Der Adel hält zusammen – auch im Tod: Die Eliten der frühmittelalterlichen Bajuwaren ließen sich damals gerne unter Verwandten beerdigen. Genetische Analysen von Toten in 1300 Jahre alten Steinplattengräbern in Bayern belegen, dass die in einem Sarkophagbau oder in benachbarten Einzelgräbern bestatteten Toten meist eng verwandt waren. Dies belegt erstmals, dass diese Volksgruppe ihre Friedhöfe schon ähnlich wie wir ordnete.
Aufwändige Plattengräber
Die Bajuwaren bevölkerten seit Mitte des 6. Jahrhunderts große Teile des heutigen Bayerns. Dieser Volkstamm bildete sich dort durch Vermischung von germanischen und keltischen Bewohnern der Region, eingewanderten Römern sowie Flüchtlingen aus umliegenden Reichen. Ähnlich wie auch andere Völker der Umgebung bestatteten die Bajuwaren ihre Toten einzeln in Erdgräbern auf großen Gräberfeldern – ähnlich unseren heutigen Friedhöfen.
Doch seit der Mitte des 7. Jahrhunderts änderte sich dies, zusätzlich zu den Einzelgräbern tauchte eine neue Bestattungsform auf: Es wurden aufwändige sarkophagähnliche Grabbauten aus Tuffsteinplatten errichtet, in denen nun meist mehrere Personen bestattet waren. Der große Aufwand für den Bau dieser Steinplattengräber und die zum Teil kostbaren Grabbeigaben könnten dafür sprechen, dass dies Grabmale der Elite sein könnten. Möglicherweise, so die Vermutung von Archäologen, sind die Toten in diesen Gräbern Repräsentanten einer frühen Adelsschicht der Bajuwaren.
DNA-Analysen bei 21 Toten
Wenn diese Hypothese stimmt, dann müssten in den Steinplattengräbern – ähnlich wie in heutigen Familiengräbern und Mausoleen – vor allem miteinander verwandte Tote begraben sein. Denn in der Regel wurde und wird die Zugehörigkeit zum Adel an der Verwandtschaft festgemacht. Ob das bei den Bajuwaren der Fall war, haben nun Wissenschaftler in einem Projekt des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) und der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München (SAPM) untersucht.
Für ihre Studie entnahmen Andreas Rott von der Münchener Staatssammlung und seine Kollegen Proben von 21 bajuwarischen Toten aus drei verschiedenen Gräberfeldern. Neben einer Radiokarbondatierung, um das Alter der Toten zu bestimmen, führten die Forscher DNA-Analysen durch. Durch Genvergleiche untersuchten sie dabei, ob gemeinsam in einem Steinplattengrab oder in direkt benachbarten Einzelgräbern liegende Tote miteinander verwandt waren.
Sie sind verwandt!
Das Ergebnis: “Wir konnten so zeigen, dass in einem solchen Steinplattengrab oft Verwandte unterschiedlicher Generationen zusammenlagen”, berichtet Rott. Das spricht dafür, dass es unter den Bajuwaren tatsächlich bereits eine Adelsschicht gab, die auch im Tod unter ihresgleichen blieb. Aber das war noch nicht alles: “Interessanterweise ließen sich auch zwischen Personen, die in unterschiedlichen Ruhestätten beigesetzt worden waren, verwandtschaftliche Bande nachweisen”, berichtet Rott.
So auch im Fall der Steinplattengräber von Herrsching am Ammersee: Hier fand sich in einem Grab nur ein einziges Skelett eines zwischen 40 und 60 Jahren alten Mannes. Er wird aufgrund der Lage des Grabes und seiner Ausstattung häufig als Gründer der sich direkt anschließenden Kirche angesehen. Mittels DNA-Analyse wiesen die Forscher nun nach, dass die Skelette im direkt benachbarten Nebengrab eng mit diesem Mann verwandt waren. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt sich um seinen Sohn und seine Urenkel.
Einen ähnlichen Fall entdeckten die Wissenschaftler im frühmittelalterlichen Gräberfeld in Sindelsdorf. Dort war eine reich ausgestattete, junge Frau ebenfalls alleine in einem Steinplattengrab bestattet worden. Doch in den Gräbern rechts und links von ihr lagen ihr Vater und ihr Bruder, wie die Genanalysen belegten.
Friedhöfe anders strukturiert als gedacht
Diese Anordnung der Gräber nach Verwandtschaft spricht nicht nur für die Existenz eines Adels bei den Bajuwaren. Sie ist auch in Bezug auf die generelle Friedhofstruktur des Frühmittelalters eine neue Erkenntnis. “Wir konnten so zum ersten Mal mit genetischen Methoden zeigen, dass bajuwarische Gräberfelder auch nach verwandtschaftlichen Gesichtspunkten aufgebaut sind”, sagt Rotts Kollegin Michaela Harbeck.
Zwar wird eine solche Binnengliederung von Archäologen schon länger auch für andere Gräberfelder aus dieser Zeit vermutet. Bisher ließ sich dies allein auf Basis der archäologischen Funde nicht nachweisen. Erst die anthropologische Methode der DNA-Analyse alter Knochen- und Zahnproben wirft nun ein neues Licht auf diese frühen Friedhöfe. “Die Rekonstruktion familiärer Beziehungen wird auf Gräberfeldern des Frühen Mittelalters künftig kaum noch ohne Gegenprobe der Anthropologie möglich sein”, meint Jochen Haberstroh vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege.