„Die diesjährige Weihnachtsausstellung des Puppenhausmuseums Basel steht im Zeichen der Stechpalme; bei Weihnachtssammlern besser bekannt unter dem Namen „Holly Berry“. Von den Germanen und den Kelten einst verehrt, ist die Stechpalme vor allem in Großbritannien und Nordamerika seit Jahrhunderten eines der beliebtesten Weihnachtsmotive. Die dieser immergrünen Pflanze gewidmete Ausstellung zeigt alles zum Thema „Holly Berries“: Von zwei goldenen Weihnachtsbäumen geschmückt mit alten Postkarten bis zum wertvollen Limoges Porzellan.
Die Stechpalme, lateinisch „Ilex aquifolium“, gehört zur Familie der Aquifoliaceae (Stechpalmengewächse). Die Familie umfasst weitere 450 Arten, worunter auch laubabwerfende, die auf der ganzen Erde verbreitet sind. Zum Heimatgebiet der Stechpalme gehört vornehmlich Mittel- und Nordeuropa, Südosteuropa, Vorderasien, Kleinasien, den Balkan und das Mittelmeergebiet. Die Pflanze wirkt durch ihre harten, immergrünen, an den Rändern stachelig gezahnten Blätter ausgesprochen dekorativ. Ab September färben sich die als Weihnachtsschmuck begehrten Steinfrüchte allmählich rot. Die roten Beeren und Blätter der Ilex aquifolium sind stark giftig. 20 bis 30 rote Beeren gelten für den Menschen als tödliche Dosis.
Die Stechpalme wird häufig in Wildhecken oder Gebüschen gepflanzt und bietet daher den Vögeln willkommenen Schutz. Ihnen schaden die Giftstoffe der Früchte offenbar nicht. Die Früchte werden erst dann weich und für die Vögel essbar, wenn sie mehrmals dem Frost ausgesetzt waren. Ein sehr wichtiges Winterfutter für die Vögel, können die Beeren doch den Winter hindurch, ohne zu verderben, an der Pflanze bleiben.
Ehedem setzte man die Stechpalme auch in der Naturheilkunde ein. Obschon giftig, wurden die Früchte als Abführmittel und die Blätter als fiebersenkendes und harntreibendes Mittel bei Grippe, Bronchitis und Rheuma verabreicht. Ferner waren die gerösteten Samen als Kaffee-Ersatz geschätzt. Die belaubten Zweige dienten gebündelt und an einem Seil befestigt zum Reinigen des Schornsteins; dieser Stechpalmenbüschel funktionierte wie eine Stahlbürste. Das dichte, schwere, aber gut polierfähige grüne Holz wurde früher zu Intarsien oder Druckstöcken für den Holzschnitt verarbeitet, manchmal auch zu Messerfurnieren oder Spazierstöcken. In der Feintischlerei diente es als Ebenholzersatz, da es dunkle Lacke sehr gut annimmt.
Auf die starke Vermehrung der Stechpalme beziehen sich die Bezeichnung als „Waldunholz“ wie auch der Spruch: „Ilse bilse, keiner willse, die böse Hülse!“ Ein bekanntes Stück Hülsenholz ist der Spazierstock von Johann Wolfgang von Goethe. Man kann den Stock heute noch im Goethehaus in Weimar bewundern. Ein weiteres bekanntes Stück Illexholz ist Harry Potters Zauberstab. Der Schriftsteller J. R. R. Tolkien hatte ein Faible für den Hulstbaum; in seinem Roman „Herr der Ringe“ ist das Land „Hulsten“ (Hollin im englischen Original) Herkunftsland der Elbenringe.
Mit ihren immergrünen stacheligen Blättern und den leuchtend roten, kugeligen Steinfrüchten symbolisierte die Ilex bei den Griechen und den Römern das ewige Leben. Bei den Römern galt sie als Sinnbild für Wohlwollen und freundschaftliche Zuwendung. Während der Saturnalien, einem Fest der Römer, etwa zeitgleich mit der heutigen Weihnacht gefeiert, beschenkte man sich mit Ilex-Zweigen.
Da Bäume mit immergrünem Laub in Mitteleuropa eher selten sind, wurden sie von den Germanen, Angelsachsen und Kelten entsprechend verehrt. Die gesammelten Zweige und Beeren schmückten ihre Wohnstätten und sollten Geistern, Feen und guten Walddämonen in der Kälte Unterschlupf bieten und auch vor Blitzen, bösem Zauber und Verwünschungen schützen. In manchen Regionen der Schweiz hängt man noch heute – zur Abschirmung gegen das Böse – Stechpalmenzweige an Haus und Stall.
Zur Feier der Wintersonnenwende wurden grüne Zweige als Schutz und Zaubermittel sowie zur Beschwörung des Sommers geschnitten. In allen Kulturen und Religionen ist der immer-grüne Baum Wohnsitz der Götter und damit Zeichen des Lebens gewesen.
Am Palmsonntag wird an den Einzug Jesu in Jerusalem gedacht. Zu diesem christlichen Feiertag werden in der gemässigten Klimazone mangels echter Palmen Zweige von immergrünen oder zu dieser Jahreszeit bereits ergrünten Pflanzen (Weide, Buchsbaum und Stechpalme) als Palm geweiht. Von dieser Tradition lässt sich der Namensteil „Palme“ ableiten.
