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„Dem wird der Anblick unvergesslich sein“

Die Stadtentwicklung Pergamons

„Dem wird der Anblick unvergesslich sein“
Der Ausbau Pergamons stellte die Baumeister vor enorme Herausforderungen: Die schweren Marmorblöcke mussten den Berg hinauf geschafft werden; für die Versorgung mit fließendem Frischwasser wurde eine Druckwasserleitung installiert. Die Überreste der Stadt zeugen daher nicht nur von der vergangenen Pracht, sondern auch vom hohen technischen Können ihrer Schöpfer.

„Wer je vom Meer in dem weiten Kaikostale landeinwärts hinaufgewandert ist zu den Trümmern der Hauptstadt des Attalidenreiches, dem wird der Eindruck unvergesslich sein, den man empfängt, wenn … plötzlich die gewaltige Burghöhe von Pergamon hervortritt. Man begreift beim ersten Blick, wie dieser zwischen zwei tief eingeschnittenen Flusstälern in kühnen und feinen Umrissen hervortretende Berg zu einer befestigten Burg- und Stadtanlage einladen … musste.“ So beschrieben Carl Schuchardt und Theodor Wiegand in der Einleitung zu ihrem Lebensbild des ersten Ausgräbers von Pergamon, Carl Humann, im Jahr 1931 die topographische Lage der Stadt.

Bei dieser prädestinierten Lage verwundert es nicht, dass Lysimachos – einer der Diadochen Alexanders des Großen – sich um 300 v. Chr. ausgerechnet diesen Ort aussuchte, um einen Schatz von 9000 Talenten Silber, einen großen Teil seiner Kriegsbeute, unter der Aufsicht des Burgkommandanten Philetairos zu lagern. Mit diesem Schatz gelang es Philetairos nach dem Tod des Lysimachos 281 v. Chr., sich unabhängig zu machen und mit den Attaliden eine eigene Dynastie zu begründen. Philetairos baute Pergamon weiter aus und sicherte die Stadt mit einer neuen Mauer. Diese umschloss die Akropolis mit dem bereits bestehenden Athena-Tempel, der in das 4. Jahrhundert v. Chr. datiert wird, sowie die im Süden anschließende philetairische Wohnstadt, die bis etwa auf die halbe Höhe des Berges hinabreichte, bis zu einem Steilabfall nördlich des Demeter-Heiligtums. Das Stadtgebiet umfasste damit 15 Hektar.

Nach den neueren Forschungsergebnissen hat es sich dabei aber nicht um eine Neugründung gehandelt. Vielmehr kamen in der sogenannten Stadtgrabung oberhalb des Demeter-Heiligtums Reste einer frühen Wehrmauer zutage. Sie belegen, dass das Stadtgebiet bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. annähernd dieselbe Ausrichtung wie die philetairische Stadt hatte. Demnach hat Philetairos eine bereits bestehende, von der topographischen Lage begünstigte Siedlung sowohl in ihrer Wehrfähigkeit als auch in ihrer städtebaulichen Infrastruktur weiter ausgebaut. Denn es spricht einiges dafür, dass die Anlage des Gassensystems, wie es in den letzten Jahrzehnten innerhalb der philetairischen Wohnstadt nachgewiesen werden konnte, auf Philetairos zurückgeht. Leider wissen wir weder von der archaischen noch von der philetairischen Stadt aufgrund der späteren tiefgreifenden Umbauten und Neustrukturierungen Näheres über das genaue Aussehen der Wohnstadt. Nach den wenigen Resten früher Wohnbauten zu urteilen, scheint es sich aber um eher kleinteilige Wohnquartiere mit nicht allzu üppig dimensionierten Hofhäusern gehandelt zu haben.

Mit den urbanistischen Baumaßnahmen unter Philetairos begann der unaufhaltsame Aufstieg der Stadt zur Metropole eines bedeutenden Königreichs. Der wachsende Ausbau der Macht der Attaliden, die von 281 bis 133 v. Chr. Pergamon beherrschten, lässt sich auch an der weiteren Stadtentwicklung ablesen: Pergamon wurde zu einem wichtigen Verwaltungs- und Handels-zentrum und mit großen öffentlichen Bauten wie Theater, Märkten, Gymnasien sowie Heiligtümern ausgestattet und verschönert. Die Stadt scheint so gewachsen zu sein, dass am Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr. unter Eumenes II. eine riesige Stadterweiterung notwendig war. Neue Forschungen haben gezeigt, dass das auf diese Erweiterung zurückgehende eumenische Straßensystem nicht wie angenommen streng orthogonal, sondern als fächerförmiges Straßenraster angelegt war. So konnte leichter auf die Beschaffenheit des zum Teil sehr steilen Geländes reagiert werden. Aber auch die Altstadt unterhalb der Akropolis bekam ein neues Zentrum, das der Hauptstadt eines riesigen Reichs würdig war.

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Der Bereich um das ältere Zeus-Heiligtum wurde vollkommen neu gestaltet mit dem Ausbau der Oberen Agora (Marktplatz) sowie dem Neubau des Großen Altars. Auf der Akropolis bekam das altehrwürdige Athena-Heiligtum mit den neuen Hallen und vermutlich dem Neubau der Bibliothek ein repräsentativeres Gesicht, und auch die Paläste der pergamenischen Könige wurden erweitert und neu gestaltet. Die Oberburg und ihr unmittelbares Umfeld müssen in dieser Zeit einer Großbaustelle geglichen haben.

Die steile Hanglage Pergamons bedingte einen besonderen Umgang mit dem Gelände. Es wurden Lösungen gefunden, die viele pergamenische Bauten einzigartig in der antiken Welt machen, so das Große Theater, das sich am Steilabhang südwestlich unter der Akropolis befindet. Mit den 78 Sitzreihen des Zuschauerrunds wurden 36 Höhenmeter überwunden. Es ist damit das am steilsten ansteigende Zuschauerrund aller antiken Theater. Trotz der Platznot wurde für Orchestra (Bühne), Bühnengebäude, Prozessionsterrasse und Dionysos-Tempel eine geradezu geniale städtebauliche Lösung gefunden. Auf hohen Stützkonstruktionen erhebt sich eine 247 Meter lange, von einer Säulenhalle gesäumte Terrasse. Diese bildete sowohl den Zugang zum Theater als auch zu dem am Ende der Terrasse tief in den Hang hineingeschobenen Dionysos-Tempel. Um diesen nicht dauerhaft zu verstellen, wurde das Bühnengebäude in hellenistischer Zeit nicht aus Stein, sondern als temporäre Holzkonstruktion errichtet. Auch das in eumenischer Zeit errichtete Große Gymnasion (Sportstätte) stellt eine Sonderlösung dar: Es staffelt sich in drei unterschiedlich großen Terrassen den Hang hinauf. Die aufwendigen Baumaßnahmen für die Terrassenstützkonstruktionen wurden dabei geschickt genutzt. So stützt eine lange Reihe von Arkaden nicht nur die obere Terrasse des Gymnasions, sondern trägt zugleich eine über 200 Meter lange, vermutlich überdachte Laufbahn…

Prof. Dr.-Ing. Ulrike Wulf-Rheydt

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