Es ist der 17. Juli 1944. Seit sechs Wochen tobt in der Normandie eine erbitterte Materialschlacht zwischen alliierten und deutschen Truppen. Amerikaner und Briten rennen mit einer gewaltigen Überlegenheit immer wieder gegen die deutschen Verteidigungsstellungen an. Und doch gelingt es ihnen zunächst nicht, aus ihrem Brückenkopf in der Normandie auszubrechen. Bis Ende Juli 1944 verlieren beide Seiten jeweils rund 200 000 Mann, Tote, Verwundete, Gefangene. Ein zweites Verdun.
Die Alliierten konnten ihre immensen Verluste freilich ausgleichen – Generalfeldmarschall Erwin Rommel, der deutsche Oberbefehlshaber, bekam hingegen kaum Ersatz. Er wusste, dass die Kraft der deutschen Divisionen bald erschöpft war, sich der ungleiche Kampf dem Ende zuneigte. An diesem 17. Juli fuhr Rommel wieder an die Front, sprach mit seinen Kommandeuren über die Lage. Am frühen Abend stattete er auch General Heinrich Eberbach, dem Oberbefehlshaber der Panzergruppe West, einen kurzen Besuch ab. Eberbach war erst seit kurzem auf diesem Posten, beide trafen sich erst zum zweiten Mal. Und doch verstanden sie sich auf Anhieb: Auch General Eberbach war ein erfahrener Panzerführer, und er war Schwabe wie Rommel.
Der Feldmarschall war sehr aufgeregt und wollte sich offenbar nicht nur über operative Details unterhalten. „So kann es nicht weiter-gehen“, sagte Rommel. „Es ist unmöglich, den Krieg mit dem Führer zu gewinnen; wir müssen ihn loswerden.“ Daraufhin Eberbach: „Können Sie sich vorstellen, dass es, solange Hitler an der Macht ist, möglich sein wird, mit einem der Feindstaaten auch nur Vorgespräche zu beginnen?“ Worauf Rommel sagte: „Heute habe ich keine Zeit; wir können morgen über Einzelheiten reden. Ich verlasse mich auf Sie; wir müssen in dieser Sache zusammenarbeiten, und wir müssen das zum Wohle unseres deutschen Volkes tun, das so anständig gewesen ist.“
Nach einer kurzen Verabschiedung rauschte Rommel davon. Der Feldmarschall war bereits den ganzen Tag unterwegs und wollte jetzt zurück in sein Hauptquartier. Wenig später griff ein britischer Tiefflieger seinen Wagen an. Rommel wurde schwer verwundet. Drei Tage darauf explodierte in der „Wolfsschanze“ die Bombe, die Hitler töten sollte. Drei Monate später, am 14. Oktober 1944, wurde Rommel von Hitler zum Selbstmord gezwungen, weil er angeblich in den Staatsstreich verstrickt war.
Rommel ist der bekannteste deutsche General des Zweiten Weltkriegs. Bereits während des Krieges hat er sich wie kein zweiter General der Wehrmacht zum Propagandahelden hochstilisieren lassen. Seit 1945 sorgte allen voran Rommels ehemaliger Stabschef, der spätere Bundeswehrgeneral Hans Speidel, dafür, dass die Verklärung weiterging: Dem nach wie vor gerne bemühten NS-Propagandabild vom militärisch genialen „Wüstenfuchs“ wurde der für die Erinnerungskultur der frühen Bundesrepublik so wichtige Aspekt des Widerstandskämpfers hinzugefügt. In diesem Sinne waren auch die ersten fünf Biographien gehalten, die interessanterweise alle von Briten geschrieben wurden…
Mythos Rommel Sonderausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg Stuttgart 18. Dezember 2008 – 30. August 2009
Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg präsentiert mit „Mythos Rommel“ die erste große Ausstellung über den Generalfeldmarschall. Bei der Ausstellung sind zahlreiche, auch bislang nicht gezeigte Objekte, Fotografien und Filme aus dem Besitz der Familie Rommel zu sehen. Dabei beschäftigt sich die Ausstellung nicht nur mit dem militärischen Werdegang des Generalfeldmarschalls, sondern zeigt ihn auch als Privatmann. Ein weiterer Schwerpunkt gilt der Entstehung und Entwicklung des „Mythos Rommel“ bis heute.
http://www.hdgbw.de/sonder/rommel.html
Prof. Dr. Sönke Neitzel