Vor rund 3000 Jahren reichten die Seefahrtsrouten und Handelsstützpunkte der Phönizier bis zur Iberischen Halbinsel. Doch dort scheinen die Einheimischen die Neuankömmlinge aus der Levante wenig begeistert empfangen zu haben, wie nun die Entdeckung eines enormen Festungsgrabens um eine phönizische Siedlung an der Südostküste Spaniens belegt. Ähnlich aufwändige Festungsbauten waren bisher nur aus dem Kernland der Phönizier bekannt.
Das Territorium der Phönizier erstreckte sich eigentlich nur über einen Verbund von Stadtstaaten in der Levante. Doch dank ihrer weitentwickelten Kenntnisse und Fähigkeiten in Seefahrt und Handel dominierten sie in der Zeit von 1000 bis etwa 600 vor Christus weite Teile des mediterranen Seehandels. Ihre Schifffahrtsrouten und Handelsstützpunkte reichten von den benachbarten Reichen der Ägypter, Hethiter und Assyrer bis ins westliche Mittelmeer. Wrackfunde phönizischer Handelsschiffe zeugen davon, dass die Phönizier auch die Küsten Spaniens erreichten. Dort lockten vor allem Vorkommen von Metallerzen die phönizischen Händler.
Befestigungen gegen die Angriffe der Nachbarn
Jetzt belegt eine Entdeckung in der spanischen Region Valencia, dass die damaligen Bewohner der Iberischen Halbinsel die phönizischen Neuankömmlinge nicht unbedingt mit offenen Armen in Empfang nahmen – eher im Gegenteil. Belege dafür haben Archäologen um Fernando Prados vom Institut für Archäologie der Universität Alicante in den Überresten einer alten phönizischen Siedlung nahe der heutigen Stadt Guardamar del Segura gefunden. Zwar wurden drei Viertel dieser Cabezo Pequeño del Estaño genannten Siedlung in den 1990er Jahren durch einen Steinbruch zerstört. Auf Luftaufnahmen der Gegend vor dieser Zerstörung konnten die Archäologen jedoch Hinweise auf die Existenz einer Befestigung rund um die alte Stadt erkennen.
Um diesen Hinweisen auf den Grund zu gehen, haben Prados und sein Team in diesem Jahr neue Ausgrabungen am Rand von Cabezo Pequeño del Estaño durchgeführt. Dabei stießen sie auf die überraschend gut erhaltenen Überreste eines der Befestigungsmauer vorgelagerten Grabens. “Diese Befestigungsanlagen sind riesig und noch weitgehend intakt”, berichtet Prados. An den Wänden des drei Meter tiefen und acht Meter breiten Grabens seien sogar noch die Meißelspuren zu erkennen, mit denen die Arbeiter einst diese Senke in den harten Untergrund trieben.
Hinweis auf Bedeutung dieses Stützpunkts
Wie die Archäologen berichten, war bisher nur eine Befestigungsanlage der Phönizier aus dem westlichen Mittelmeerraum bekannt. Diese liegt im Umfeld des Castillo de Doña Blanca in Cadiz. Der aktuelle Fund des Wallgrabens belege nun, dass solche Befestigungsbauten damals offenbar kein Einzelfall waren. Die Art der Befestigung in Cabezo Pequeño del Estaño sei jedoch für diese Region einzigartig, erklären Prados und sein Team. Schutzbauten gleicher Art finde man erst wieder in den phönizischen Städten des Nahen Ostens, beispielsweise in Tell Dor in Israel oder in Beirut im Libanon.
Nach Ansicht der Forscher deutet die Größe und für das westliche Mittelmeer ungewöhnliche Bauweise der Befestigungen in Cabezo Pequeño del Estaño darauf hin, dass dieser Ort für die phönizische Kolonisierungspolitik auf der Iberischen Halbinsel des 9. bis 8. Jahrhunderts v.Chr. eine wichtige Rolle spielte. Gleichzeitig demonstrieren die Befestigungen, dass die Einheimischen den Neuankömmlingen nicht unbedingt freundlich gesinnt waren. Offenbar rechneten die phönizischen Siedler mit Angriffen ihrer Nachbarn.
Quelle: Universität von Alicante