Johann Wolfgang von Goethe schrieb zur Verwendung an christlichen Festen:
„Im Vatikan bedient man sich Palmsonntag echter Palmen Die Kardinale beugen sich Und singen alte Psalmen. Dieselben Psalmen singt man auch, Ölzweiglein in den Händen, Muss im Gebirg zu diesem Brauch Stechpalmen gar verwenden.“ (…)
Es gibt auch eine Legende, wonach die Stechpalmen im Winter leuchtend rote Beeren tragen: Als die Hirten sich auf den Weg zum Jesuskind machten, folgte ihnen ein kleines, schwaches und krankes Lämmchen. Es lief hinter dem Hirtenjungen her, der es gepflegt hatte. Das Lamm blökte zwar, aber so leise, dass niemand es hörte. Es stolperte immer wieder über die Steine, die auf dem Weg lagen, und die Stechpalmen zerkratzten es. Endlich erreichte es den Stall und drängte sich an den Hirtenjungen. Maria sah, dass der Junge das Lamm aufhob, es streichelte und an seiner Brust wärmte. „Auch mein Sohn wird später einmal gut zu hilflosen Geschöpfen sein“, sagte Maria zu dem Jungen. „Deshalb sollen die Menschen immer daran erinnert werden, dass du dem Lämmchen geholfen hast, als es in Not war.“ Seither trägt die Ilex im Winter leuchtend rote Beeren – damit man an das arme kleine Lämmchen und den guten Hirtenjungen denkt.
Die Stechpalme hat in Europa eine viel längere Weihnachtsgeschichte als der heute so beliebte Tannenbaum. Schon im Mittelalter holte man die immergrünen Zweige mit ihren dauerhaften, leuchtend roten Früchten als Sinnbild ewigen Lebens ins Haus. Die christlichen Symbolfarben von Advent und Weihnachten sind Grün und Rot. Im Adventskranz wie auch beim Tannenbaumschmuck sind diese beiden Farben tragend.
Grün symbolisiert nicht nur die Hoffnung auf Lebenserhalt im dunklen Winter, sondern auch die Treue. Die Lebenskraft, die in wintergrünen Gewächsen steckt, wurde oft auch als Heilkraft gedeutet. So glaubte man sich Gesundheit ins Haus zu holen, wenn man es mit Grünem schmückte: Fichte, Tanne, Kiefer, Buchsbaum, Stechpalme, Stechginster, Wacholder, Efeu und Rosmarin wurden besondere Kräfte zugesprochen.
Rot erinnert an das Blut, das Christus vergossen hat, um die Welt zu erlösen. Die Farb-kombination von Grün und Rot versinnbildlicht demnach für Christen die übernatürliche Hoffnung. Für das Christentum wandelten sich die dornenbewehrten Blätter der Ilex zum Symbol für die Dornenkrone des Erlösers und die roten Beeren für das Blut, das er gemäss der Bibel aus Liebe zur Menschheit vergossen hat. Damit sind die beiden wichtigsten Bedeutungen der Weihnacht, Liebe und Hoffnung, in der Stechpalme vereint.
Die Sitte, grüne Tannenzweige ins Haus zu stellen, wird schon anno 1491 im „Narrenschiff“ Sebastian Brants bezeugt. Aus dem Jahr 1535 ist überliefert, dass man in Strassburg im Elsass kleine Eiben, Stechpalmen und Buchsbäumchen verkaufte, die noch ohne Kerzen in den Stuben aufgehängt wurden. Stechpalmenzweige sind von alters her ein beliebter Weihnachtsschmuck im Haus. Die Farben prägen den Christbaum, die Tischdekoration mit dem Weihnachtsstern, die Weihnachtspost und die Verpackung der Geschenke.
Im englischen Sprachraum ist der „Holly“ das Weihnachtssymbol schlechthin. In Gross-britannien werden die Holly-Zweige als Freundschaftsgabe und zur Dekoration des traditionellen Christmaspuddings verwendet. In der Adventszeit wird ein Kranz aus Stechpalmen und Efeu mit vier Kerzen gebunden, also der uns vertraute Adventskranz. In Skandinavien ist für die Stechpalme der Name „Christusdorn“ gebräuchlich, der an die Dornenkrone und mit den roten Beeren an die Blutstropfen Christi erinnern soll. Auch an der Ostküste der USA steht die Stechpalme für Weihnachten.
Englisch heißt die Stechpalme „Holly“, was zur weltgrößten Filmindustrie „Hollywood“ bei Los Angeles führt. Das Örtchen Hollywood wurde 1888 von der Familie Wilcox gegründet. Die Ortsbezeichnung hat ihren Ursprung im Stechpalmenwald, der dort offenbar das prägendste Landschaftselement war.
Die Ausstellung zeigt, wie weit verbreitet das Motiv „Holly Berry“ gewesen ist. Von der viktorianischen Zeit (1837–1901) bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden allerlei Gebrauchsgegenstände mit diesem schönen Motiv verziert. Dazu gehörten Nähsets, Schatullen, Photoalben, Frisiersets, Brieföffner und vieles mehr. Besonders begehrt bei den heutigen Sammlern sind die Porzellanobjekte der Manufaktur Limoges mit dem „Holly Berry“-Motiv. Limoges ist eine Stadt in Frankreich, die durch ihre 1768 gegründete Porzellan-Manufaktur weltweiten Ruhm geniesst. Das Limoges ist ein besonders weisses (hoch¬weisses Kaolin), feines und hochwertiges Porzellan. Das „Holly Berry“-Porzellan ist meistens „T & V Limoges France“ markiert , da die Manufaktur im 19. Jahrhundert von Gustave Vogt und Emilien Tressemanes übernommen wurde und diese in Limoges für den Export nach den USA das „Holly Berry“-Motiv malen liessen.
Es gibt eine Fülle von Ansichtskarten mit den „Holly Berries“. Unter den Motiven finden sich Hunde, Katzen, Kinder, Damen, Engel und auch der Weihnachtsmann. Auch bei farbintensiven alten Oblatenbildern tritt dieses weihnachtliche Motiv immer wieder auf.