

Zum Beispiel die überall herumgetratschte Vorstellung, er sei in seiner Dienstvilla auf dem Bonner Venusberg regelmäßig in Depressionen verfallen. Sein stellvertretender Büroleiter, der ihn dort oft aufsuchte, fand ihn immer konzentriert bei der Arbeit. Das Bild vom depressiven Brandt ist einfach Quatsch. Genauso falsch ist die These, er habe nichts von Wirtschaft verstanden und sich nur um Außenpolitik gekümmert. Die Wahl 1972 gewann die SPD, weil Willy Brandt kapiert hatte, dass man sich gegen den Zugriff des großen Geldes auf die Politik wehren muss. Da ging es um Demokratie, nicht um Außenpolitik. Ich habe ihn meist anders erlebt, als die gängigen Klischees ihn darstellten.

Wer hatte ein Interesse, so etwas zu verbreiten?

Abgesehen von politischen Gegnern aus anderen Parteien hatten natürlich die Leute, die heute die SPD beherrschen, die konservativen sogenannten Kanalarbeiter, 1982 im „Seeheimer Kreis“ aufgegangen, Interesse daran, das Image von Willy Brandt zu beschädigen. Im Hintergrund auch Helmut Schmidt, dessen Mitarbeiter ich später ebenfalls war. Er betrachtete mich als „Brandt-Mann“ und beklagte sich bei mir oft darüber, was Brandt wieder alles falsch gemacht habe.

Was sehen Sie als Brandts wesentliche Leistungen?

Dass er Frieden schloss mit den jungen Leuten durch das Amnestiegesetz für Demonstrationsdelikte von 1969. Dafür ist er heftig attackiert worden, auch von Konservativen in der SPD. Frieden auch mit dem Osten, nicht nur mit Russland, sondern mit allen anderen Völkern ebenfalls. Und dass er Verständnis dafür geschaffen hat, dass ein großer Teil unseres Volkes soziale Sicherheit braucht. „Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten“, plakatierte die SPD 1971.

Interview: Dr. Winfried Dolderer

Albrecht Müller geb. 1938, Volkswirt, Publizist, Herausgeber der „NachDenkSeiten“. Planungschef im Kanzleramt unter Willy Brandt und Helmut Schmidt. Später für die SPD im Bundestag.  Veröffentlichungen unter anderem „Brandt aktuell. Treibjagd auf einen Hoffnungsträger“ (2013).

Willy Brandt (1913 –1992), deutscher Politiker (SPD). Nach Rückkehr aus dem Exil in Skandinavien 1957 bis 1966 Regierender Bürgermeister von Berlin, anschließend Außenminister der Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger (CDU), von 1969 bis 1974 Bundeskanzler. SPD-Chef bis 1987, Präsident der Sozialistischen Internationale 1976 bis 1992.

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