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Der mächtigste Bankier der Bundesrepublik

Hermann Josef Abs (1901–1994) Teil 2

Der mächtigste Bankier der Bundesrepublik
Unmittelbar nach dem Zusammenbruch von 1945 startete Hermann Josef Abs seine zweite, noch viel steilere und am Ende immer glanzvollere Karriere. In der Bundesrepublik wurde er zum auch politisch einflußreichen Vertreter der Finanzwelt par excellence.

Abs begann als finanzpolitischer Berater zunächst der Engländer in Hamburg, wohin er von Berlin aus ausgewichen war, und nahm dann, nach einem kurzen Intermezzo im sogenannten automatischen Arrest der Militärverwaltung (einer Inhaftierung ohne richterliches Urteil), die gleiche Funktion auch bei den Amerikanern wahr. Gleichzeitig wirkte er als wirtschafts- und finanzpolitischer Vertrauensmann der entscheidenden Männer und Institutionen der entstehenden Bundesrepublik und schließlich vor allem ihres ersten Kanzlers Adenauer. Ende 1948 wurde er Vorstandssprecher der neuerrichteten Kreditanstalt für Wiederaufbau; zuvor hatte er die Wahl zum Präsidenten des Direktoriums der künftigen Zentralbank, der Bank Deutscher Länder, abgelehnt, da ihm die Institution in ihren Entscheidungen zu wenig unabhängig von der Politik und deren jeweils eng interessenpolitisch motivierten Positionen erschien. In der Kreditanstalt für Wiederaufbau, an deren Konzeption er von alliierter Seite frühzeitig beteiligt worden war, konnte er im Zusammenspiel, aber auch in gelegentlicher Konfrontation mit Ludwig Erhard mithelfen, die Grundlagen für das sogenannte Wirtschaftswunder zu legen.

In jenen Jahren gelangte er von der Basis gemeinsamer politischer und wirtschaftlich-gesellschaftlicher, aber auch kultureller und nicht zuletzt konfessioneller Grundüberzeugungen her in immer engeren Kontakt zu dem ersten Bundeskanzler. Dieser zog ihn in verschiedenen wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen heran, die nicht zuletzt auch außenpolitisch weitreichende Bedeutung besaßen, und lud ihn sogar zur Teilnahme an einzelnen Kabinettssitzungen ein. Schließlich beauftragte ihn Adenauer mit der Leitung der deutschen Delegation auf der Londoner Schuldenkonferenz. Sie sollte das Problem der deutschen Auslandsschulden aus der Zeit vor dem Krieg wie auch aus den Jahren nach 1945 einer möglichst endgültigen Lösung zuführen und damit die deutsche Kreditfähigkeit – was die Bundesrepublik anging – wiederherstellen. Dies ist Abs in langen, immer wieder von Stillstand und Scheitern bedrohten Verhandlungen gelungen.

Durch die Londoner Konferenz und die parallelen Verhandlungen über ein Wiedergutmachungsabkommen mit Israel, in die Abs sich, hier zunächst eher bremsend, einzuschalten versuchte, wurde er, national wie international immer stärker wahrgenommen, auch politisch zu einer zentralen Figur. Adenauer erwog zeitweise, ihm das Außenministerium zu übertragen. Sicher hat Abs seine Chancen hierbei als ein Mann ohne parteipolitischen und parlamentarischen Rückhalt von vornherein eher gering eingeschätzt. Aber auch andere Erwägungen ließen ihn von einer noch weiter gehenden Einbindung in die Regierung Abstand nehmen. Um es deutlich zu sagen: Er war kein Mann für die zweite Reihe, in der er jedoch unter Adenauer und angesichts seiner schwachen Verankerung im parlamentarisch-parteipolitischen Milieu auf längere Zeit, wenn nicht auf Dauer geblieben wäre.

So kehrte er nach dem Abschluß der Londoner Verhandlungen wieder in sein bisheriges Tätigkeitsfeld zurück. Er trat an die Spitze der Süddeutschen Bank, eines der drei Nachfolgeinstitute der erst zerschlagenen und dann in Teilen erneut zentralisierten Deutschen Bank. Nach deren Wiedererrichtung 1957 übernahm er, man möchte fast sagen selbstverständlich, für zehn Jahre die Funktion ihres Sprechers und behielt auch in den folgenden neun Jahren bis 1976 als ihr Aufsichtsratsvorsitzender einen zentralen Einfluß im deutschen und im internationalen Kreditgewerbe – gefeiert von der internationalen Finanzwelt durch den Mund seines Bankierkollegen David Rockefeller als der bedeutendste Bankier des 20. Jahrhunderts. Als Bankier wohlgemerkt, als der er sich selbst immer verstand, obwohl er das im strengen Sinne als selbsthaftender Teilhaber eines unabhängigen Bankhauses nur drei Jahre, von Anfang 1935 bis Ende 1937, war, und nicht als Bankmanager, eine Funktion, die er mit kleinen Unterbrechungen gute 25 Jahre ausübte – freilich auch sie in der Art und mit dem Selbstverständnis eines Bankiers. So trat er als ein auf seine Unabhängigkeit und die Unabhängigkeit seines Rates pochender Ratgeber in den zahllosen Aufsichtsräten auf, denen er, vielfach als Vorsitzender, angehörte – in den 50er Jahren und bis gegen Ende der 60er Jahre waren es mehr als 30 solcher Beratungs- und Kontrollgremien. Und ebenso wirkte er, der selbst an der Orgel und am Klavier mehr als ein bloßer Laie war, an der Spitze vieler kultureller Institutionen wie des Vereins Beethoven-Haus in Bonn, der Administration des Städel oder des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt am Main mit…

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Literatur Lothar Gall, Der Bankier. Hermann Josef Abs. Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2004.

Prof. Dr. Lothar Gall

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