Wer kennt sie nicht: die zahlreichen, in die Hunderte gehenden Porträts, die Lucas Cranach und seine Werkstatt von Martin Luther geschaffen haben. Bis heute prägen sie unser Bild des Reformators. Geboren 1472 im fränkischen Kronach, erhielt Lucas Cranach seine künstlerische Ausbildung in der Werkstatt seines Vaters. Nach einigen Jahren in Wien kam der Künstler 1504 an den Hof Friedrichs des Weisen von Sachsen in Wittenberg. Fast fünf Jahrzehnte lang blieb er in sächsischen Diensten bis zu seinem Tod 1553. Bereits 1508 verlieh ihm Friedrich der Weise ein eigenes Wappen – eine geflügelte Schlange mit einer Krone; mit ihr signierte Cranach fortan auch seine Werke. Friedrich der Weise und seine Nach‧folger waren die fürstlichen Schirmherren der Reformation; als „Junker Jörg“ verkleidet, fand Martin Luther einen sicheren Zufluchtsort auf der Wartburg. Wittenberg wurde zum Zentrum der Reforma‧tion, zum Wohn- und Lehrort Luthers. Cranach schloss sich den Ideen der Reformation an. Mit seiner „Austreibung der Wechsler aus dem Tempel“ (um 1515) prangerte er den Ablasshandel massiv an, eine Holzschnittserie stellte die von Christus propagierte Armut dem zur Schau gestellten Reichtum der Papstkirche gegenüber.
Doch Lucas Cranach war nicht nur Künstler. Er war zudem ein äußerst erfolgreicher Unternehmer. Die Vielzahl der Aufträge für den sächsischen Hof, für andere Fürsten und Adlige, aber auch für reiche Bürger hätte er allein niemals ausführen können. Das ermöglichte ihm erst eine große Werkstatt mit angestellten Malern, in der auch seine Söhne Hans und Lucas der Jüngere arbeiteten. Schon dies hätte Cranach wohl ein ausreichendes Einkommen garantiert. Doch betrieb er zudem noch eine Apotheke und ein Gasthaus und gehörte zu den größten Immobilienbesitzern in Wittenberg. In der Kommunalpolitik war der Künstler gleichfalls aktiv, zunächst als Mitglied des Rats, von 1537 an sogar als Bürgermeister. Dem unternehmerischen Erfolg ordnete Cranach auch mögliche religiös motivierte Bedenken unter. So hatte er keine Probleme damit, auch für Albrecht von Brandenburg tätig zu werden, der als Kurfürst-Erzbischof von Mainz und Erzbischof von Magdeburg einer der mächtigsten Kirchenfürsten seiner Zeit und erklärter Gegner Martin Luthers war (siehe DAMALS 11-2008). Cranach scheute sich nicht einmal, den Ablasshandel im großen Stil treibenden Kardinal, der der Adressat von Luthers 95 Thesen gewesen war, 1526 als heiligen Hieronymus darzustellen.
Verglichen mit den Wettinern, die schon seit Jahrhunderten unangefochten in Sachsen herrschten, waren die Hohenzollern in Brandenburg Emporkömmlinge. Ursprünglich aus Schwaben stammend, waren die Hohenzollern 1192 durch eine Erbschaft Burggrafen von Nürnberg geworden. Die Familie trennte sich damals in eine schwäbische und eine fränkische Linie. 1415 /1417 wurde Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg durch König Sigismund auf dem Konstanzer Konzil die Mark Brandenburg übertragen. Obwohl sie dadurch zu Kurfürsten aufstiegen, taten sich die Hohenzollern zunächst schwer mit dieser neuen Würde. Die politischen Zustände in der Mark trugen anarchische Züge; die Zentralgewalt war gegenüber dem landständischen Adel immer mehr ins Hintertreffen geraten, und wirtschaftlich stand es um des „Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse“ nicht viel besser.
Mit Joachim I. trat 1499 ein 15-jähriger junger Mann die Regierung an. Die Junker sahen ihre Stunde gekommen, zu zeigen, wer in der Mark das Sagen hatte. Doch als fünf Jahre später ein überfallener Kaufmann einen Adligen als Täter identifizierte, zögerte Joachim nicht – und ließ den Übeltäter enthaupten. Die Junker tobten: Wie konnte der Hohenzoller so etwas wagen, einen der ihren hinrichten lassen? Als Joachim eines Morgens in seinem Berliner Residenzschloss erwachte, sah er einen Satz mit Kreide an die Tür geschrieben: „Joachimken, hüte dy, fange wy dy, so hange wy dy“. Doch die Junker fingen den jungen Kurfürsten nicht, der seine Machtstellung fortan zielstrebig ausbaute. Als sein Sohn Joachim II. 1535 die Regierung antrat, stellten die einst so selbstbewussten Junker keine Gefahr mehr dar. Und der Kurfürst konnte sich den angenehmeren Seiten des Lebens widmen: „Unter Joachim II. blühte die Kunst in Brandenburg wie zu keiner Zeit vorher auf. Zum ersten Mal erlebte das Land eine forcierte künstlerische Entwicklung auf Befehl eines Einzelnen. Es war der persön‧liche Hang dieses Fürsten zu Luxus und Repräsentation, der ungeachtet der wirtschaftlichen Schwäche des Landes die Renaissancekunst zu einem Zeitpunkt einführte, als sie in Deutschland durch die Reformation bereits in eine Krise geraten war. Berlin wurde nun zum Zentrum der Kunstpflege in Brandenburg“ (Helmut Börsch-Supan).
