Der Staatswagen Köng Friedrich Wilhelms II. von Preußen, mit dem die spätere Königin Luise 1793 mit dieser Kutsche als Braut eingehol wurdet, ist noch bis zum 31. Oktober 2010 im Rahmen der Ausstellung “Luise. Die Kleider der Königin” in Schloss Paretz zu sehen.
Mit der Rekonstruktion von kriegsbedingt verlorengegangenem Schnitzwerk auf dem Kutschkasten wurden dem Galawagen wichtige, bestimmende Attribute für seine Präsentation als einstmals repräsentativer Staatswagen zurückgegeben. Dazu mussten das aufwendige Dekor anhand historischen Aufnahmen in Ton nachmodelliert, in Gips gegossen und schließlich in Nussbaum geschnitzt werden. Dank der großzügigen gemeinsamen Förderung durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam (MBS) waren diese Arbeiten erst möglich geworden.
Der Staatswagen Friedrich Wilhelms II. (reg. 1786–1797), signiert mit “GINZROT A STRASSBURG”, wurde im Revolutionsjahr 1789 gebaut. Er verkörpert somit den Anspruch auf Modernität und Repräsentation des preußischen Königtums. Friedrich Wilhelm hatte schon als Prinz von Preußen klare Stilvorstellungen, die sich deutlich vom friderizianischen Rokoko abgrenzten. Nach der Thronbesteigung von 1787 bis 1789 begann der Ausbau der repräsentativen Königskammern im Berliner Schloss, der kostbarsten Raumflucht des Berliner Frühklassizismus. Der Kauf des neuen Staatswagens ist in diesem Kontext zu sehen.
August Christian Ginzrot (1728–1806) führte in Straßburg ein über die Grenzen Frankreichs hinaus bekanntes Wagenbau-Atelier. An der Seite des Vaters arbeitete Johann Christian Ginzrot (1764–1829). Er übernahm 1789 die Leitung des Unternehmens und war später als Wagenbauinspektor am Münchener Hof tätig. Ihm wird der Entwurf des Staatswagen für den preußischen Königs zugeschrieben. Nach dem preußischen König bestellten 1790 Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen (seit 1806 König) und Graf Franz Wilhelm zu Oettingen-Baldern Galawagen bei Ginzrot zur Auffahrt bei der bevorstehende Kaiserkrönung. Ihre Anfertigungskosten beliefen sich auf nur ein Viertel der Summe des für Friedrich Wilhelm II. gebauten Wagens (6286 Reichstaler). Beeindruckend schon in seiner Größe (Höhe: 3,05 m; Länge: 5,25 m, Breite 2,10 m) und ausgeziert mit Symbolen der Macht und Würde (Adler, Kronen, Armaturen) erwies man einem solchen Wagen, auch wenn er leer auffuhr, die Referenz.
Vermutlich repräsentierte Preußen mit dem “Straßburger Paradewagen”, wie er in den Marstall-Inventaren genannt wird, zur Kaiserkrönung in Frankfurt im Jahr 1790. Als Brautwagen der Kronprinzessin Luise kam er am 22. Dezember 1793 erstmals nachweislich in Berlin zum Einsatz. Auch in den kommenden Jahrhunderten diente er dem Königshaus zur Brauteinholung und für Trauerprozessionen. Höhepunkt war sein Einsatz als Krönungswagen bei den Krönungsfeierlichkeiten Wilhelms I. und seiner Gemahlin Augusta im Jahr 1861. Wie kein anderer verkörperte er den Machtanspruch Wilhelms I. und blieb bis zum Ende der Monarchie der “Galawagen Nr. 1” des Berliner Marstalles. Seit 1902, zuvor ein letztes Mal in Stand gesetzt, konnte er in der neu eingerichteten Galawagenhalle im Marstall des Berliner Schlosses besichtigt werden. Durch Fürsprache des preußischen Finanzministeriums entging er den nach Auflösung des Marstalles groß angelegten Verkaufsauktionen und wurde seit 1927 im Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou in Berlin gezeigt. Während des Krieges im Marstall des Babelsberger Schlosses ausgelagert, wurde er erst in den Nachkriegsmonaten 1945 von Soldaten der sowjetischen Armee schwer beschädigt.
Zweifellos bezieht der Staatswagen Friedrich Wilhelms II. seine kunsthistorische Bedeutung aus seiner frühklassizistischen Formvollendung. Zugleich aber ist er als Herrschaftssymbol wie kein anderer Galawagen des Hofes in seiner Nutzungsgeschichte, mit den sich daraus ergebenen Überarbeitungen an konkrete Ereignisse der preußischen Geschichte gebunden.
Mit der umfangreichen Rekonstruktion fehlender Schmuckelemente am Wagenkasten wurden dem Galawagen wichtige, bestimmende Attribute für seine Präsentation als Staatswagen zurückgegeben. Das Aufbringen einer ledernen Dachhaut und das Einhängen des Wagenkastens an Lederriemen vervollständigen das Erscheinungsbild. Die Arbeiten am Dachschmuck sind weitestgehend abgeschlossen.
Um das Erscheinungsbild zu komplettieren, werden im nächsten Jahr die holzbildhauerischen Ergänzungen am Fahrgestell erfolgen. Danach werden sich die Fachrestauratoren der SPSG mit den Fragen zur textilen Ausstattung des Wagenkastens und der Farbfassung des Staatswagens auseinandersetzen. Alle noch ausstehenden Restaurierungsmaßnahmen werden bis 2012 in der Remise des Schlosses durchgeführt. So kann der Besucher bis zur endgültigen Fertigstellung alle Arbeitsschritte mitverfolgen. Ziel ist es zum Einen, den repräsentativen Charakter des Wagens als Staatsinsignie und Denkmal der Wagenbaukunst wieder erstehen zu lassen. Das schließt Rekonstruktionen zur visuellen Verständlichkeit und Ablesbarkeit von Funktion und Dekor ein. Zum Anderen gilt es, ein kriegsversehrtes Geschichtsdenkmal zu bewahren, an dem die Spuren der Geschichte auch ablesbar bleiben.