Dem Pergamonmuseum stehen große Veränderungen ins Haus, im Anschluss an die gerade anlaufende Ausstellung werden sie in Angriff genommen. Was ist zu erwarten?
Zunächst vor allem eine Generalsanierung des in den 1920er Jahren errichteten Gebäudes. In diesem Zusammenhang werden die Räume – schon aus denkmalpflegerischen Gründen – zurückversetzt in den Zustand der 1930er Jahre, und das Gebäude wird in Teilen neu gegliedert. Für unsere Sammlung bedeutet dies allerdings, dass sie künftig auf drei Häuser verteilt sein wird. Die Skulpturen, die 50 Jahre lang im Nord‧flügel des Pergamonmuseums ausgestellt waren, müssen ausziehen; sie sind, völlig neu geordnet, im Alten Museum bereits wieder aufgestellt. Hier wird es dann künftig wieder eine Einführung in die klassische Antike geben: mit der 2010 eröffneten Etrusker- und der Römer-Abteilung, der 2011 neukonzipierten griechischen Abteilung sowie einem Raum zu Pergamon, wo wir aber nicht alles werden zeigen können, vieles wird in den Depots verschwinden. Leider.
Wie werden Sie die Besucher künftig zu den verschiedenen Standorten lotsen?
Das ist natürlich ein Problem. Andererseits ist es auch ein Vorteil, dass auf der Museumsinsel nicht alles in einem riesigen Gebäude untergebracht ist, in dem man sich verlaufen kann wie etwa im Louvre oder dem British Museum. Es stellt aber sicherlich eine Herausforderung dar zu kommunizieren, dass die Sammlung an drei Standorten untergebracht ist. Alles, was momentan geschieht, ist Teil der Neugliederung der gesamten Museumsinsel.
Was wird die große Pergamon-Ausstellung gestalterisch auszeichnen?
Wir greifen stark in die Räume ein und werden sie untergliedern bzw. farblich strukturieren; die den Herrschern Pergamons und ihren Palästen gewidmeten Räume werden etwa rot präsentiert. Auch die Raumhöhen werden variieren. In einer Sonderausstellung hat man ja ganz andere Möglichkeiten, etwas zu wagen. Beabsichtigt ist jedenfalls, im Wortsinn das ganze Bild Pergamons zu bieten. Vorgesehen ist, dass der Besucher zunächst in die große Panorama-Rotunde geht und dieses Bild auf sich wirken lässt; es ist auf dem neuesten Stand der Forschung erstellt, beraten von vielen Experten.
Was bezwecken Sie mit dem Pan-orama, warum wurde es entwickelt?
Ein Panorama ist eine ungewöhnliche Form der Vermittlung, obwohl es ja schon im 19. Jahrhundert sehr populär war. Wir hoffen, dass wir damit auch neue Besucher ansprechen können. Jedenfalls wird es nicht völlig losgelöst von der Ausstellung existieren. Wir zeigen in der Ausstellung immer wieder Ausschnitte aus dem Panorama und stellen so eine Vernetzung her.
Überhaupt werden wir in Vermittlungsfragen viel experimentieren. Wir arbeiten stark mit digitalen Visualisierungen, ohne freilich die konventionelle Ausstellungsführung zu vernachlässigen. Verschiedene Besuchergruppen werden unterschiedlich angesprochen. Es handelt sich dabei um ein großes Forschungsprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird, um ganz unterschiedliche Formen der Vermittlung zu testen. Wichtig ist jedoch, dass keinem Besucher eine bestimmte Form aufgenötigt wird. Neu ist übrigens auch, dass die Ausstellung dreisprachig sein wird: in Deutsch, in Englisch und in Türkisch.
Apropos Türkisch: Wie verlaufen denn die Kooperationsverhandlungen mit der Türkei, nachdem ein langjähriger Stein des Anstoßes: die Sphinx aus Hattuscha (der Hauptstadt des Hethiterreichs), die 1915 im Vorderasiatischen Museum in Berlin restauriert und dann nicht nach Istanbul zurückgegeben worden ist, nun doch in die Türkei zurückkehrte?
Die Rückgabe der Sphinx hat die Verhandlungen über die Leihgabe einiger Objekte natürlich erleichtert, und so werden wir hoffentlich drei bedeutende Skulpturen aus Pergamon in der Ausstellung zeigen können. Hervorragend laufen die Kooperationen dar-über hinaus mit Italien. Aus dem Archäologischen Nationalmuseum in Neapel und aus den Kapitolinischen Museen in Rom erhalten wir Meisterwerke – und das für ein ganzes Jahr! Das ist ganz großartig.
Liegt die Zukunft in internationalen Kooperationen?
Absolut. Das ist schon deswegen erforderlich, weil wir im Bereich der klassischen Antike unsere Sammlungen nur noch selten durch Zukäufe werden ergänzen können; und wenn überhaupt, dann aus alten Sammlungen – unter der Voraussetzung, dass die Herkunft einwandfrei geklärt ist! Das ist für uns ganz entscheidend. Eine hervorragende Sache sind natürlich auch Schenkungen. Vor allem aber können wir mit großzügigen Dauerleihgaben etwa aus Italien Lücken in unserem Bestand füllen und das Bild der klassischen Antike komplettieren.
Was wird in der Ausstellung – neben spektakulärer Architektur und Skulpturen – zu sehen sein?
Wir werden viele Inschriften zeigen, die nicht nur ästhetisch schön, sondern auch äußerst interessant sind. An ihnen kann man zeigen, woraus sich unsere Kenntnisse speisen. Denn wir wollen ja nicht nur die Kunst Pergamons zeigen, sondern auch den Kontext vermitteln, in dem sie zu sehen ist. Daher informieren wir etwa auch über die Ausstattung der Häuser oder über die Wasserversorgung in Pergamon. Um dies anschaulich zu machen, stellen wir auch dessen Bürger in einer spektakulären Inszenierung dar. Zudem zeigen wir über bekannte, aber in neue Kontexte gestellte Dinge hinaus vieles, das noch nie zu sehen war, etwa ein Wandstück mit einem Fresko oder hervorragende Mosaike, die nun restauriert sind.
Findet in der Ausstellung auch die Grabungsgeschichte einen Platz?
Die Entdeckungsgeschichte ist ausgesprochen spannend: Wer hat sich wann und warum darangemacht, die Hinterlassenschaft Pergamons zu erforschen? In diesem Zusammenhang werden wir auch erklären, wie es kommt, dass sich so viele Objekte heute in Berlin befinden. Anhand der Geschichte der Fundteilungen können wir erläutern, dass das alles legal zustande gekommen ist.