19. Dynastie (1292–1190) Der kinderlose Haremhab (letzter König der 18. Dynastie) ernannte Paramses, den Chef der Streitwagentruppe, zunächst zum Wesir, also zu seinem höchsten Beamten. Schließlich machte er ihn – möglicherweise durch Adoption – zu seinem Nachfolger. Als Ramses I. regierte er von 1292 bis 1290 v. Chr. Diesem Namensgeber und ersten Pharao der Ramessiden folgte sein Sohn Sethos I. (1290–1279), der sich energisch der Außenpolitik zuwandte. Bereits in seinen ersten Regierungsjahren eroberte er Pa-Kanaan (Gaza), den Stadtstaat Kadesch und den Kleinstaat Amurru. Bei seinem Tod erstreckte sich der ägyptische Herrschaftsbereich von Nubien bis nach Vorderasien.
Die erste Hälfte der über 60jährigen Amtszeit Ramses’ II. (1279–1213; Sohn Sethos’ I.) war geprägt von kriegerischen Auseinandersetzungen vor allem mit den Hethitern. In der Schlacht von Kadesch (1275) konnte Ramses II. die Hethiter zwar nicht bezwingen, trotzdem ließ er das Ereignis zu einem Triumph verklären. Bei späteren Feldzügen eroberte er unter anderem die südpalästinische Hafenstadt Askalon sowie weitere Städte an der Küste Palästinas. Die Kämpfe gegen die Hethiter blieben jedoch erfolglos, so daß die beiden Länder 1259 v. Chr. den ersten historisch bekannten Friedensvertrag aushandelten. Ramses II. nutzte die nachfolgende Friedensperiode für eine rege Bautätigkeit, etwa zur Errichtung der Stadt Piramesse, der berühmten Felsentempel von Abu Simbel und des Ramesseums in Theben. Das entscheidende Problem von Merenptah (1213–1204; 13. Sohn Ramses’ II.) war die Abwehr der Libyer und der „Seevölker“, die aus dem Balkan, der Ägäis und Kleinasien stammten und neue Siedlungsgebiete suchten. Merenptah konnte sie (noch) zurückdrängen. Sein Nachfolger Sethos II. (1204–1198) hatte Mühe, den Thronanspruch gegen Amenmesse (1203–1200), der in Oberägypten die Macht ergriffen hatte, geltend zu machen. Erst nach dessen Tod konnte Sethos II. allein regieren. Die Große Königliche Gemahlin Tausret (1193–1190) dominierte das politische Geschehen in den Folgejahren. Sie übernahm – möglicherweise unrechtmäßig – die Regentschaft für den minderjährigen Siptah (1198–1193, Sohn Sethos’ II.). Gesichert ist, daß sie nach seinem frühen Tod noch einige Jahre allein regierte. Ihre Herrschaft endete, als der bis dahin unbekannte Sethnacht die Macht ergriff.
20. Dynastie (1190–um 1075) Da Sethnacht (1190–1187) in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu seinen Vorgängern stand, bezeichnete er sich als vom Sonnengott erwählter Pharao. Um seinen Thronan?spruch zu untermauern, löschte er Tausrets Andenken aus: Er ersetzte ihre Inschriften durch seinen Namen; ob er auch die Mumie der Königin aus dem Grab im Tal der Könige herausnehmen ließ, ist ungewiß. Ramses III. (1187–1156, Sohn des Sethnacht) gab dem Land wieder eine gewisse Stabilität. Außenpolitisch mußte er einen erneuten Ansturm der Seevölker abwehren. Hunderttausende von Menschen drängten über den Landweg mit Ochsenkarren und über den Nil mit einer Armada von Schiffen nach Ägypten. Die Zerstörungswelle reichte von Nordsyrien bis nach Südkanaan. Während das hethitische Reich damals unter dem Ansturm der Seevölker zusammenbrach, gelang es den Ägyptern, diese erneut zurückzudrängen. Aufgrund der nach den vielen Kriegsverwüstungen und Verteidigungskosten ohnehin schon desolaten Wirtschaftslage kam es bei den Nekropolenarbeitern von Deir el-Medineh zum ersten bekannten Streik der Geschichte. Im 32. Regierungsjahr von Ram-ses III. versuchte eine seiner Nebengemahlinnen, ihren Sohn durch ein Attentat auf den Thron zu bringen. Ob die Verschwörung ihr Ziel erreichte oder der Pharao in dieser Zeit eines natürlichen Todes starb, ist unklar. Von den kräftezehrenden Kämpfen unter Ramses III. erholte sich das Land jedoch nicht mehr. Ihm folgten acht Pharaonen, die allesamt nicht die Herrscherqualitäten ihrer Namensvorgänger besaßen. Von Ramses IV. (1156–1150), der sich nach der Verschwörung gegen seinen Vater als Nachfolger durchsetzen konnte, sind im wesentlichen nur einige große Expeditionen zu den Türkis- und Kupferminen auf dem Sinai bekannt.
Unter seinem Sohn Ramses V. (1150–1145) mündeten Diebstähle, Erpressungen und Amtsanmaßungen von Angestellten des Chnum-Tempels von Elephantine in einen Skandal. Ramses VI. (1145–1137, Sohn Ramses’ III.) verlor Gebiete im Osten Ägyptens an Libyen. Weder Ramses VII. (1137–1129) noch Ramses VIII. (1128) konnten die innere und äußere Lage des Landes verbessern: Stein- und Tonsplitter aus der Arbeitersiedlung Deir el-Medineh zeigen, daß die Getreidepreise weiter anstiegen und Plünderungen der Nekropolen sich mehrten. Auch Papyri aus der Zeit Ramses’ IX. (1127–1109) berichten von Prozessen gegen Grabräuber. Andauernde finanzielle Probleme zwangen Ramses X. (1109–1105), die Arbeit an seinem Grab immer wieder einzustellen.
Unter dem letzten Ramessiden Ramses XI. (1105–um 1075) verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage weiter, und die Kontrolle des ägyptischen Herrschaftsgebiets gestaltete sich schwieriger denn je. Als es im südägyptischen Theben zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen kam, wurde Panehesi, der Vizekönig von Kusch (Nubien), von Ramses XI. in die Krisenregion geschickt. Panehesi maßte sich dort zwar königliche Befugnisse an, bekam die Lage aber nicht in den Griff. Daraufhin forderte der Hohepriester Amunhotep weitere Truppen an, die Panehesi schließlich vertrieben und die innere Ordnung für kurze Zeit wiederherstellten. Voll Euphorie rief Ramses XI. das „Jahr eins der Wiederholung der Schöpfung“ aus, doch auch Pianch – der General, der die erfolgreiche Operation befehligt hatte – strebte nach größerer Macht: Er übernahm den Vizekönigstitel Panehesis und bald darauf auch das Amt des Hohenpriesters.
Pianch erschütterte Ramses’ Autorität vollends, als er diese Ämter an seinen Schwiegersohn Herihor weitergab. Nach dem Tod Ramses’ XI. übernahm Herihor, der schon zuvor auch das Kommando über die Armee übernommen hatte, selbst den Königstitel.
Maria Daldrup