Hier verschanzten sich vor rund 2000 Jahren römische Legionäre vor feindlichen „Ur-Schweizern“: Archäologen haben auf einer Bergkuppe in Graubünden die Überreste eines römischen Militärlagers aus der Zeit der Eroberung der Alpenregion entdeckt. Die strategisch günstig gelegene Anlage auf 2200 Meter über dem Meeresspiegel bot ideale Möglichkeiten zur Überwachung der umliegenden Täler und Pässe. Offenbar stand sie in Verbindung mit einem nahegelegenen Fundort an dem zuvor Gefechtsspuren aus dem späten 1. Jahrhundert v. Chr. entdeckt wurden, berichten die Archäologen.
Auch die Hochgebirgsregion im Norden Italiens wollte sich die antike Großmacht einverleiben: In den Jahren 16 und 15 v. Chr. setzte ein Feldzug den Schlusspunkt hinter die Eingliederung der heutigen Schweiz ins Römische Reich. Dabei marschierten die Truppenverbände in einer Art Zangenbewegung über Täler und Pässe des Alpenbogens, um die Region möglichst effizient zu erobern. Vom Widerstand der Bewohner zeugt dabei der Fundort Crap Ses zwischen Cunter und Tiefencastel in Graubünden. Seit 2021 hat dort ein Ausgrabungsprojekt des Archäologischen Dienstes Graubünden und der Universität Basel Spuren eines Gefechts zutage gefördert: Schuhnägel, Waffenteile und Gürtelschnallen stammen dabei von der Seite der römischen Invasoren. Charakteristische Schwerter und Lanzenspitzen werde dagegen den lokalen Truppen zugeordnet.
LiDAR deckt Geheimnisse der Landschaft auf
Wie der Kanton Graubünden in einer Mitteilung zu dem Projekt berichtet, hat nun die Freischaltung digitaler Geländemodelle auf der Grundlage von LiDAR-Daten (Light Detection and Ranging) zu der neuen Entdeckung in der Fundregion geführt: Im Herbst 2023 identifizierte ein ehrenamtlicher Mitarbeiter auf den hochauflösenden Darstellungen auffällige Geländestrukturen. Sie legten nahe, dass die Bergkuppe von Colm la Runga einst befestigt war. Sie liegt rund 900 Höhenmeter über dem antiken Gefechtsfeld und damit insgesamt 2200 Meter über dem Meeresspiegel.
Die anschließenden Untersuchungen vor Ort bestätigten dann, dass es sich um ein römisches Höhen-Lager gehandelt hat, das durch drei Gräben und einen Wall geschützt war. Zu den bisherigen Funden gehören Waffen und Ausrüstungsteile römischer Soldaten, darunter Schuhnägel und Schleuderbleie. Diese Munition trug dabei den Stempel jener 3. Legion, die auch am Gefecht von Crap Ses beteiligt war. Somit ist davon auszugehen, dass es einen engen Zusammenhang zwischen dem nahegelegenen antiken Gefechtsfeld und dem neu entdeckten Militärlager gegeben hat, sagen die Archäologen.
Strategisch klug gewählt
Ihnen zufolge erscheint auch klar, warum die Römer sich die hochgelegene Bergkuppe als Lagerplatz gewählt haben: Der Standort lag strategisch besonders günstig. Denn von hier aus bietet sich ein weiter Panoramablick in die wichtigsten umliegenden Täler: das Landwassertal, das Albulatal, das Domleschg und das Surses. Bedeutend ist den Experten zufolge außerdem, dass sich durch die Entdeckung auf dem Colm la Runga nun der Vormarsch der römischen Streitkräfte vor rund 2000 Jahren klarer abzeichnet: Er führte die Truppen demnach über den Bergell, den Septimerpass bis in die Gegend von Tiefencastel – und von dort weiter in Richtung Chur und das Alpenrheintal.
„Die sensationelle Auffindung eines römischen Militärlagers in Graubünden verdeutlicht einmal mehr, dass die archäologische Erforschung der “römischen Schweiz“ weiterhin großartige Überraschungen bereithält“, schreibt der Kanton Graubünden.
Quelle: Kanton Graubünden