Am 25. Juli 1215, am Fest des heiligen Jakobus, krönte der päpstliche Legat und Mainzer Erzbischof Siegfried in Aachen Friedrich II. zum römisch-deutschen König. Zwei Tage später verschloss Friedrich den goldenen Schrein, in dem man die Gebeine Karls des Großen beigesetzt hatte. Der neue König ergriff selbst den Hammer, legte seinen Mantel ab und machte sich zusammen mit dem Werkmeister vor aller Augen an die Arbeit. Sein Großvater, Kaiser Friedrich I. Barbarossa, hatte 1165 die Heiligsprechung Karls, des Begründers des westlichen mittelalterlichen Kaisertums, vornehmen lassen. Jetzt trat Friedrich II. sowohl in die Verehrung des heiligen Kaisers als auch in die Reihe von dessen legitimen Nachfolgern ein, als König wie auch als künftiger Kaiser.
Bald nach seiner Königskrönung ist Friedrich II. an den Niederrhein gezogen, um auch diesen Raum für sein Königtum zu gewinnen. Nachdem Rainald von Dassel die Reliquien der zunehmend als Könige gedeuteten Magier 1164 in seine Bischofsstadt gebracht hatte, waren sie dort bald in das Zentrum einer ausgeprägten liturgischen Verehrung gerückt. Als Könige besaßen sie für die Kölner Erzbischöfe hohe symbolische Bedeutung. Sie schufen eine besondere Nähe zur Sphäre des Königtums überhaupt; befanden sich nun doch die ersten Könige, die bei Christi Geburt dessen Gottheit als Weise erkannt, als Herrscher ihm gehuldigt hatten und von ihm in ihrer eigenen königlichen Würde anerkannt worden waren, in der Obhut der Kölner Kirche. Seit dem 11. Jahrhundert oblag es dem Kölner Erzbischof, den König in Aachen zu krönen. Diese nur punktuell wahrnehmbare Nähe der Kölner Erzbischöfe zum Königtum war nun durch ihre dauernde Nähe zu den ersten „christlichen“ Königen ergänzt.
Zu Heiligen des Reichs und seiner jeweiligen Herrscher sind die Heiligen Drei Könige nicht geworden, auch wenn die Gegenwart ihrer Reliquien nördlich der Alpen als besondere Auszeichnung empfunden wurde. Gerade dass sich ihre Reliquien in Köln befanden, hat ihren möglichen Aufstieg zu Heiligen des Reichs eher behindert als gefördert. Denn Köln als Stadt hatte mit dem Königtum als solchem wenig zu tun. Der König besaß keine feste Residenz, sondern zog durch das Reich, um sich hier als Herrscher zu präsentieren und zu regieren, bzw. hielt sich im späteren Mittelalter vor allem in dem Territorium seiner Hausmacht auf, von der er zum König aufgestiegen war. Allein Aachen war als Ort der Königskrönung institutionell mit dem römisch-deutschen Königtum verbunden; seit dem 14. Jahrhundert trat ihm Frankfurt am Main als Ort der Königswahl und seit der frühen Neuzeit zunehmend auch der Krönung zur Seite.
Die Heiligen Drei Könige schufen in der Reichspolitik vor allem Beziehungen zwischen dem Herrscher und dem Erzbischof von Köln. Das zeigte sich an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert in dem Streit zwischen Staufern und Welfen um die Königswürde. Eine Entfremdung zwischen den Staufern und den Kölner Erzbischöfen war dem vorausgegangen. War die Überlassung der Reliquien ein Zeichen der besonderen Wertschätzung des Kölner Erzbischofs Rainald von Dassel durch Friedrich I. Barbarossa gewesen, so hatten sich die Beziehungen zwischen dem Kaiser und Rainalds Nachfolgern in den letzten Jahren Friedrichs I. dramatisch verschlechtert. Die Spannungen hielten während der Regierung von Barba‧rossas Sohn und Nachfolger Heinrich VI. an.
Am 28. September 1197 starb Kaiser Heinrich VI., gerade 32 Jahre alt, im sizilischen Messina – auf dem Weg zum Kreuzzug und nachdem er das süditalienisch-normannische Erbkönigreich Sizilien dem kaiserlichen Machtbereich hinzugefügt hatte. Sein Plan, das römisch-deutsche Reich in eine Erbmonarchie umzuwandeln, war zwar am Widerstand der deutschen Fürsten gescheitert, aber immerhin war es Heinrich gelungen, seinen erst zweijährigen Sohn Friedrich in der Weihnachtszeit 1196 zum König wählen zu lassen.
Der Kölner Erzbischof Adolf von Altena hatte zu den Gegnern der Erbreichspläne des verstorbenen Kaisers gehört. Nun zählte er zu denen, die überhaupt die Thronfolge eines Staufers verhindern wollten. Die Opposi‧tion beruhte nicht zuletzt auf Befürchtungen, die Staufer wollten generell das Recht der Fürsten, den König zu wählen, beseitigen. Für den Kölner Erzbischof war also seine durch das Krönungsrecht hervorgehobene Rolle bei der Königserhebung insgesamt gefährdet. Der staufische Anhang musste in dieser Situation darauf verzichten, das Königtum des bereits gewählten Friedrich durchzusetzen, und wählte im März 1198 mit Heinrichs VI. Bruder Philipp von Schwaben den einzigen handlungsfähigen Staufer zum König. Die Staufer-Gegner entschieden sich fast drei Monate nach Philipps Königswahl für den Welfen Otto IV., den zweitjüngsten Sohn Heinrichs des Löwen. Am 8. September 1198 wurde Philipp von Schwaben in Mainz zum König gekrönt. Otto hatte bereits am 12. Juli in Aachen vom Kölner Erzbischof Salbung und Krone erhalten…
Prof. Dr. Ernst-Dieter Hehl