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„Top-down“-Effekt bei der Christianisierung

Geschichte|Archäologie

„Top-down“-Effekt bei der Christianisierung
Häuptlinge mit einem Missionar, 1820. National Library of New Zealand Te Puna Mātauranga o Aotearoa, Alexander Turnbull Library, Wellington (Ref:G-618)

Das Christentum avancierte im Laufe der Geschichte zur größten Religionsfamilie der Welt. Welche Faktoren die Ausbreitung beeinflussten, hat nun ein Forscherteam durch eine Analyse des Christianisierungs-Prozesses in den vielfältigen austronesischen Gesellschaften im 18. und 19. Jahrhundert untersucht. Sie stellten fest, dass Kulturen mit politischen Führungsstrukturen oft am schnellsten zum Christentum konvertierten. Darin zeichnet sich ein „Top-down“-Effekt bei der Christianisierung ab, sagen die Wissenschaftler.

Wie Joseph Watts vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena und seine Kollegen erklären, handelt es sich bei der Konversionsgeschichte der austronesischen Gesellschaften um ein ideales Forschungsfeld für Theorien des kulturellen Wandels. Der Grund: Sie umfassten einst eine Vielfalt gesellschaftlicher Systeme. Die austronesischen Gesellschaften teilten eine gemeinsame Ursprache und erstrecken sich über weite Teile der pazifischen Inselwelt von Ostafrika über Südostasien bis in den Südpazifik. Die Strukturen dieser Kulturen reichten einst von sehr kleinen, egalitären Familiengemeinschaften bis hin zu großen, politisch komplexen Gesellschaften wie auf Hawaii.

„Top-down“ versus „Bottom-up“

Die Christianisierung dieses Bereichs der Erde erfolgte hauptsächlich im 18. und 19. Jahrhundert durch gezielte Missionierung. Interessanterweise gab es auffällige Unterschiede beim Erfolg: Einige der Gesellschaften konvertierten in weniger als einem Jahr vollständig, bei anderen dauerte dieser Prozess hingegen bis zu 200 Jahre. Die Forscher haben nun durch die computergestützte Auswertung von Informationen untersucht, wie sich politische Hierarchien, soziale Ungleichheit und Bevölkerungsgröße auf die Verbreitung des Christentums in 70 austronesischen Gesellschaften ausgewirkt haben.

Es zeigte sich: Am schnellsten konvertierten diejenigen Kulturen zum Christentum, die klare politische Führungsstrukturen besaßen. Wie die Forscher erklären, spiegelt sich darin der Effekt der Missionierung an der Spitze der Gesellschaft wider: Politische Machthaber und Elitenführer wurden von Missionaren bekehrt und übten dann großen Einfluss auf die Verbreitung der christlichen Lehre in ihrem Volk aus. Somit zeichnet sich ein „Top-down“-Prozess ab, sagen die Forscher.

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Blick über das Christentum hinaus

Das Ausmaß der sozialen Ungleichheit innerhalb der Gesellschaften besaß hingegen keinen Einfluss auf das Tempo der Christianisierung. Die Studie lieferte somit keine Belege für eine populäre Begründungen für den Erfolg des Christentums: für einen „Bottom-up“-Prozess. Der Theorie zufolge wird dieser dadurch angestoßen, dass das Christentum die Angehörigen der unteren sozialen Schichten stärkt sowie ihnen ein besseres Leben nach dem Tod verspricht. Aus den Ergebnissen geht zudem hervor, dass sich das Christentum am schnellsten in Gesellschaften mit eher geringen Bevölkerungszahlen ausgebreitet hat. Dieses Ergebnis trägt dazu bei, die Bedeutung der Bevölkerungsgröße für Prozesse des kulturellen Wandels zu verdeutlichen, sagen die Wissenschaftler.

„Diese Forschung kann uns helfen zu verstehen, wie beides – die Größe und die Struktur von Gesellschaften – die Verbreitung und Übernahme neuer Institutionen, Ideologien oder Technologien beeinflusst“, sagt Watts. „Während die Menschen oft an große Gesellschaften als Innovationsquellen denken, zeigen unsere Ergebnisse, dass größere Gesellschaften neue Ideen auch langsamer aufgreifen können“, sagt Watts. „In einer zahlenmäßig kleinen Bevölkerung wird es wahrscheinlicher, dass Überzeugungen relativ schnell verbreitet werden, insbesondere wenn sie von deren Führern und anderen mächtigen Persönlichkeiten gefördert werden“, resümiert der Wissenschaftler.

Quelle: Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Nature Human Behaviour, doi: 10.1038/s41562-018-0379-3

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