Johannes Kepler war einer der bedeutendsten Theoretiker der Astronomie. Er verhalf dem heliozentrischen Weltbild zum Durchbruch, und seine Rudolfinischen Tafeln bildeten für Jahrhunderte die unentbehrliche Grundlage für die genaue Berechnung von Planetenpositionen. Johannes Kepler wurde am 27. Dezember 1571 in Weil der Stadt nahe Stuttgart geboren. Schon früh galt er als vorurteilsloser Geist, der bereits während seines Studiums der pro-testantischen Theologie durch kritische Meinungsäußerungen auffiel. Vom Weltsystem des Kopernikus hatte er durch seinen Tübinger Mathematiklehrer Michael Mästlin (1550–1631) erfahren. Das System begeisterte ihn sofort, zunächst allerdings aus eher theologischer Sicht. Sonne, Erde und Fixsternsphäre sah er als ein Abbild der Heiligen Dreifaltigkeit.
Als Kepler nach seinem Studium eine Stelle als Mathematiklehrer an der Protestantischen Stiftsschule in Graz antrat, hatte er sich auch mit Kalendern und „Prognostica“ zu befassen. Dadurch wurde der Kontakt zur Astronomie enger, und der grüblerische Denker verfiel auf die Idee, dass die Bahnradien der (damals bekannten) sechs Planeten mit den fünf regulären euklidischen Körpern (Tetraeder = aus vier gleichseitigen Dreiecken, Hexaeder = aus sechs Quadraten = Würfel, Oktaeder = aus acht gleichseitigen Dreiecken, Dodekaeder = aus zwölf regelmäßigen Fünfecken, Ikosaeder = aus 20 gleichseitigen Dreiecken) zusammenhängen könnten. Die Idee von geometrischen Prinzipien als göttliches Rezept für den Weltenbau führte zu seiner berühmten Schrift „Mysterium cosmographicum“ („Weltgeheimnis“). Wenn wir auch heute wissen, dass die von dem erst 25-jährigen Autor darin vermuteten Zusammenhänge nicht bestehen, so erregte das Buch doch große Aufmerksamkeit. Schon damals sah Kepler seine wissenschaftliche Aufgabe darin, „vom Sein der Dinge … zu den Ursachen ihres Seins und Werdens vorzudringen“.
Tycho Brahe (1546–1601), kaiserlicher Mathematiker in Prag, war einer der begeisterten Leser von Keplers erstem Werk. Zwar lehnte Brahe das heliozentrische System ab, doch hoffte er, in Kepler einen Mann zu finden, mit dem sich sein eigenes, auf sehr genauen Beobachtungsdaten basierendes System beweisen ließe. Danach sollte die Erde in der Weltmitte stehen, um die sich auch die Sonne bewegte. Die anderen Planeten hingegen waren „Sonnentrabanten“. Als sich die beiden Männer im Jahr 1600 zum ersten Mal begegneten, hoffte auch Kepler auf eine gute Zusammenarbeit, denn Brahes Beobachtungsdaten galten als Schätze, die man nur richtig nutzen musste. Doch die Charaktere der beiden Gelehrten waren zu unterschiedlich, als dass es zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit hätte kommen können.
Als Brahe schon im Oktober 1601 starb, wurde Kepler zu seinem Nachfolger am Hof Rudolfs II. bestimmt. Nach unerfreulichen Streitereien mit Tycho Brahes Erben um die Nutzung von dessen Datensammlung türmten sich neue Schwierigkeiten auf. Die Positionsmessungen des Mars waren nicht mit der Hypothese einer kreisförmigen Bahn in Einklang zu bringen, an der selbst Kopernikus nicht gezweifelt hatte. Doch als höchsten Richter betrachtete Kepler die Natur, und das waren für ihn die tychonischen Beobachtungen. So fand er nach langwierigen Rechnungen und nach Ausschluss aller anderen Möglichkeiten zwei Gesetze der Planetenbewegung, die der Lehre des Kopernikus widersprachen, aber dennoch zu ihrem weiteren Ausbau beitrugen: Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen! Das Kreisbahndogma der Antike war damit gefallen. Zugleich konnte Kepler zeigen, dass die Verbindungslinie Sonne – Planet in gleichen Zeiten stets gleiche Flächen überstreicht.
Beide Gesetze wurden 1609 in Keplers bahnbrechendem Buch „Astronomia nova“ („Neue Astronomie“) veröffentlicht; fast gleichzeitig rich‧tete Galilei sein Teleskop erstmals gen Himmel. Doch hat der italienische Gelehrte – wie viele andere Zeitgenossen – von diesen „Kepler’schen Gesetzen“ nie Notiz genommen. Dabei waren sich beide Zeitgenossen in grundlegenden Fragen völlig einig. Auch Kepler wagte es, die „Wahrheit“ höher zu stellen als die Lehrmeinungen der Kirche. „Heilig ist zwar Laktanz“, schreibt er in der „Neuen Astronomie“, „der die Kugelgestalt der Erde leugnete, heilig Augustinus, der die Kugelgestalt zugab, aber Antipoden leugnete, heilig das Offizium unserer Tage, das die Kleinheit der Erde zugibt, aber ihre Bewegung leugnet. Aber heiliger ist mir die Wahrheit, wenn ich, bei aller Ehrfurcht vor den Kirchenlehrern, aus der Philosophie beweise, dass die Erde rund, ringsum von Antipoden bewohnt, ganz unbedeutend und klein ist und auch durch die Gestirne hineilt“…
Das Jahr der Astronomie Die Vereinten Nationen haben 2009 zum Internationalen Jahr der Astronomie erklärt. Damit erinnert die Organisation daran, dass Galileo Galilei vor 400 Jahren zum ersten Mal sein Fernrohr in den Himmel gerichtet und Johannes Kepler seine „Astronomia nova“ veröffentlicht hat. Weltweit werden aus diesem Anlass zahlreiche Veranstaltungen stattfinden, koordiniert von der Internationalen Astronomischen Union. Darunter ist auch eine ganze Reihe von historischen Ausstellungen:
In der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart findet vom 15. September bis zum 15. November 2009 eine Ausstellung über Johannes Kepler statt; die Ausstellung „Himmlisches in Büchern“ vom 13. November 2009 bis zum 29. August 2010 in der Universitätsbibliothek Heidelberg zeigt astronomische Schriften und Instrumente aus sechs Jahrhunderten; mit Astronomie und Astrologie im Mittelalter und in der frühen Neuzeit beschäftigt sich die Ausstellung „Die Sterne lügen nicht“ in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel noch bis zum 7. Juni 2009. Die Wanderausstellung „Astronomie in der Metropolregion Nürnberg – Geschichte, Forschung und Volkssternwarten“ ist im Jahreslauf an mehreren Orten in Franken zu sehen. Eine Sonderausstellung zum Thema „Kometen“ zeigt das Heimat- und Palitzschmuseum Dresden bis zum 19. April 2009. „Der Mond“ ist ein kunst- und kulturhistorischer Überblick im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln vom 26. März bis zum 16. August 2009. In Weil der Stadt (bei Stuttgart) betreibt die Kepler-Gesellschaft im Geburtshaus des Astronomen ein Museum, das ganz dem Leben und Werk Johannes Keplers gewidmet ist. „Kepler und die Nachwelt“ ist das Thema einer neuen Dauerausstellung im Stadtmuseum Weil der Stadt, die am 4. Mai 2009 eröffnet wird.
http://www.astronomy2009.de
Prof. Dr. Dieter B. Herrmann