Ein Stützpunkt mit spannender Geschichte: Archäologen haben in Florida Spuren des Forts San Antón de Carlos entdeckt, das die Spanier im Jahr 1566 in der Hauptstadt des Indianer-Reichs der Calusa errichtet haben. Bisher zeugten nur historische Texte von dem kurzlebigen Stützpunkt und seinem Schicksal. Nun ist klar, wo das Fort samt seiner zugehörigen Jesuitenmission in der geheimnisvollen Indianer-Siedlung gestanden hat.
Die Calusa waren ein erstaunliches Indianer-Volk: Sie errichteten beeindruckende Bauwerke und lebten in einer komplexen Gesellschaft, obwohl ihre Lebensgrundlage im Gegensatz zu den Inka oder Azteken nicht der Ackerbau war. Erst vor kurzem haben archäologische Untersuchungen gezeigt, dass sie durch raffinierte Fischereitechnik Nahrungsüberschüsse produzieren konnten. Die Calusa trieben demnach Fische aus den Lagunenbereichen in große Becken und hielten sie dort als lebendigen Vorrat.
So konnten sie eine recht große Bevölkerung hervorbringen und auch eine beachtliche militärische Stärke. Dadurch beherrschten die Calusa über Jahrhunderte hinweg den Süden Floridas und konnten sich auch den Kolonialisierungsversuchen der Spanier lange widersetzen. So existierte das Calusa-Reich noch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts weiter. Danach fiel das Indianer-Volk allerdings den eingeschleppten Krankheiten zum Opfer – ihre Kultur verschwand und geriet in Vergessenheit. Doch seit einigen Jahren widmen sich nun Archäologen der Erforschung der geheimnisvollen indianischen Gesellschaft. Die Untersuchungen in der Estero Bay im Westen Floridas haben mittlerweile bestätigt, dass sich dort einst die Hauptstadt der Calusa befand, von der die spanischen Überlieferungen berichten.
Texte berichten von einer dramatischen Geschichte
Es handelte sich um eine Siedlung aus großen Häusern, die auf bis zu zehn Meter hohen künstlichen Erhöhungen aus Muschelschalen (Mounds) erbaut waren. Die größten waren Mound 1 und Mound 2, die durch einen Kanal voneinander getrennt waren. Auf Mound 1 befand sich der eindrucksvolle Herrschersitz der Hauptstadt. Den Beschreibungen nach bot der Holzbau Platz für 2000 Menschen. In diesem „Königs-Haus“ kam es den Überlieferungen zufolge zu den ersten Verhandlungen der Spanier mit den Calusa: Im Jahr 1566 empfing der Herrscher „Caalus“ dort den spanischen Kolonialbeamten Pedro Menéndez de Avilés, der zuvor mit sieben Schiffen und 500 Mann an der südwestlichen Golfküste Floridas gelandet war.
Anfangs entwickelten sich die Beziehung offenbar positiv: Die Spanier durften in der Hauptstadt der Calusa ab dem Oktober 1566 ein Fort samt Mission errichten. Es handelte sich den Beschreibungen nach um einen beachtlichen Bau mit Befestigungen und Unterkünften für 30 Soldaten. Doch schon bald kam es zu Spannungen zwischen den Calusa und den Spaniern. Angeblich wurde der Herrscher gegenüber den Fremden feindselig und so töteten sie Caalus, um ihn durch einen freundlicheren Nachfolger zu ersetzen. Doch auch dieser änderte seine Ansichten über die Fremden und befahl schließlich im Juni 1569 einen Angriff auf ein Versorgungsschiff der Spanier. Zur Vergeltung tötete die Besatzung des Forts dann auch den neuen Herrscher der Calusa. Dies führte wiederum zu Unruhen, in deren Folge die Hauptstadt abbrannte und von den Bewohnern verlassen wurde. Anschließen gaben dann auch die Spanier ihren Stützpunkt auf. Die Calusa kehrten später allerdings wieder nach Mound Key zurück und errichteten dort erneut ihre Hauptstadt. Danach konnten sie noch eine recht lange Zeit weitgehend unbehelligt ihre Kultur aufrechterhalten.
Gerade Mauern und spanische Artefakte
“Vor unserer Arbeit hatten wir nur diese Informationen aus den spanischen Dokumenten”, sagt William Marquardt von der University of Florida in Gainesville. „Aus ihnen ging hervor, dass es das Fort einst in Mound Key gegeben hat. Wo genau es war, blieb aber unklar“. Nun ist es ihm und seinen Kollegen gelungen, durch bodendurchdringendes Radar und anschließende Ausgrabungen den Standort aufzudecken. Wie die Archäologen berichten, befand sich das Fort auf dem Mound 2 von Mound Key. Diese künstliche Erhöhung bot offenbar eine ausreichend große Plattform für den Gebäudekomplex. Bei den Funden handelt es sich um Teile der Mauern des Forts und einige Artefakte, die sich eindeutig den Spaniern zuordnen lassen. “Zu sehen, wie die geraden Mauern des Forts nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche auftauchten, war für uns sehr aufregend”, sagt Marquardt.
Wie die Archäologen berichten, kam sogenannter “Tabby” bei der Konstruktion des Forts zum Einsatz. Dabei handelt es sich um eine Art Mörtel. Bei der Herstellung werden Muscheln gebrannt, um Kalk zu erzeugen, der dann mit Sand, Asche, Wasser und zerbrochenen Muscheln vermischt wird. In Mound Key verwendeten die Spanier diese Substanz, um die Pfosten in den Wänden ihrer Holzkonstruktionen zu stabilisieren, sagen die Wissenschaftler.
Wie sie betonen, haben sie bisher erst einen Teil des gesamten Forts freigelegt. Es gibt also noch viel zu entdecken. “Wir hoffen nun immer mehr Licht in eine Zeit der Geschichte Floridas und Nordamerikas zu bringen, über die nur sehr wenig bekannt ist”, sagt Marquardt.
Quelle: Florida Museum of Natural History, Fachartikel: Historical Archaeology, doi: 10.1007/s41636-020-00236-6