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Sonderveröffentlichung

Der Kommandant, der für die Stadt sein Leben gab

Das änderte nichts daran, dass Gadolla keinen Zweifel an der Unmöglichkeit seiner Aufgabe hatte. Gotha war dem Untergang geweiht – spätestens nachdem alle Löschfahrzeuge samt Mannschaften abgezogen worden waren. Gegen die anrückenden Panzer sollten Wehrmacht, Waffen-SS und schlecht ausgebildeter Volkssturm mit Panzerfäusten antreten. Ein einziges Flakgeschütz stand neben dem Theater der Stadt und stellte allerhöchstens einen symbolischen Schutz gegen den nächsten Luftangriff dar.

Am 3. April 1945 lässt der Kommandant weiße Fahnen hissen

Gadolla setzte die ihm auferlegten Bestimmungen nicht konsequent um, auch priorisierte er die zivile Versorgung – ein klarer Verstoß gegen seine Befehle. Als in der Nacht vom 28. auf den 29. März 1945 ein Obersturmbannführer der Waffen-SS auftauchte, um Gadolla auszufragen, wies dieser ihn ab, weil in seinem Soldbuch das Lichtbild fehlte. Unter Drohungen zog der SS-Mann wieder ab. Am kommenden Tag wurde Gadolla zum Armeekorps nach Kassel beordert. Mit düsteren Gedanken kehrte er schließlich zurück. Sein Eindruck war: Würde er versuchen, Gotha zu verteidigen, mussten die Bewohner der Stadt mit dem Schlimmsten rechnen. Das wussten auch Gothas führende Nationalsozialisten. Sie begannen bereits damit, sich abzusetzen. Akten wurden vernichtet. Der Oberbürgermeister bestimmte, wer ihn in Abwesenheit vertreten würde. Am 3. April war die US-Armee bereit zum Angriff auf Gotha. Über die Stärke der anrückenden Truppen informierte um ein Uhr mittags Hauptmann Erich Wendler. Zwischen 80 und 100 Panzer könnten jederzeit vorrücken und bekämen laufend Nachschub. Wendler hatte sich schon Anfang 1944 pessimistisch über den Kriegsverlauf geäußert und war deswegen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Der Strafe war er durch viele Versetzungen entgangen. An diesem 3. April war es sein Ziel, Gotha vor einem Kampf zu bewahren. Dazu griff er zu einem Trick: Um den Widerstand der Fanatiker zu überwinden, täuschte er eine Meldung vor, der zufolge Gotha keine militärische Verstärkung zu erwarten habe.

Gadolla konnte nun den Verteidigungsausschuss überzeugen, die Stadt kampflos zu übergeben. Während alle Nazigrößen das Weite suchten, ordnete Gadolla den Rückzug der Wehrmacht an. Auf dem Rathaus und auf Schloss Friedenstein ließ er weiße Fahnen hissen. Dann fuhr er mit dem stellvertretenden Bürgermeister Georg-Heinrich Sandrock den Amerikanern entgegen, wurde jedoch von der SS gestoppt. Als Gadolla den Beschluss des Verteidigungsausschusses vorlegte, durften Sandrock und er unbehelligt abziehen.

NS-Fanatiker besiegeln von Gadollas Schicksal

Sandrock war wenig später tot. Ob er Selbstmord beging oder ob ihn die SS nach Hause verfolgte, ist unklar. Auch Gadolla wusste, dass ihm der Tod bevorstand. Aber er gab nicht auf: Bei einer zweiten Fahrt, gemeinsam mit Stadtbaurat Adolf Müller-Kirchenbauer, wurde er erneut aufgehalten – diesmal von jungen, fanatischen Soldaten. Gadolla und sein Begleiter wurden aus dem Wagen gezerrt, bedroht und dann einer Pseudo-Gerichtsverhandlung unterzogen. Anschließend brachte man sie nach Weimar.

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Die Gothaer harrten unterdessen in ihren Luftschutzkellern aus. Die Stadt lag unter Artilleriebeschuss. Als am frühen Morgen allerdings sichtbar wurde, dass weiße Fahnen  gehisst worden waren, schickten die Amerikaner einen Boten, um sich zu vergewissern, dass Gotha tatsächlich kampflos übergeben werden sollte.

Um neun Uhr war es so weit: Gotha ging offiziell in die Hände der Alliierten über und hatte damit den Krieg überstanden. Derjenige, dem dies zu verdanken war, saß in Weimar in einer Einzelzelle. Um 14 Uhr verurteilte ihn ein Standgericht zum Tod. Am 5. April wurde Gadolla erschossen. Seine vom Pfarrvikar Leo Schramm überlieferten letzten Worte lauteten: „Damit Gotha leben kann, muss ich sterben.“


Dr. David Neuhäuser

geb. 1986, arbeitet als Historiker und freier Journalist. Er ist einer der beiden Moderatoren des DAMALS-Podcasts.


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