Jodeln liegt im Trend: Selbst in den Großstädten erfreut sich diese alpenländische Gesangsform inzwischen wachsender Beliebtheit. Wie es dazu kam und wie das Jodeln im Laufe seiner Geschichte immer wieder auch instrumentalisiert wurde, haben nun Innsbrucker Forscher nachvollzogen. Sie decken dabei auch die politischen und kulturellen Einflüsse auf die “Jodeltrends” auf.
Unter Jodeln oder Dudeln versteht man landläufig einen Gesang, bei dem sinnfreie Silben in meist sprunghaften Melodiefolgen aneinandergereiht werden. Typisch ist zudem, dass die Jodelsänger dabei oft in die Falsett- oder Kopfstimme wechseln, um die abrupten Sprünge in die hohen Tonlagen zu bewältigen. In Europa hat das Jodeln seinen Ursprung im östlichen Alpenraum, dort ist es bereits im 17. und 18. Jahrhundert dokumentiert. Einen echten Boom erlebte das Jodeln aber Anfang des 19. Jahrhunderts, als bekannte Sänger aus dem Alpenraum diese Form des Gesangs in die europäischen Metropolen brachte und eine regelrechte Jodelmode auslöste. Vor allem durch Tiroler Sängergruppen wurde das Jodeln dann auch international bekannt und populär und fand Eingang unter anderem in die Countrymusik oder den Jazz.
Identitätsstiftend und verbindend
Wie sich das Jodeln im Alpenraum entwickelt hat und welchem Zweck es diente, hat nun ein Forscherteam um den Musikethnologen Raymond Ammann von der Universität Innsbruck näher untersucht. Ihre Studien zeichnen erstmals die bewegte Geschichte des Jodelns und des Jodellieds von den Alpen des 19. Jahrhunderts bis zu seiner neuen Popularisierung im urbanen Raum der Gegenwart nach. Zudem zeigen die Ergebnisse auf, dass sich die historischen Entwicklungen des Jodelns in der Schweiz und in Tirol durchaus unterscheiden.
So zeigen die Forschungen unter anderem, dass das Jodeln in Tirol zu Zeiten der Napoleonischen Kriege vor allem eine identitätsstiftende Funktion erfüllte. Es diente als akustisches Symbol für die Rebellion gegen die französischen und bayrischen Truppen, wie Ammann und sein Team berichten. Im 19. Jahrhundert, nachdem Tiroler Sängergruppen das Jodeln international bekannt und populär gemacht hatten, wurde das Tiroler Lied mit Jodelteil auch in der Schweiz beliebt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden dort sogar eigens Volksmusikfeste wie die Unspunnenfeste in Interlaken bei Bern veranstaltet, um die eigenen Volkstraditionen hochleben zu lassen und um die Stadt- und Landbevölkerung zu vereinigen.
Jodeln als politisches Statement
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde dann das Jodeln zunehmend politisch instrumentalisiert, wie die Forscher berichten. In Österreich galt das Singen und Jodeln während des Nationalsozialismus als patriotische Gewissenssache und als Ausdruck der “arischen” Kultur. Das Jodellied wurden daher vom Regime auf verschiedene Weise unterstützt. In der Schweiz dagegen versuchte man sich in dieser Zeit, auch im Jodeln deutlich von den nationalsozialistischen Nachbarn abzugrenzen. So erschien 1943 eine erste schriftliche Anleitung für das Schweizer Jodeln, die es in eine eigene, von der deutsch-österreichischen zu unterscheidende Form bringen sollte. Diese vom Eidgenössischen Jodlerverband geförderte eigene Jodelvariante sollte die nationale Identität bekräftigen und die Distanz zu den nationalsozialistisch geprägten Staaten unterstreichen, wie Ammann und sein Team erklären.
Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch wurde das Jodeln zunehmend unpopulär. In den 1960er- und 1970er-Jahren galt diese Form des Gesangs – vor allem bei Stadtbewohnern – als reaktionär und als unangebrachter “musikalischer Patriotismus”.
Die neue Renaissance des Jodelns
Das hat sich aber interessanterweise in den letzten Jahren deutlich geändert. Mehr noch: Das Jodeln war noch nie so populär wie heute. Längst hat das Jodeln, Dudeln und Juchezen in den modernen Lifestyle auch der urbanen Mittelschicht Einzug gefunden und wird ganz ohne Berührungsängste mit Wandern und auch mit Yoga, Qi Gong oder Pilates kombiniert, und als therapeutisches Mittel nach dem Motto “Jodle dich frei” eingesetzt. “Das Jodeln ist heute verbindend und dient nicht mehr zur Abgrenzung”, bestätigt Ammann. Stattdessen sehen Menschen das Jodeln nun als eine Möglichkeit, um neue persönliche, musische Erfahrungen – sowohl alleine, als auch in einer Gruppe – zu sammeln.
Wie aber konnte es zu diesem Wandel und neuen Boom des Jodelns kommen? Ammann und sein Team führen dies auf zwei Entwicklungen in der neueren Musikgeschichte zurück. Zum einen brachte die Weltmusikwelle es mit sich, dass Menschen offener für Popularmusik aus fremden Regionen wurden. Das wiederum weckte auch das Interesse an musikalischen “Exotismen” aus der eigenen Umgebung und Kultur. Zum anderen förderte auch die zunehmende Popularität moderner Formen der Volksmusik das Interesse und machte das Jodeln “salonfähig”: “Aus dem Austropop ging die Neue Volksmusik hervor, mit anfangs satirischen Inhalten”, erklärt Ammann. Mit dieser erlebte dann auch das Jodeln seine Renaissance.
Die Ergebnisse des soeben abgeschlossenen Projekts werden unter anderem in dem Buch “Tirolerei in der Schweiz” nachzulesen sein, das im Frühjahr 2020 im Universitätsverlag Wagner erscheint.
Quelle: FWF Der Wissenschaftsfonds