Die Müllhalden der spätantiken Stadt Elusa im heutigen Israel haben Archäologen Einblick in den Niedergang des byzantinischen Reiches gewährt. Die Datierungen von Funden belegen, dass die Siedlung um die Mitte des 6. Jahrhunderts plötzlich die römisch-byzantinischen Standards verlor. Als Ursache sehen die Forscher die Auswirkungen der spätantiken kleinen Eiszeit und der Justinianischen Pest, die mit dem Niedergang der Stadt zusammenfallen. Interessanterweise hatte der Zerfall deutlich vor der islamischen Eroberung begonnen, denn die byzantinische Kontrolle über die Region endete erst etwa ein Jahrhundert nach dem Zerfall der städtischen Infrastruktur und Organisation.
Byzanz war aus dem Ostteil des römischen Reiches hervorgegangen: In der Spätantike beherrschte es von der Hauptstadt Konstantinopel aus lange Zeit noch die südöstlichen Teile des einstigen Imperiums. Doch ab dem 6. Jahrhundert setzte dann ein starker Zerfallsprozess ein. Später verlor Byzanz dann große Teile seiner südöstlichen Territorien an die islamischen Eroberer. Als mögliche Faktoren für die soziopolitischen Probleme des byzantinischen Reiches gelten die schlechter werdenden klimatischen Bedingungen im Zuge der sogenannten kleinen Eiszeit zwischen 536 und etwa 660 n. Chr.. Zudem suchte im Jahre 541 eine apokalyptische Epedemie die spätantike Welt heim: Die sogenannte Justinianischen Pest raffte Schätzungen zufolge möglicherweise die Hälfte der Bevölkerung des Oströmischen Reiches dahin.
Für die zeitlichen Zusammenhänge des Zerfalls der spätantiken Strukturen und diesen Ereignissen gibt es bislang allerdings nur wenige handfeste Belege. Die Studie der Forscher um Guy Bar-Oz von der University of Haifa präsentiert nun neue Hinweise zu den Entwicklungen in dieser interessanten Epoche. Sie stammen aus der Untersuchung der Überreste einer byzantinischen Stadt, die einst ein lokales Zentrum im Südosten des Reiches gebildet hat. Die aus mehreren Untereinheiten aufgebaute Siedlung erstreckte sich zu seiner Blütezeit über eine Fläche von etwa 39 Hektar in der Negev-Wüste im Süden der Levante.
Müllberge spiegeln Stadtgeschichte
Es gab ein Theater, Kirchen, öffentliche Bäder und die Reste von Töpferwerkstätten verdeutlichen zudem die Produktivität der Siedlung. Im Umland sorgte Landwirtschaft mit hochentwickelten Bewässerungssystemen für Erträge vor allem im Weinbau. Dass es sich bei Elusa um eine typische spätantike Stadt mit fortgeschrittener Organisation gehandelt hat, geht zudem aus besonderen Strukturen hervor, berichten die Forscher: Große Müllhalden am Ortsrand dokumentieren, dass es in Elusa auch eine organisierte Beseitigung von Abfall gab.
Im Rahmen ihrer Studie haben die Wissenschaftler vier Abfallbergen ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet: Sie führten umfangreiche Ausgrabungen durch und analysierten die Funde. Wie sie berichten, fanden sie eine Fülle von Keramikscherben aus der frühen und mittleren byzantinischen Zeit – etwa von 350 bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. Die zeitliche Obergrenze deckte sich mit Ergebnissen der Radiokarbondatierungen von Saatgut und Holzkohle aus den Halden: Nach der Mitte des 6. Jahrhunderts wurde kaum noch etwas auf den Abfallbergen deponiert. Die Forscher folgern daraus, dass in dieser Zeit die organisierte Müllbeseitigung in Elusa recht plötzlich zum Erliegen gekommen war. Darin spiegelt sich ihnen zufolge der Zerfall des einst hochentwickelten städtischen Systems und der Verwaltung wider.
Zerfall lange vor der Eroberung
Diese Entwicklung fällt somit eindeutig in die Periode der kleinen Eiszeit und der Justinianischen Pest, die damit als plausible Verursacher des Kollapses erscheinen. Es ist gut vorstellbar, dass die klimatischen Veränderungen die Landwirtschaft in der Region stark beeinträchtigt haben und in Kombination mit dem Verlust vieler Menschen durch die Pest zu einem Kollaps der spätantiken Standards geführt haben. Bei dem Schicksal von Elusa könnte es sich um ein Beispiel für die Entwicklungen in den urbanen Zentren der Region gehandelt haben, sagen die Forscher.
Wie sie berichten, gehörte Elusa nach seinem Niedergang noch etwa hundert Jahre lang zum byzantinischen Reich. Was von der Siedlung noch übrig war, gelangte danach schließlich in den Herrschaftsbereich der islamischen Eroberer. Irgendwann wurde Elusa dann schließlich aufgegeben. Wie die Forscher in diesem Zusammenhang betonen, wird der Verfall des byzantinischen Reichs und der Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter oft mit der Ausbreitung der islamischen Herrschaft im nahen Osten verknüpft. Doch wie die aktuellen Ergebnisse nun erneut dokumentieren, war Byzanz zu dieser Zeit wohl schon lange nicht mehr das, was es einmal gewesen war.
Quelle: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1900233116