An der Grand’ Place Nummer 9 in Brüssel, einem prächtigen Zunfthaus mit einem barocken Schwan über der Eingangstür, erinnert heute eine Tafel daran, dass Karl Marx hier die Silvesternacht 1847/48 verbrachte. Bei dieser Gelegenheit lobte Marx das Land, das ihm seit 1845 politisches Asyl gewährte, in den höchsten Tönen. Belgien, so erklärte er, sei ein Land mit einer „freisinnigen Verfassung, wo freie Diskussion stattfindet … zum Besten von ganz Europa“. In diesem „Paradies des kontinentalen Liberalismus“ konnte er es wagen, sein „Kommunistisches Manifest“ zu verfassen. Ohne Zweifel hatte Marx recht damit, dass es zu dieser Zeit auf dem europäischen Festland kein freieres Land gab als das junge Königreich Belgien.
Und damit nicht genug: Belgien war in vielerlei Hinsicht der modernste Staat Europas. Außer Großbritannien war kein anderes Land so stark industrialisiert. Seine Produktivität pro Kopf der Bevölkerung war sogar noch höher als auf der Insel. Der erste Zug auf dem Kontinent fuhr 1835 zwischen Brüssel und Mechelen. In Seraing bei Lüttich stand die größte Fabrik Europas, das Cockerill-Werk mit integrierten Hochöfen, Eisenhütten und Walzwerken. Mächtige Banken wie die Société Génerale und die Banque de Belgique finanzierten Wirtschaftsunternehmungen in ganz Europa und darüber hinaus. Der Bankier James de Rothschild bezeichnete Belgien 1836 als „eine große Aktienfabrik“. Wie war es möglich, dass ein so kleines Land eine solche Ausnahmestellung erreichen konnte? Ein Land noch dazu, das bis 1830 als eigenständiger Staat überhaupt nicht existiert hatte?…
Autor: Dr. Christoph Driessen
Den vollständigen Artikel lesen Sie in DAMALS 03/2019.