Die für den altägyptischen Pharao Djoser errichtete Stufenpyramide in der Nekropole Sakkara ist die älteste der sieben großen Pyramiden Ägyptens. Doch mit welchen Methoden sie erbaut wurde, ist bislang offen. Jetzt hat ein Forschungsteam Indizien für ein komplexes Wassersystem entdeckt, das bei der Konstruktion der 63 Meter hohen Pyramide geholfen haben könnte. Dabei leiteten mehrere Becken und Kanäle Wasser bis in den Unterbau der Pyramide, wo dieses dann eine Art Hebewerk speiste. Mit diesem wurden dann die großen Steinblöcke in die Höhe befördert.
Die Nekropole von Sakkara gehört zu den größten und am längsten genutzten Totenstädten des alten Ägypten. Schon vor rund 5.000 Jahren wurden hier Könige und Würdenträger in Grabbauten und Pyramiden bestattet. Die größte und älteste dieser Pyramiden ist die um 2650 vor Christus erbaute Stufenpyramide des Pharaos Djoser. Das knapp 63 Meter hohe, aus rund 2,3 Millionen Kalksteinblöcken errichtete Bauwerk gilt bis heute als Meilenstein der altägyptischen Monumental-Architektur. Doch mit welchen Methoden die altägyptischen Baumeister einst die schweren Steinblöcke bis in diese Höhen schafften, ist ähnlich wie bei den anderen Pyramiden strittig. “Bisher existiert kein allgemein akzeptiertes ganzheitliches Modell für den Pyramidenbau”, erklären Xavier Landreau vom Paläotechnischen Institut in Paris und seine Kollegen. Meist geht man davon aus, dass die Steine mithilfe von Rampen, Rollen oder Flaschenzügen in die Höhe gehievt wurden.
Wasserleitsystem mit Becken, Gräben und Kanälen
Um mehr über den Kontext der Djoser-Pyramide und die sie umgebenden Bauwerke zu erfahren, haben Landreau und sein Team das Umfeld von Sakkara genauer analysiert. Im Fokus standen dabei Landschaftsformen und Strukturen, die auf ein mögliches Wassersystem der Ägypter hindeuten könnten – ähnlich wie es später beispielsweise die Maya für ihre Städte und Tempel nutzten. Bekannt war bereits, dass die Djoser-Pyramide in der Nähe eines heute ausgetrockneten Flussbetts steht, dem Abusir-Wadi. “Um den Zusammenhang des Abusir-Wadis mit dem Bau der Stufenpyramide zu untersuchen, haben wir erstmals auch das Einzugsgebiet westlich von Sakkara kartiert”, berichtet das Team.
Dabei zeigten sich mehrere zuvor unerkannte Becken und Kanäle, durch die Wasser aus den periodischen Regenfällen der damaligen Zeit in das Abusir-Wadi und zum Ende dieses Trockentals geleitet wurden. Dort finden sich die Relikte eines rechteckigen, von Wällen umgebenen Bauwerks, dem rund 360 mal 620 Meter großen Gisr el-Mudir. Diese einige hundert Meter westlich der Djoser-Pyramide liegende Anlage gilt als das älteste aus behauenem Stein errichtete Bauwerk Ägyptens, seine Funktion war jedoch bislang unbekannt. Landreau und seine Kollegen schließen nun aus Lage und Form von Gisr el-Mudir, dass es ebenfalls Teil des Wassersystems war: “Seine westliche Mauer diente wahrscheinlich als erste Staumauer für den Wasserzustrom aus dem Abusir-Wadi”, erklären sie. Von diesem Becken aus könnte das Wasser dann in einen Graben geleitet worden sein, der den Djoser-Komplex umgab.
Ein Hebewerk auf hydraulischer Basis?
Im südlichen Teil dieses Grabens deckten Ausgrabungen schon vor längerer Zeit einen weiteren, rund 27 Meter tiefen Kanal auf. “Dieser tiefe Kanal verbindet mindestens drei unterirdische Kavernen miteinander, deren Wände präzise aus dem Gestein geschnitten sind und von denen ein Tunnel abgeht”, berichten Landreau und sein Team. “Die perfekte geometrische Ausrichtung dieser Kavernen parallel zur Djoser-Pyramide ist bemerkenswert.” Der Boden dieser Kavernen und der Grund der beiden Hauptschächte der Djoser-Pyramide lagen auf einer Höhe. Beide Schächte waren zudem über eine 200 Meter lange Leitung miteinander verbunden.
Nach Ansicht von Landreau und seinen Kollegen spricht diese Anlage dafür, dass einst Wasser aus dem Abusir-Wadi über den Graben und die Kavernen bis in den Unterbau der Pyramide geleitet wurde. Dieser Wasserzustrom könnte dann als Antrieb für ein hydraulisches Hebesystem in den Schächten gedient haben, vermuten sie. Der Wasserstand in den Hauptschächten ließ sich dabei wahrscheinlich durch ein System aus schweren, an Seilwinden hängenden “Stöpseln” regulieren. Wenn das Wasser im Schacht stieg, konnte es ein auf dem Wasser schwimmendes Floß mit den für den Bau nötigen Steinen bis in 17 Meter Höhe und mehr anheben.
“Diese Studie liefert zum ersten Mal eine Erklärung für die Funktion und den Bauprozess mehrerer kolossaler Strukturen dieser Anlage in Sakkara”, sagen Landreau und sein Team. Sie gehen davon aus, dass parallel zu dem Hydraulik-Hebesystem auch die gängigen Bautechniken wie Rampen, Seilzüge und Rollen eingesetzt wurden. “Es ist unwahrscheinlich, dass die altägyptischen Architekten nur eine einzige Bautechnik verwendeten. Stattdessen wurden verschiedene Methoden eingesetzt, um sich an die verschiedenen Einschränkungen oder unwägbare Ereignisse wie eine Trockenperiode anzupassen”, erklären sie. Allerdings räumen Landreau und seine Kollegen auch ein, dass erst noch weitere Forschungen und Ausgrabungen vor Ort nötig sind, um ihre Interpretation der Strukturen zu bestätigen.
Quelle: PLOS, Fachartikel: PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0306690