Der Messer grande kam im Morgengrauen. An der Spitze von nicht weniger als 30 Bütteln nahm der oberste Handlanger der venezianischen Regierung am 26. Juli 1755 Giacomo Casanova fest, was den überraschten Delinquenten darüber sinnieren ließ, warum „in London, wo doch jedermann mutig ist, nur ein Mann eingesetzt wird, um einen anderen zu verhaften, und in meiner Vaterstadt Venedig, wo die meisten feige sind, dreißig“. Doch schon bald sollte Casanova ganz andere Sorgen haben, als über Verhaftungspraktiken im europäischen Vergleich nachzudenken, denn der Messer grande eröffnete seinem Gefangenen, er habe Befehl, ihn in die piombi, die „Bleikammern“, zu bringen.
Die meisten Touristen, die heutzutage nach Venedig kommen und den Dogenpalast besuchen, besichtigen dort die Staats- und Repräsentationsräume – gewissermaßen die Außenseite der Macht. Sie folgen damit, ohne es zu wissen, den Selbstdarstellungsstrategien der Venezianer von einst: Den Gästen wird so eine überwältigende Inszenierung von Glanz und Größe der „Durchlauchtigsten [Serenissima] Republik des heiligen Markus“ vorgeführt. Bucht man hingegen im Dogenpalast die Besichtigung der „Itinerari segreti“, der „geheimen Wege“, so tritt man unversehens durch eine dezent in die Wandbemalung integrierte Tür in die verborgene Welt der praktischen Machtorganisation vergangener Tage ein: die Welt der Schreibstuben, der Aktenschränke und eben, nach Überquerung der berühmten Seufzerbrücke, auch die der Gefängnisse, nämlich des venezianischen Staatsgefängnisses. Die gefürchteten „Bleikammern“, wegen des mit Bleiplatten gedeckten Daches so genannt, waren allerdings ganz oben im Dogenpalast untergebracht…
Autor: PD Dr. Arne Karsten
Den vollständigen Artikel lesen Sie in DAMALS 09/2018.