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Dichter im Zwiespalt

Eduard Mörike

Dichter im Zwiespalt
Wie kaum ein anderer gilt er als Inbegriff biedermeierlicher Idylle – der Dichter Eduard Mörike. Doch diese Sicht greift zu kurz. Mörikes Leben zeugt von den Widersprüchen einer Umbruchszeit, in seinem Werk gestaltete er auch Grundprobleme der Moderne.

Mit dem Dichter Eduard Mörike verbindet sich eine scheinbare Vertrautheit. In jedem Lesebuch finden sich einige Gedichte von ihm, sei es das berühmte Frühlingsgedicht „Er ists“, sei es „Septembermorgen“ oder „Um Mitternacht“. Mörike gilt als Dichter der Idylle, des Gemüthaften, der biedermeierlichen Behäbigkeit.

Doch Mörike war mehr als der „Mensch in Schlafrock und Pantoffeln“, als den einer der führenden Repräsentanten des „Jungen Deutschland“, der Dichter Karl Gutzkow, ihn charakterisierte. Auf das Leben Mörikes wie auf sein Werk lohnt ein zweiter Blick. Eine vielschichtige, ästhetisch höchst anspruchsvolle Dichtung, die neben Liebe, Geborgenheit und märchenhafte Idylle den Zwiespalt, den Schmerz und die Sehnsucht zu stellen wußte, korrespondiert mit einem Leben, das von emotionalen Ambivalenzen geprägt war, von Widersprüchen, Brüchen, Fluchten.

Auch die Zeit, in der Mörike lebte, war spannungsreich und aufgeregt. Die ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts waren geprägt von den Nachwirkungen der Französischen Revolution, die auch in den deutschen Territorien widerhallten. Die Hoffnung auf eine Liberalisierung und Demokratisierung der politischen Verhältnisse verband sich mit nationalem Pathos. Radikale oder liberale Ideen und die Entstehung der Burschenschaften auf der einen Seite, obrigkeitliche Repression – gipfelnd in den Karlsbader Beschlüssen Metternichs von 1819 – auf der anderen Seite kennzeichnen die unterschiedlichen Strömungen der „Restaurationszeit“, die in den Vormärz, die Zeit vor der Revolution von 1848, mündete. Auch das Königreich Württemberg, das Mörike zeit seines Lebens nicht verlassen hat, wurde zum Schauplatz dieser spannungsgeladenen Prozesse, auch wenn hier keine so krasse Konfrontation zwischen der Obrigkeit und den Reformgesinnten wie etwa in Preußen herrschte. Mörike war kein Verfechter einer Poesie, die sich in den Dienst der Politik stellt. Und doch fand das politische Geschehen Eingang in seine Dichtung. Zudem nahm in Mörikes Leben der Geist einer Umbruchszeit Gestalt an, einer Zeit, die in manchem schon auf die Moderne verweist.

Geboren wurde Eduard Mörike am 8. September 1804 in Ludwigsburg. Stolz notierte der Vater in sein Tagebuch: „Gebahr mir meine Frau einen starken Sohn.“ Karl Friedrich Mörike war Arzt, mit engen Verbindungen zum württembergischen Hof – Ludwigsburg war königliche Sommerresidenz –, die Mutter Charlotte Dorothea stammte aus einem schwäbisch-pietistischen Pfarrhaushalt in Grafenberg. Dies waren die Koordinaten der frühen Prägungen Eduards: die angesehene Familie, in der Musik und Dichtung eine wichtige Rolle spielten, der geradezu freundschaftliche Kontakt zum Hof – Eduard wurde Spielgefährte des Prinzen Paul –, schließlich die religiösen und moralischen Grundsätze der Mutter, die den entscheidenden Einfluß auf den Sohn ausübte. Die Beziehung zur Mutter wird auch im späteren Leben Mörikes sehr eng bleiben, eine Zeitlang wird sie im Haushalt ihres Lieblingssohns leben, der noch zwei ältere und vier jüngere Geschwister hatte. Im heimischen Ludwigsburg besuchte Eduard die Lateinschule. Danach sollte er Pfarrer werden, so hatten es die Eltern bestimmt, und der Sohn fügte sich. Ein erster Schatten fiel auf das Familienglück, als der Vater einen Schlaganfall erlitt, von dem er sich letztlich nicht mehr erholte. 1817 starb Karl Friedrich Mörike. Eduard, nun von seinen Geschwistern getrennt, wurde seinem Onkel, dem Juristen Eberhard von Georgii, anvertraut. Welche Verunsicherung für den jungen Mörike der Verlust des vertrauten Familienzusammenhangs bedeutete, kann man nur vermuten. Auffallend ist, daß er zeitlebens enge Verbindungen zu seinen Geschwistern hatte und eine große Bereitschaft zeigte, Verantwortung für diese zu übernehmen.

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Die veränderten Familienverhältnisse wurden wohl auch bedacht, als Mörike, der das Landexamen zur Aufnahme in das Niedere Theologische Seminar in Urach nicht bestanden hatte, „auf dem Gnadenwege“ zur Ausbildung zugelassen wurde. In Urach schloß Mörike wichtige Freundschaften, die ihn zum Teil ein Leben lang begleiteten, so die zu Wilhelm Hartlaub, zu Johannes Mährlen und zum genialen Wilhelm Waiblinger, der schon mit seinem „Phaeton“, einem Hölderlins „Hyperion“ nachgebildeten Roman, Furore gemacht hatte. Ein großes Lernpensum, ein streng geregelter Tagesablauf von morgens sechs Uhr (im Sommer fünf Uhr) bis 22 Uhr abends, schmale Kost und Strafen charakterisierten das Uracher Seminar, doch machten die fröhlichen Zusammenkünfte im Freundeskreis und ausgiebige Wanderungen vieles wett…

Literatur: Ehrenfried Kluckert, Eduard Mörike. Sein Leben und Werk. Köln 2004.

Veronika Beci, Eduard Mörike. Die gestörte Idylle. Düsseldorf/Zürich 2004.

Irene Ferchl/Wilfried Setzler, Mit Mörike von Ort zu Ort. Lebensstationen des Dichters in Baden-Württemberg. Tübingen 2004.

Dr. Heike Talkenberger

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