DAMALS: Wann haben Sie zum ersten Mal von Bertha von Suttner erfahren? Margot Käßmann: Ich hatte von ihr, der ersten Frau, die 1905 den Friedensnobelpreis erhielt, immer wieder beiläufig gehört. Intensiv habe ich mich mit Bertha von Suttner erst befasst, als die Stadt Gotha mich 2014 bat, eine Gedenkrede ihr zu Ehren aus Anlass des 100. Jahrestages ihrer Beerdigung dort zu halten.
DAMALS: Was hat Sie besonders beeindruckt? Käßmann: Sie war eine unermüdliche Friedensaktivistin und mutig genug, gegen den Strom zu schwimmen. Ihr wurde viel Spott und Häme entgegengebracht, wie Pazifistinnen und Pazifisten das immer wieder erleben. Und dennoch ließ sie sich nicht davon abbringen, für den Abbau von Feindbildern einzutreten. Besonders beeindruckend finde ich einen Brief an den Frauenbund der Deutschen Friedensgesellschaft, in dem sie klarmacht, dass zum Kriegführen Geld gebraucht wird, für die Position des Pazifismus aber vor allem Ausdauer.
DAMALS: Sie starb ja gerade noch rechtzeitig, um den Ersten Weltkrieg nicht mehr erleben zu müssen – was hat sie in ihrer Zeit eigentlich erreicht? Käßmann: Mit ihrem Roman „Die Waffen nieder“ hatte sie viele Menschen bewegt. Stefan Zweig hat sie nach dem Ersten Weltkrieg als eine Art Don Quichotte gewürdigt, als eine Frau, die gegen Windmühlen gekämpft hatte, obwohl sie wusste, dass die Macht der Gewalt und der Waffenlobby stärker war – und ist.
DAMALS: War das Projekt ihres Zeitgenossen Henri Dunant, den Krieg durch die Gründung des Roten Kreuzes zu humanisieren statt abzuschaffen, nicht realistischer? Käßmann: Wir brauchen Visionen oder auch Träume von einer anderen Zukunft. Wenn alle nur realistisch sind, verändert sich die Welt nicht.
DAMALS: Taugt Bertha von Suttner als Vorbild? Käßmann: Auf jeden Fall! Wegen ihres Engagements für den Frieden, aber auch, weil sie sich trotz der Ausgrenzung, die sie erlebte, nicht hat demütigen lassen. Ihr Leben lang musste sie damit kämpfen, dass das Geld sehr knapp war, aber auch dadurch ließ sie sich nicht beirren.
Winfried Dolderer