Eine kleine Holzscheibe mit einem runden und eine mit einem quadratischen Loch: Archäologen haben bei Bad Schussenried in Oberschwaben zwei rund 5000 Jahre alte Miniaturräder entdeckt. Die Funde bestätigen, dass damals im nördlichen Alpenvorland zwei verschiedene Konstruktionsprinzipien beim Wagenbau bekannt waren. Wozu die Miniaturen allerdings dienten, bleibt geheimnisvoll: Sie könnten Spielzeug, Demonstrationsobjekte oder rituelle Gegenstände gewesen sein, sagen die Archäologen.
Bereits 2009 waren im Olzreuter Ried erstmals mehrere große Scheibenräder aus der Zeit um 2900 v. Chr. aufgetaucht. Neben diesen Radscheiben mit rechteckigem Achsloch fand sich auch ein kleines Modellrad, das ein rundes Achsloch zeigte. Die aktuellen Funde reihen sich nun in diese spektakulären Funde zur frühen Technikgeschichte ein. „Insgesamt sechs steinzeitliche Radfunde aus einem Fundort, zudem zwei verschiedenen technischen Systemen zugehörig, das ist schon einmalig”, resümiert Ausgrabungsleiter Helmut Schlichtherle.
Ein rundes und ein eckiges Loch
Den Experten des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart zufolge handelt es sich bei den 7,4 und 9,5 Zentimeter großen Holzscheiben eindeutig um kleine Imitationen von Scheibenrädern aus dem frühen 3. Jahrtausend v. Chr.. Besonders interessant sind die beiden unterschiedlich geformten Achslöcher. Das eine rund, das andere eckig – das zeigt: In den Steinzeitsiedlungen, die sich einst bei Bad Schussenried befanden, nutzte man offenbar zwei unterschiedliche Rad-Technologien der damaligen Zeit.
Klar ist: Das Rad brachte die Menschheitsgeschichte buchstäblich ins Rollen. Die frühesten Nachweise von Wagenrädern stammen aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends v. Chr.. Räder, die sich mit rundem Loch auf einer feststehenden Achse drehten, waren vor allem in den frühen Hochkulturen des Orients, aber auch in Nordeuropa verbreitet. Räder mit eckigem Achsloch, die fest auf einer rotierenden Achse saßen, wurden hingegen in den Pfahlbausiedlungen rund um die Alpen nachgewiesen. Diese Technik wurde dann vor allem in Westeuropa weiterentwickelt.
Steinzeit-Spielzeug?
Die Faszination für Räder muss damals groß gewesen sein, sagen die Archäologen. Die exakte Imitation in Form der Miniaturräder verdeutlicht dies. Wozu sie dienten, bleibt bislang allerdings unklar. Den Experten zufolge kommt eine Verwendung als Kinderspielzeug, als technische Modelle oder als rituelle Gegenstände in Frage. Wer selbst einen Blick auf die Rädchen werfen möchte, wird dazu 2016 Gelegenheit bekommen: Die Neufunde werden momentan restauriert und sollen dann im Rahmen der Ausstellung „4000 Jahre Pfahlbauten” in Bad Schussenried und Bad Bad Buchau präsentiert werden.