Unterwasser-Archäologen haben im berühmten Schiffswrack von Antikythera neue Entdeckungen gemacht. Sie wurden möglich, nachdem einige tonnenschwere Felsblöcke von einem zuvor unzugänglichen Teil des Wracks entfernt worden waren. Unter den dabei freigelegten neuen Funden sind der Kopf einer marmornen Herkules-Statue, Teile eines Schiffsankers sowie zwei menschliche Zähne. Letztere sind besonders spannend, weil aus ihnen Erbgut der antiken Seefahrer extrahiert werden könnte, das Auskunft über deren Herkunft gibt.
Vor mehr als 2.000 Jahren sank vor der griechischen Insel Antikythera einer der größten Frachter der Antike. Das gut 50 Meter lange Schiff war beladen mit Luxusgütern aus Kleinasien, die für wohlhabende Römer bestimmt waren. Das Wrack dieses Schiffes wurden im Jahr 1900 von Schwammtauchern entdeckt, in den folgenden Jahren bargen Taucher zahlreiche antike Funde, darunter Silbergeschirr, Keramik, Glasgefäße sowie Statuen aus Bronze und Marmor, die römische Götter und antike Sagengestalten darstellen. Am spektakulärsten und bekanntesten ist jedoch der Antikythera-Mechanismus, ein kompliziertes bronzenes Instrument, das Planetenkonstellationen und Himmelsereignisse darstellen konnte.
Felsblöcke, ein Statuensockel und der Kopf des Herkules
Doch noch ist das Wrack von Antikythera längst nicht vollständig erkundet. Unter anderem deshalb führen Unterwasser-Archäologen im Auftrag der griechischen Archäologiebehörden seit einigen Jahren neue Tauchgänge zum Schiffswrack im Rahmen des Projekts “Return to Antikythera” durch. Ziel ist es, mehr Erkenntnisse über das Schiff, seine Fracht und die Umstände seines Sinkens zu erhalten. Vom 23. Mai bis 15. Juni 2022 fanden die jüngsten Forschungstauchgänge zum Wrack statt. Dabei nutzten die Taucher zunächst spezielle Geschirre und mit Druckluft gefüllte Ballons, um mehrere bis zu 8,5 Tonnen schwere Felsblöcke wegzuschaffen, die zuvor einen Teil des Schiffswracks bedeckten.
Dadurch konnten die Unterwasser-Archäologen unter Leitung von Alexandros Sotiriou von der Universität Genf erstmals auch zuvor unzugängliche Teile des Antikythera-Wracks untersuchen – und weitere antike Funde machen. Unter ihnen ist der Sockel einer Marmorstatue mit den unteren Beinpartien einer Figur. Außerdem stießen die Taucher auf den aus Marmor gefertigten überlebensgroßen Kopf eines bärtigen Mannes. Aus der Ausgestaltung der Gesichtszüge schließen die Archäologen, dass es sich um eine Darstellung des Herkules vom sogenannten Farnese-Typus handelt. Ihren Angaben nach könnte dies der fehlende Kopf der 1900 im Wrack entdeckten kopflosen Figur des sogenannten “Herakles of Antikythera” sein.
Zahnfunde könnten Auskunft über die Besatzung geben
Von besonderer Bedeutung sind zwei menschliche Zähne, die die Taucher in einem festen Konglomerat aus marinen Ablagerungen, Kupferfragmenten, Holzresten und anderen Materialien entdeckten. Bisher wurden im Wrack kaum Relikte der einstigen Besatzung gefunden, nur 2016 gelang den Archäologen die Bergung eines unvollständigen Skeletts. Ob die beiden jetzt gefundenen Zähne zu diesem Skelett oder einem anderen Individuum gehören, ist noch unklar. Die Forscher hoffen aber, durch genetische und isotopische Analysen der Zähne mehr Aufschluss über seinen einstigen Träger zu bekommen. Denn gerade Zähne können über lange Zeit solche Informationen konservieren.
Zusätzlich wurden im Wrack von Antikythera auch Teile der antiken Schiffsausrüstung gefunden, darunter zahlreiche Nägel aus Bronze und Eisen, die Bleiummantelung eines hölzernen Ankers und mehrere amorphe eisenhaltige Verklumpungen, die noch näher untersucht werden müssen. Mittels Röntgenanalysen wird sich feststellen lassen, was sich in diesen Gebilden verbirgt, wie das Team erklärt. Alle Funde, ihre Position sowie die freigelegten Wrackteile wurden vor Ort dokumentiert und digital erfasst. Sie sollen dann in ein 3D-Modell des Schiffswracks integriert werden, dass zurzeit entwickelt wird. Die Fundstücke aus dem Wrack wurden zur weiteren Analyse in Speziallabore der griechischen Behörde für Unterwasser-Archäologie gebracht.
Quelle: Projekt “Return to Antikythera”