Zeugnis römischer Wohnkultur: Archäologen haben in Pompeji ein zunächst bescheiden wirkendes Haus entdeckt, das aber ähnlich elegant dekoriert war wie größere Nachbargebäude. Neben besonders schönen Fresken mit mythologischen und erotischen Szenen stieß das Team dort auch auf einen reich verzierten Hausaltar. Darin entdeckten sie noch Reste des letzten Opferrituals vor dem Untergang der Stadt.
Die Erde bebte, dann explodierte die Kuppe des Vulkans und die Katastrophe nahm ihren Lauf: Im Zuge des Vesuv-Ausbruchs im Jahr 79 n. Chr. wurde die römische Stadt Pompeji unter einer gewaltigen Schicht aus Schutt und Asche begraben. Jahrhunderte später avancierte dieses antike Unglück dann bekanntlich zum archäologischen Glücksfall: Seit dem 18. Jahrhundert haben systematische Grabungen in Pompeji spektakuläre Einblicke in das Stadtleben im Römischen Reich ermöglicht. Doch obwohl mittlerweile große Teile der Stadt freigelegt wurden, ist das archäologische Potenzial noch nicht erschöpft: In einigen Bereichen liegen noch Strukturen unter Ablagerungen verborgen und warten auf ihre Entdeckung.
Die aktuellen Funde stammen nun von Ausgrabungen auf dem Areal der „Insula dei Casti Amanti“ im Zentrum Pompejis. Es handelt sich dabei um einen Gebäudeblock der Stadt, der mehrere Wohneinheiten umfasste. In einer Ecke des Komplexes stieß das archäologische Team auf die Reste eines ungewöhnlichen Hauses. Es ist mit einer Fläche von etwa 120 Quadratmetern relativ klein. Außerdem verfügt es nicht über ein typisches Bauelement der pompejanischen Häuser der gehobenen Klasse: das oft durch Säulen eingefasste und mit einem Wasserbecken ausgestalte Atrium. Theoretisch wäre der Einbau einer kleinen Version möglich gewesen, sagen die Experten. Dass ein Atrium fehlt, passt ihnen zufolge aber zu weiteren Hinweisen darauf, dass man sich in der pompejanische Gesellschaft im ersten Jahrhundert n. Chr. teilweise von solchen Traditionen löste.
Elegante Wanddekorationen
Wie sich zeigte, war das Haus nicht etwa generell bescheidener als die größeren mit Atrien ausgestatteten Einheiten der Insula dei Casti Amanti. Denn es verfügt über ebenso hochwertige Wandmalereien wie etwa das angrenzende Nachbarhaus Casa dei Pittori al Lavoro. Das auffälligste Kunstwerk hat dem neu identifizierten Haus nun den Namen Casa di Fedra eingebracht. Es handelt sich um ein Fresko an der Wand eines Raumes im hinteren Teil des Gebäudes. Es zeigt eine Szene der tragischen Geschichte von Phaedra und Hyppolytus aus der griechischen Mythologie, die von unerwiderter Liebe, Selbstmord und Rache handelt.
Im gleichen Raum sind an den prächtig mit Ornamenten verzierten Wänden weitere Darstellungen aus der klassischen Mythologie zu sehen. Ein Fresko zeigt eine sogenannte Symplegma-Szene: ein erotisches Techtelmechtel zwischen einem Satyr und einer Nymphe.
Außerdem gibt es noch ein Gemälde, das ein göttliches Paar darstellt – vermutlich Venus und Adonis. Ein drittes Fresko des Raumes ist allerdings beschädigt und nicht eindeutig zuzuordnen. Vermutlich zeigte es aber das Urteil des Paris, das den Sagen zufolge letztlich zum Trojanischen Krieg führte.
Ein Schrein mit Spuren der letzten Opfergabe
Wie das Team berichtet, besaß das Haus zwar kein Atrium, aber immerhin eine Art kleinen Innenhof, in dem sich ein Becken mit rot bemalten Wänden befand, das in Verbindung mit einer Zisterne stand. Im Eingangsbereich dieses Hofs fanden die Archäologen ein sogenanntes Lararium mit eleganten Dekorationen. Dabei handelt es sich um einen Kultschrein mit einer Nische für Opfergaben, der den Schutzgeistern des Hauses beziehungsweise der Familie gewidmet war.
Im oberen Teil des Larariums ist ein Raubvogel zu sehen, der einen Palmzweig in den Krallen hält. Im unteren Teil sind zwei Schlangen dargestellt, die sich gegenüberstehen und einen Altar einrahmen, auf dem Opfergaben – unter anderem ein Ei – zu erkennen sind.
Auch in der Nische des Kultschreins machte das Team interessante Entdeckungen: Sie fanden ein Weihrauchgefäß, eine Lampe und ein Messer, das in einem runden Haken endet, an dem es aufgehängt werden konnte. Diese Gegenstände kamen bei den Opfergaben für die Hausgeister zum Einsatz, erklären die Experten.
Durch Laboranalysen konnten in Materialien aus der Nische außerdem die Spuren von Zweigen aromatischer Pflanzen identifiziert werden, sowie Reste einer getrockneten Feige. Diesen Funden kommt damit geradezu ein symbolischer Charakter zu: Es handelt sich offenbar um die Spuren der letzten Opfergabe in der Casa di Fedra vor dem Ausbruch des Vesuvs.
Quelle: Parco Archeologico di Pompei