Rekrutiert wurden die Mitglieder der Verfügungstruppe – wie man vor dem Krieg die militärischen Verbände der SS nannte – zunächst aus der Allgemeinen SS. Diese hatte Ende 1934 rund 200000 Mitglieder. Als Dank für ihre Beteiligung an der Ermordung der SA-Spitze um Ernst Röhm (Mitte 1934) hatte die Verfügungstruppe im September 1934 das Recht erhalten, drei Standarten zu unterhalten (eine Standarte umfasste 1000 bis 3000 Mann; 1938 kam eine weitere Standarte hinzu). Reichswehrminister Werner von Blomberg gab ihr zudem ein eingeschränktes Zugriffsrecht auf die männliche deutsche Bevölkerung. Nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht im März 1935 wurde der Dienst in der Verfügungstruppe als dem Wehrdienst gleichwertig anerkannt.
Bis Kriegsbeginn wuchs die Verfügungstruppe auf etwa 20000 Mann an. Einem weiteren Ausbau setzte die Wehrmacht Grenzen, die keine konkurrierende Organisation neben sich entstehen lassen wollte. Eine Möglichkeit, das bewaffnete Personal aufzustocken, boten der SS jedoch die KZ-Wacheinheiten (Totenkopfverbände), denn diese nahmen in den Augen der Wehrmacht polizeiliche Aufgaben wahr. In den drei großen Lagern Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald war je eine Standarte stationiert; nach der Besetzung Österreichs kam eine vierte Totenkopfstandarte beim KZ Mauthausen hinzu.
Zu einem Personalausbau kam es nach dem 1. September 1939. Die Verfügungstruppe und die Totenkopfverbände wurden in der Waffen-SS zusammengeführt und mobilisiert; sie standen teilweise an der Front (die KZ-Bewachung übernahmen nun Angehörige der sogenannten SS-Polizeiverstärkung, die über eine „Notdienstverordnung“ aus 25- bis 35-jährigen Angehörigen der Allgemeinen SS rekrutiert wurde). Schon bald wurden aus Einheiten der Waffen-SS auch Divisionen aufgestellt, darunter die 1940 aus „germanischen Freiwilligen“ West- und Nordeuropas gebildete Division Wiking. Weitere Einheiten übernahmen Besatzungsaufgaben, verschiedene beteiligten sich am Vernichtungskrieg.
Im Reichsgebiet wurden neue Mitglieder nicht nur über die Allgemeine SS geworben, sondern vor allem in der Hitler-Jugend, aus den Reihen der Polizei, im Reichsarbeitsdienst oder in der NSDAP. Grundsätzlich galt das Prinzip der Freiwilligkeit. Voraussetzung war, dass der Bewerber den körperlichen und „rassischen“ Einstellungsvoraussetzungen der SS genügte. So durfte ein Bewerber Anfang 1940 höchstens 17 bis 22 Jahre alt und musste mindestens 1,70 Meter groß sein. Je länger der Krieg dauerte und je knapper das Personal wurde, desto schärfer gingen die Personalwerber vor und desto mehr wurden die Ein‧stellungsvor‧aussetzungen aufgeweicht. Immer wieder wurden Jugendliche zur Unterzeichnung einer freiwilligen Meldung gedrängt, und die Mindestgröße sank auf 1,66 Meter. Erst in der Zeit nach Stalingrad (Anfang 1943) erlangte die Waffen-SS leichteren Zugriff auf reichsdeutsche Freiwillige: Von den neuaufgestellten SS-Divisionen erhoffte Hitler sich eine Kriegswende…
Dr. René Rohrkamp