Dabei hatten Joachim I. und Joachim II. ein Vorbild in der eigenen Familie, dem sie nacheifern konnten: Joachim I. war der Bruder des Kardinals Albrecht von Brandenburg. Vielleicht war dies mit ein Grund dafür, dass er an der alten Kirche festgehalten hat. Hier kommt auch zum ersten Mal Lucas Cranach ins Spiel, denn bei einem Besuch in Berlin hat er Joachim I. porträtiert – mit dem Rosenkranz in der Hand als Zeichen seiner Treue zur römischen Kirche.
Auch Joachim II. blieb zunächst der katholischen Kirche treu. Nach dem Vorbild seines Onkels in Halle ließ er die Domkirche auf dem Schlossplatz in Berlin mit einem Gemäldezyklus zur Leidensgeschichte Christi ausgestalten. Den Auftrag erhielt Lucas Cranach! Allerdings dachte der vielbeschäftigte Wittenberger Hofmaler nicht daran, diesen Großauftrag allein auszuführen. So entstanden Werkstattarbeiten, wobei nicht immer erkennbar ist, wo der Meister selbst den Pinsel angelegt hat und wo er die Arbeit seinen Angestellten überließ. Zu diesem Zyklus gehört auch die „Auferstehung Christi“ (Seite 73), die derzeit zusammen mit den acht weiteren erhaltenen Tafeln bei der Ausstellung über Cranach und die Hofkunst unter den Hohenzollern im Schloss Charlottenburg in Berlin zu sehen ist – als ein letztes Zeugnis katholischer Repräsentation in Brandenburg.
1537 führte Joachim II. die Reformation in Brandenburg ein, was zu einer weiteren Annäherung an Sachsen führte. Gerade in Architektur und Kunst blieb das sächsische Vorbild in den folgenden Jahrzehnten bestimmend. Auch für den Neubau des Berliner Schlosses zwischen 1538 und 1540 lieferte die Cranach-Werkstatt zahlreiche Bilder. Während dieses Renaissanceschloss schon durch die barocken Umbauten des 17./18. Jahrhunderts seine Einheitlichkeit verloren hat, kann man sich im 1542 vollendeten Jagdschloss Grunewald noch in die Zeit Joachims II. zurückversetzt fühlen.
Prachtvolle Porträts waren Teil der herrscherlichen Repräsentation und Ausdruck fürstlichen Selbstverständnisses. Dies trifft in besonderem Maße auf Joachim II. zu, der großen Wert auf eine solche Prachtentfaltung legte. Sein Porträt aus der Hand Lucas Cranachs des Jüngeren zeigt ihn nicht nur mit entschlossenem Blick, sondern zugleich in kostbarer Kleidung mit aufwendigen Stickereien und – verglichen mit den sächsischen Herrscherporträts Lucas Cranachs des Älteren – einer fast überbordenden Fülle an Schmuck. Er trägt zwei goldene Ketten mit zahlreichen Edelsteinen, auch seine Finger sind besetzt mit glänzenden Ringen. Am Schwertknauf funkeln Perlen.
In der Renaissance wurde nicht nur in der Architektur auf die Antike Bezug genommen, sondern auch, indem Themen aus der antiken Mythologie in der bildenden Kunst Eingang fanden. Der Rückgriff auf die Antike erlaubte es den Künstlern, Akte in einer größeren Vielfalt darzustellen, als dies bis dahin ausschließlich bei religiösen Themen möglich gewesen war (etwa bei der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies). In diese Reihe gehört die „Quellnymphe“ Lucas Cranachs, von der eine frühe Fassung (um 1515) als Auftragsarbeit für den Berliner Hof entstanden ist.
Cranach und die Kunst der Renaissance unter den Hohenzollern Sonderausstellung im Schloss Charlottenburg und in der St. Marienkirche in Berlin 31. Oktober 2009 – 24. Januar 2010
Unter den Kurfürsten Joachim I. und Joachim II. hielt die Renaissance Einzug in die Mark Brandenburg. Berlin wurde endgültig Hauptresidenz und erlebte eine erste kulturelle Blüte. In einer Zeit tiefgreifender religiöser Umbrüche und bedeutender wissenschaftlicher Erkenntnisse trugen die Gemälde des sächsischen Hofmalers Lucas Cranach d. Ä. und seines Sohnes Lucas Cranach d. J. zusammen mit dem prächtigen Neubau des Berliner Schlosses zum „Image“ der Hohenzollern bei. Die teilweise großformatigen Bildtafeln aus der Wittenberger Werkstatt übten einen nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Künste in Berlin und Brandenburg aus.
Mit über 200 Exponaten gibt die Ausstellung erstmals Einblicke in diese frühe, dynamische Phase der brandenburgisch-preußischen Geschichte und Kunst. Dabei wird der Bogen von der Regierungsübernahme der Hohenzollern 1417 bis zum folgenreichen Übertritt des Herrscherhauses zum Kalvinismus am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges gespannt. Der Katalog zur Ausstellung ist im Deutschen Kunstverlag (München) erschienen. In dem qualitativ hochwertigen Band sind nicht nur die Exponate der Ausstellung ausführlich beschrieben, sondern es wird in einleitenden Essays auch der aktuelle Forschungsstand zum Thema zusammengefasst. Der Band wendet sich sowohl an kunsthistorisch Interessierte wie auch an alle, die sich für die hohenzollerische und brandenburgische Geschichte im Allgemeinen interessieren.
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Uwe A. Oster