Die von Klaudios Ptolemaios um 100 in seinem berühmten „Almagest“ beschriebenen Instrumente zur Himmelsbeobachtung finden sich noch genauso 1543 bei Nikolaus Kopernikus. In dessen Schrift „De revolutionibus orbium coelestium“ fehlen zwei Neuentwicklungen, Jakobstab und Astrolab, aber das ändert nicht viel an der Feststellung, dass es auf diesem Gebiet über 1500 Jahre hinweg kaum eine Weiterentwicklung gegeben hat.
Nun war Kopernikus zwar kein beobachtender Astronom, sondern Theoretiker, doch spielte die praktische Beobachtung des Himmels in dieser Zeit insgesamt nur eine untergeordnete Rolle. Natürlich wurden Sonnen- und Mondfinsternisse oder Kometen beobachtet, aber das waren Himmelsereignisse, die allgemeines Interesse erregten, mehr aus astrologischen denn astronomischen Beweggründen und nicht, um von Himmelsdingen etwas Neues zu erfahren. Astronomie war vor allem Buchgelehrsamkeit. Geradezu erdrückend schien den damaligen Gelehrten das zu sein, was in den Werken des Ptolemaios, Aristoteles oder Plinius zu lesen war. Gab es am Himmel wie auch auf Erden überhaupt etwas, was die „Alten“ nicht längst wussten?
So waren auch astronomische Beobachtungsinstrumente nicht sehr weit verbreitet, und wenn, dann waren es Instrumente des zivilen und militärischen Ingenieurwesens, die auch für die Himmelsbeobachtung geeignet waren. Langfristige Beobachtungsreihen gab es kaum. Ausnahmen waren im späten 15. Jahrhundert die Beobachtungen von Johannes Müller (Regiomontanus) und Bernhard Walter in Nürnberg. Die Astronomen der Zeit verwendeten nur kleine Instrumente wie Quadrant, Jakobstab oder Astrolab, die bei ihrer Benutzung in der Hand zu halten waren. Sternwarten waren dafür nicht erforderlich, ein Austritt mit freiem Blick auf den Himmel oder ein verbreitertes Fensterbrett reichten dafür allemal.
Schauen wir uns als ein Beispiel der wichtigsten Instrumente den Quadranten genauer an: Er diente der Messung der Höhe eines Himmelskörpers über dem Horizont. Das Instrument bestand aus einer quadratischen oder zum Viertelkreis geschnittenen Holzplatte mit einer Visiereinrichtung darauf. Peilte man mit Kimme und Korn ein Gestirn an, zeigte das Pendellot auf der Skala direkt den Höhenwinkel an. Andere Varianten des Quadranten hatten ein Visierlineal, dessen Abseheinrichtung mehr und mehr sorgfältig aus Messing gearbeitet wurde und immer präzisere Beobachtungen erlaubte.
Der Durchbruch zur neueren astronomischen Beobachtungskunst erfolgte nach 1561 in Kassel. Der gelehrte Landgraf Wilhelm IV. stellte die praktische Himmelsbeobachtung in den Mittelpunkt seines Interesses. Er war überzeugt davon, dass man den Himmel betrachten musste und nicht nur alte Bücher studieren durfte, wenn man etwas über ihn erfahren wollte. Dafür beschaffte er sich Instrumente, die aufgrund ihrer Dimensionen und ihrer sorgfältigen Justierung eine spezielle Baulichkeit erforderten. So entstand auf einem Anbau des Kasseler Landgrafenschlosses die erste permanent genutzte Sternwarte des neuzeitlichen Europas. Nachdem der Astronom Christoph Rothmann in hessische Dienste getreten war, gelangen systematische Himmelsbeobachtungen in bis dahin ungeahnter und unerreichter Präzision.
Aus Rothmanns Berichten erfahren wir einiges über die täglichen Abläufe und auch darüber, wie aufwendig die Arbeiten waren – nachts in größter Ausdauer die Beobachtungen bei allen Temperaturen, in völliger Dunkelheit, in oft stark verdrehter Körperhaltung, um Sterne sowohl im Zenit als auch in Horizontnähe zu vermessen, am Tag dann die mathematischen Berechnungen. Aus dieser Zeit ist ein außerordentlich seltener Erlebnisbericht erhalten. Am 8. Januar 1586 schrieb Rothmann dem Landgrafen, er habe mit dem Quadranten „wiederumb fleissig obseruiret, undt damitt mir nicht das Instrument, wie den vorigen tag, wiederumb befröre und glipferig wurde, habe ich das Eyß herab gemacht und es mitt dem Klawen fett gar fett beschmieret, undt ob es gleich grimmig kaltth, also das ich am gesichte des Instruments baldt die stirn erfröret, so hatt mir doch die kehltte an dem Instrumentt vorm klawen fett nichts schaden konnen, do ich den auch wiederumb eine ziemliche arbeitt verbracht undt mich des wetters tapfer gebraucht“.
Was wurde gemessen? Es waren stets Winkel, vor allem zur Bestimmung der Positionen von Sternen. Das Ziel der Astronomen in Kassel war die Erstellung eines neuen Sternkatalogs. Das war von besonderer Bedeutung, denn die Angaben in den bis dahin verwendeten Sternkatalogen wichen teils erheblich von den tatsächlichen Positionen der Sterne ab. In der astronomischen Praxis werden die Positionen von Planeten relativ zu drei oder mehr Sternen gemessen. Sind die Winkelabstände zu den Sternen und die Positionen der Sterne bekannt, lässt sich durch Winkelfunktionen der Planetenort berechnen. Die Folge: Sind die Sternörter nicht genau bekannt, sind es auch die Planetenörter nicht! So betrachtet beginnt die Erforschung der Planetenbewegung mit der Erforschung der Sterne…
Literatur: Johannes Kepler. Schriften zur Optik 1604 –1611. Eingeführt und ergänzt durch historische Beiträge zur Optik- und Fernrohrgeschichte von Rolf Riekher. Frankfurt am Main 2008. Rolf Riekher, Fernrohre und ihre Meister. Berlin 1990. Jürgen Hamel, Geschichte der Astro‧nomie. Stuttgart 2002. Jürgen Hamel, Meilensteine der Astronomie. Von Aristoteles bis Hawking. Stuttgart 2006. Jürgen Hamel/Inge Keil (Hrsg.), Der Meister und die Fernrohre. Das Wechselspiel zwischen Astronomie und Optik in der Geschichte. Frankfurt am Main 2007.
Dr. Jürgen Hamel