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Poströmischer Transformation auf der Spur

Archäogenetik

Poströmischer Transformation auf der Spur
Darstellung der Hochzeit der Königin der Langobarden mit dem Herzog von Turin im Jahre 590. © Wikimedia Commons/Public Domain

Wie entstanden nach dem Ende der Antike neue Gesellschaften in den einst römischen Regionen, die nun von „Fremden“ beherrscht wurden? Diese Frage beleuchtet eine genetische Untersuchung von Bewohnern Norditaliens nach der Eroberung durch die Langobarden ab der Mitte des 6. Jahrhunderts. Im Erbgut der Menschen spiegelt sich demnach wider, dass Mitglieder der ansässigen Bevölkerung bald in die Eliten der neuen Machthaber aufgenommen wurden und der Stabilität des neuen Königreichs der Langobarden dienten.

Es war eine turbulente Ära, die den Lauf der Geschichte Europas nachhaltig veränderte: Im Zuge der sogenannten Völkerwanderung und dem Ende der Antike eroberten germanische Volksgruppen Teile des ehemaligen Weströmischen Reiches und etablierten dort neue politische Systeme. Als eine besonders wichtige Zäsur gilt dabei der Einfall der Langobarden aus dem heutigen Westungarn und Ostösterreich in Italien im Jahre 568 n. Chr. Sie gründeten dort schließlich ein Königreich, das fast 200 Jahre lang Bestand hatte. Die Bezeichnung der norditalienischen Region Lombardei geht noch auf diese Zeit zurück.

Besatzung – und dann?

Die Machtübernahme und Einwanderung der Langobarden ist aus überlieferten Texten gut belegt. Grundsätzlich ist klar, dass die Eroberer dabei die Schlüsselpositionen der Macht in Italien mit ihren Führungspersönlichkeiten besetzten. In den ländlichen Gebieten geschah dies durch die Etablierung einer kriegerischen Oberschicht, um die früheren Landbesitzer zu ersetzten. Doch welche Prozesse dabei genau abgelaufen sind, bleibt unklar: Wurden auch Ortsansässige in die langobardische Führungsschicht integriert und inwieweit passten sich die Fremden der christlichen spätrömischen Gesellschaft Norditaliens an? Dieser Frage ist nun ein internationales Forschungsteam am Beispiel der Gemeinschaft von Collegno im Nordwesten Italiens nachgegangen, die in der Frühphase der langobardischen Besetzung am Ende des 6. Jahrhunderts gegründet wurde.

„An dieser recht kleinen Gemeinschaft, die wohl im Dienst des Langobardenkönigs eine Fernstraße bewachte, können wir beispielhaft die Folge eines Eroberungszuges im spätantiken Italien verfolgen“, erklärt Pohl. Die Ergebnisse der Studie basieren auf der Kombination traditioneller historischer und archäologischer Funde mit paläogenetischen Analyseergebnissen: Das Team untersuchte dazu die Genome aus den Überresten von insgesamt 52 Mitgliedern der lokalen Oberschicht, die auf dem Friedhof von Collegno vom 6. bis zum 8. Jahrhundert bestattet wurden. So konnten die Forschenden Verwandtschaftsverhältnisse und das genetische Erbe der Toten beleuchten.

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Früher Integrationsprozess

Wie das Team berichtet, ergaben die genetischen Untersuchungen, dass die Mehrheit der in Collegno begrabenen Personen zwar tatsächlich langobardisches Gen-Erbe trugen. Doch es zeichnet sich auch ab, dass eine der Gründerfamilien mediterraner, also römischer Herkunft war. Diese Gruppe, deren Gräber ebenfalls mit kostbaren Waffen ausgestattet waren, wurde demnach offenbar in die militärische Führungsschicht der Langobarden integriert. In der Folge kam es dann auch zu Eheverbindungen und allmählicher genetischer Vermischung, berichten die Forschenden. „Die archäogenetischen Befunde legen nahe, dass Mitglieder der ansässigen Bevölkerung bald in die neuen Eliten aufgenommen wurden und sogar dabei halfen, das Königreich der Langobarden zu schützen und zu verwalten“, sagt Co-Autor Walter Pohl vom Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien.

Was die umgekehrte Beeinflussung der lokalen Kultur auf die Langobarden betrifft, lieferten spezielle Funde in einigen Gräbern Hinweise, berichten die Forschenden: Sogenannte Goldblattkreuze belegen den christlichen Glauben der Bestatteten aus der langobardisch geprägten Oberschicht. Es handelt sich dem Team zufolge dabei um ein Zeichen der religiösen Integration der Fremden aus dem Norden in die spätantike beziehungsweise frühmittelalterliche Gesellschaft Norditaliens. Letztlich ergibt sich ein Bild der Entwicklung der Gemeinschaft, das von sozialer und kultureller Integration geprägt ist. „Es war offenbar nicht einfach so, dass eine Truppe von Eroberern aus dem Norden die ansässige Bevölkerungsmehrheit unterworfen hätte und in Abhängigkeit hielt“, so Pohl abschließend.

Quelle: Österreichische Akademie der Wissenschaften

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