Im Jahr 1718 lief das Flaggschiff des berühmten Piraten Blackbeard vor der Küste von North Carolina auf Grund und sank. Als Taucher ab 1996 das Wrack der “Queen Anne’s Revenge” untersuchten, entdeckten sie ungewöhnlich viel Kohle, die über das gesamte Schiff verteilt lag. Jetzt klären Analysen, woher diese Kohle stammt: Sie gehörte nicht zur Ladung des Piratenschiffs, sondern gelangte erst durch Kohletransporte im 19. Jahrhundert ins Meer und sammelte sich am deutlich älteren Wrack.
Der berüchtigte Pirat Blackbeard hieß eigentlich Edward Teach oder Thatch und wurde um 1680 in England geboren. Nachdem er einige Zeit an Kaperfahrten im Auftrag der englischen Krone beteiligt war, machte sich der Freibeuter selbstständig und schloss sich Piraten in der Karibik an. Im Jahr 1717 eroberten sie ein französisches Sklavenschiff, das in “Queen Anne’s Revenge” umgetauft und zum Flaggschiff unter Blackbeards Kommando umfunktioniert wurde. Rund ein Jahr lang machten Blackbeard und seine Mannschaft mit diesem Schiff die amerikanische Küste und die Karibik unsicher. Im Mai 1718 leitete Blackbeard eine Blockade des Hafens von Charleston, die er erst nach einer Lösegeldzahlung beendete.
Woher stammte die Kohle im Wrack?
Kurz darauf endete die Geschichte der Queen Anne’s Revenge jedoch: Das Flaggschiff Blackbeards lief beim Versuch, den Hafen Beaufort in North Carolina zu erreichen, auf Grund und sank. Erst im Jahr 1996 wurde das Wrack des Schiffs wiederentdeckt und wird seitdem immer wieder von Unterwasserarchäologen untersucht. Unter den im Wrack gefundenen Objekten sind neben den Schiffskanonen und anderer Ausrüstung auch Goldkörnchen, Glasperlen und – seltsamerweise – hunderte Stücke Kohle. Diese waren über das gesamte Schiffswrack verstreut. Da die Queen Anne’s Revenge ein Segelschiff war, konnte dieser Brennstoff nicht dem Antrieb des Piratenschiffs gedient haben.
“Es gibt durchaus Gründe, warum auch Segelschiffe damals Kohle an Bord hatten”, erklärt James Hower von der University of Kentucky. So wurde Kohle unter anderem für die Zubereitung der Mahlzeiten oder auch zum Heizen an Bord verwendet. Die große Menge der im Schiffswrack gefundenen Kohle war allerdings in diesem Zusammenhang sehr ungewöhnlich. “Wir wollten daher wissen, woher diese Kohle im Wrack gekommen sein könnte, denn in dieser Ära gab es in Amerika noch kaum Kohleabbau in größeren Stil”, erklärt Hower. “Wir mussten daher auch herausfinden, ob die Kohlen überhaupt aus dem Schiff stammt.”
Anthrazitkohle wirft Fragen auf
Hower und sein Team haben daher vier Proben der vom Meeresgrund geborgenen Kohlestücke näher Untersucht. Die chemischen Analysen ergaben, dass sich die Kohleproben in ihrer Beschaffenheit und Zusammensetzung deutlich voneinander unterscheiden. Einige Proben waren Steinkohle mit einem Kohlenstoffanteil von 87 bis 90 Prozent und einem geringen Gehalt an flüchtigen Substanzen. Bei anderen Proben handelte es sich dagegen um die deutlich härtere, kompaktere Anthrazitkohle, die zu mehr als 90 Prozent aus Kohlenstoff besteht, wie die Forscher berichten.
Das aber wirft einige Fragen auf: “Steinkohle mit wenig flüchtigen Anteilen findet sich unter anderem in Virginia”, erklärt Hower. “Diese Kohle war gut zum Kochen geeignet und wurde später auf Dampfschiffen genutzt, weil sie beim Verbrennen nur wenig Rauch abgibt.” Die qualitativ hochwertigere Anthrazitkohle ist dagegen deutlich seltener und kommt in den USA nur in der Appalachen-Region von Pennsylvania vor. “Im 19. und 20. Jahrhundert wäre die einfachste Erklärung für beide Arten von Kohlestücken der Kohleabbau in den Appalachen. Aber in der Zeit von Blackbeard gab es diese Abbaugebiete noch nicht”, erklärt Hower. Europäische Siedler entdeckten diese Vorkommen von Anthrazitkohle erst in den späten 1760er Jahren. Zur Zeit des Piraten wurde Anthrazitkohle primär in Europa abgebaut.
Kohle war nie auf Blackbeards Schiff
Doch wie war die Anthrazitkohle in das Wrack von Blackbeards Schiff gelangt? Wie Hower erklärt, ist die Lösung des Rätsels verblüffend simpel: Die Kohle war nie auf der Queen Anne’s Revenge. Stattdessen ist der Fund dieser Kohlestückchen im Wrack bloßer Zufall: Das Schiffswrack liegt in der Nähe eines Hafens, der während des amerikanischen Bürgerkriegs eine wichtige Versorgungstation für Dampfschiffe war. In Beaufort wurden ab April 1862 große Kohlevorräte für die konföderierte Flotte gelagert. Zwischen 1862 und 1864 steuerten mehr als 450 Schiffe den Hafen an, um Brennstoff zu laden.
“Die Kohle auf dem Wrack stammte daher wahrscheinlich von Schiffe aus der Bürgerkriegszeit”, sagt Hower. Durch die Verladung der Kohle und auch über Bord gegangene Ladung gelangte damals reichlich Kohle in das flache, von starken Strömungen geprägte Meeresgebiet. Im Laufe der Zeit wurden diese Kohlestücke verlagert und sammelten sich an natürlichen Hindernissen am Meeresgrund an – darunter auch dem deutlich älteren Wrack der Queen Anne’s Revenge. “Diese Kohle wurde daher durchaus genutzt – es war aber nicht Blackbeard, sondern die US Marine”, so der Forscher.
Quelle: University of Kentucky; Fachartikel: International Journal of Nautical Archaeology, doi: 10.1080/10572414.2022.2101775