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Eine Hassliebe?

Die Herzöge von Burgund und ihre Städte

Eine Hassliebe?
Der Grad der Verstädterung war hoch in den burgundischen Niederlanden, und das Selbstbewusstsein des reichen Stadtbürgertums groß. Damit wollten sich die Burgunderherzöge nicht abfinden: Sie lockten, sie drohten, und sie schlugen zu, gelegentlich bis zur vollständigen Vernichtung einer Stadt.

Durch seine Heirat mit Margarete von Male, der einzigen Erbin Ludwigs von Male, des Grafen von Flandern aus dem Haus Dampierre, wurde Herzog Philipp der Kühne, jüngerer Bruder des französischen Königs Karl V. und seit 1361 Herzog von Burgund, 1384 zum unmittelbaren Herrscher über Flandern und Artois. Er nahm damit ein Fürstentum in Besitz, das Generationen französischer Könige vergeblich ihrem Königreich anzugliedern versucht hatten – und das sich grundlegend von dem ländlicher geprägten Herzogtum Burgund unterschied, in dem Städte nur geringe wirtschaftliche und politische Bedeutung besaßen.

Als Philipp der Kühne 1384 nach Flandern kam, sah er sich einer von Gent, der größten Stadt seiner neuen Territorien, angeführten Rebellion gegenüber. Es handelte sich dabei um das letzte Aufbäumen in einer beeindruckenden Tradition mittelalterlicher städtischer Aufstände gegen die Dampierre-Grafen, die ihre widerspenstigen Untertanen nie wirklich hatten beherrschen können. Die Herzöge von Burgund waren daher gezwungen, eine Politik einzuleiten, die gleichermaßen mit den Mitteln der Verführung wie der Beherrschung arbeitete. Dies galt umso mehr, als spätere Generationen infolge einer klugen Heiratspolitik, aber auch von Glück immer mehr Fürstentümer in den Niederlanden übernehmen konnten (die Herzogtümer von Brabant und Luxemburg, die Grafschaften Hennegau, Holland, Seeland, Namur).

Weniger direkt beherrschten die Valois oder die mit ihnen durch Heirat eng verbundenen Familien die Bischofssitze der Niederlande, die ebenfalls Hochburgen städtischer Entwicklung waren: Lüttich (Liège), Utrecht, Tournai oder Cambrai. Verlässliche Schätzungen der Bevölkerungszahl besitzen wir nur für die Herrschaft Karls des Kühnen. Aus ihnen lässt sich ablesen, dass in den urbanisierteren Teilen der Niederlande (Flandern, Brabant und Holland) etwa ein Drittel der Bevölkerung in Städten lebte; im mittelalterlichen Europa gab es nur in Nord- und Mittelitalien einen vergleichbaren Grad der Verstädterung.

Nach der flämisch-burgundischen Hochzeit von 1369 konnte natürlich niemand voraussehen, dass damit in einer der Kernregionen Europas ein Staat entstehen würde, in dem Zentralisierung und Vereinheitlichung eine immer größere Rolle spielen würden; und der schließlich Teil eines noch größeren und ambitionierteren Gebildes würde: des Reichs, das der Nachfahre der vier Burgunderher- zöge, der Habsburger Kaiser Karl V., regierte. Dieser in Gent geborene römisch-deutsche Kaiser, der sich seines burgundischen Erbes höchst bewusst war, verband dieses mit dem Königreich Spanien und mit Deutschland. Aber selbst in seinem zentralistisch angelegten Reich bildeten die Städte diejenige Macht, die imstande war, dem Herrscher Widerstand zu leisten.

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Die niederländischen Städte waren seit Jahrhunderten im Herzen Nordeuropas aktiv gewesen. Dies war großenteils Folge ihrer strategischen Lage: Die reiche und fruchtbare Agrarregion lag den Britischen Inseln gegenüber und profitierte von einigen gut schiffbaren Flüssen (der Schelde, der Maas und des Niederrheins). Bekannt waren Zentren wie Douai, Ypern, Gent, Brügge sowie kleinere Städte in Flandern, Artois, Hennegau und Brabant zunächst für die Tuchproduktion. Mit ihren (preiswerteren und Luxus-)Stoffen eroberten sie Märkte vom Mittelmeer bis nach Nord- und Osteuropa. Selbst als sie mit der Konkurrenz englischer Tuche sowie billigerer Imitate aus Südeuropa zu kämpfen hatte, verschwand die niederländische Tuchindustrie nicht völlig. Auch wenn sie ihre im 13. und 14. Jahrhundert beherrschende Position in der städtischen Wirtschaft und Politik nicht mehr zurückgewann, passte sie sich doch erfolgreich der neuen Mode leichterer Stoffe an.

Wirtschaftshistoriker haben dies als Übergang zu einer „neuen Angebotsorientierung“ bezeichnet. Gestützt wurde die weiterhin lebhafte städtische Wirtschaft vorwiegend von (Luxus-)Produkten aus den Geschäften und kleinen Betrieben renommierter Handwerker, die den Geschmack fürstlicher und kirchlicher Kunden sowie von (oft ausländischen) Geschäftsleuten trafen, die in Brügge tätig waren. Seit etwa 1280 war diese Hafenstadt zum Zentrum der niederländischen Wirtschaft geworden: Damals löste eine direkte Seeverbindung mit den großen italienischen Handelszentren Genua und Venedig den teureren Landweg ab, der über die großen Messen in der Champagne geführt hatte…

Wie die Börse zu ihrem Namen kam Ein „Erfinder“ der Börse lässt sich kaum festmachen. Das Wort selbst geht aber wohl auf eine Familie van der Beurse zurück (der Familienname leitet sich von drei Geldbeuteln, lateinisch „bursa“, im Wappen her ab). Sie betrieb im 13. / 14. Jahrhundert in Brügge einen Gasthof für Kaufleute; hier tauschte man Informationen aus und bahnte neue Geschäfte an. Kurzum: Es handelte sich um einen der vielen Treffpunkte ausländischer Kaufleute an diesem wahrhaft internationalen Handelsplatz.

Prof. Dr. Marc Boone

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