Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Kalkschichten erzählen antike Fabrikgeschichte

Römerzeit

Kalkschichten erzählen antike Fabrikgeschichte
Künstlerische Darstellung der Mühlen von Barbegal, © Cees Passchier. Der Ausschnitt zeigt ein gefundenes Karbonatfragment ©: Philippe Leveau.

Was uns in Spülmaschine und Co. Probleme bereitet, kann Einblicke in archäologische Geheimnisse gewähren, zeigt erneut eine Studie: Eine Analyse von Kalkablagerungen hat Hinweise auf die Entwicklungsgeschichte des römischen Wassermühlen-Komplexes von Barbegal geliefert. In den Ergebnissen spiegeln sich technische Anpassungen, die Nutzungsweise sowie der Niedergang der fabrikartigen Anlage wider, berichten die Forschenden.

Der erstaunliche Komplex im heutigen Südfrankreich lieferte vor rund 1800 Jahren wohl täglich tonnenweise Mehl: Die Mühlenanlage von Barbegal gilt als eines der ältesten Bespiele industrieller Produktion der Geschichte. Im Gegensatz zu den typischen kleinen Einheiten im Römischen Reich handelte es sich um eine Stätte zur Massenverarbeitung von Getreide. Es gibt Hinweise darauf, dass die Anlage etwa 100 Jahren lang genutzt wurde, um die Mittelmeerhäfen der Region mit Mehl für die Herstellung von Schiffszwieback zu beliefern. Aus der Erforschung der Überreste ist bekannt, dass der in einen Hang gebaute Komplex 16 Mühlräder umfasste, die zu jeweils acht in zwei parallelen Gebäudereihen übereinander angeordnet waren. Von oben wurde die Anlage über ein Aquädukt mit Wasser versorgt, das nacheinander auf die Mühlräder geleitet wurde.

Vom einstigen Wasserfluss gebildet

Schon seit einiger Zeit widmet sich das Team um Cees Passchier von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz der Erforschung der Funktionsweise und Entwicklungsgeschichte der Anlage. Erneut haben nun besondere Funde aus der Anlage weitere Hinweise geliefert: Kalkablagerungen. Gemeinsam mit internationalen Kollegen haben Passchier und sein Team Karbonatstücke aus dem Mühlenkomplex von Barbegal untersucht, die im Archäologischen Museum in Arles aufbewahrt wurden. Wie sie erklären, handelt es sich um Fragmente von Ablagerungen, die sich einst auf Wänden und Böden der hölzernen Rinnen der Anlage durch den Wasserfluss gebildet haben.

Zunächst musste das Team die etwa 140 Karbonatstücke wie Puzzleteile zu den einst zusammenhängenden Elementen vereinigen. Anschließend wurden die von feinen Schichten geprägten Ablagerungen mittels Massenspektrometrie analysiert. Den Forschenden zufolge stammten die größten Karbonatelemente von drei hölzernen Rinnen, die offenbar in der letzten Phase der Nutzung der Anlage drei der 16 Mühlräder mit Wasser versorgt haben. Wie das Team berichtet, konnte die Untersuchung dieser Elemente zunächst Licht auf eine bisher ungeklärte Frage werfen: Wurde die Anlage stets komplett betrieben oder kamen die 16 Wasserräder auch unabhängig voneinander zum Einsatz? Nun zeigte sich, dass sich die Schichten der drei untersuchten Wasserrinnen deutlich voneinander unterscheiden. Damit scheint klar: Zumindest in der letzten Nutzungsphase wurden die Mühlräder offenbar auch separat betrieben.

Anzeige

Anpassungen auf der Spur

Die Analysen der Ablagerungen lieferten außerdem Hinweise auf Anpassungen des technischen Systems. Denn aus einem Befund leiten die Forschenden ab, dass zumindest ein Wasserrad durch ein größeres ersetzt wurde. Den Hinweis lieferte dabei die merkwürdige Form einer Karbonatschicht, die sich in einer der Wasserrinnen gebildet hat, die einst dieses Rad mit Wasser versorgte: Während die unteren, älteren Schichten auf ein niedriges Wasserniveau schließen ließen, lagerten sich die neueren Schichten bis in eine größere Höhe in der Rinne ab. Dies führt das Team darauf zurück, dass die Lage des Zulaufs angepasst wurde: von ursprünglich steil und daher mit niedrigem Wasserstand zu einer flacheren Ausrichtung mit einem höheren. Diese Veränderung war offenbar durch einen Ausbau nötig geworden, erklären die Forschenden. „Sinnvoll ist eine solche Änderung nur, wenn ein größeres Wasserrad verwendet wird”, sagt Passchier. Ein spezielles Karbonatstück, das sich offenbar einst an dem Wasserrad selbst gebildet hat, bestätigte diese Annahme: Denn es weist nicht alle Karbonatschichten auf, sondern nur die letzten des Stücks aus der Rinne, berichtet das Team.

Auch Hinweise auf die Nutzungsdauer der letzten hölzernen Strukturen der Anlage konnten die Forschenden anhand der Untersuchungen der Karbonatschichten gewinnen. Die Ergebnisse basieren dabei auf einer Isotopenanalyse. Denn der Sauerstoff in dem Material umfasst Isotope, die je nach Wassertemperatur in einem anderen Verhältnis vorliegen. Durch die Analyseergebnisse konnten die Forschenden deshalb bestimmte Schichten Jahreszeiten zuordnen. Daraus ergab sich wiederum: Die Ablagerungen wurden über einen Zeitraum von sieben bis acht Jahren in den Wasserkanälen abgelagert.

Dabei machte das Team auch Entdeckungen, die verdeutlichen, dass die Karbonatstücke aus der Endphase der Nutzung der Anlage stammen: “Die oberste und damit jüngste Karbonatschicht enthält Muschelschalen und Holzstückchen, sagt Passchier. Die Forschenden führen dies auf fehlende Wartungsarbeiten und die Bruchstücke zerfallender Holzstrukturen der Anlage zurück. In den Befunden spiegelt sich also die Aufgabe der Mühle wider. „Zwar lief das Wasser zunächst weiter, wodurch sich auch das Karbonat weiterhin ablagerte, doch wurde der Zulauf nicht mehr regelmäßig gesäubert”, erklärt Passchier.

Die Studie hat somit einen wichtigen Beitrag zum Wissen über die erstaunliche „Industrieanlage“ aus dem des 2. Jahrhundert n. Chr. geleistet. Dazu sagt Passchier abschließend: “Wir konnten zeigen, dass sich die Entwicklungsgeschichte einer Wassermühle über Karbonat rekonstruieren lässt”, so der Wissenschaftler.

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Fachartikel: Geoarchaeology, doi: 10.1002/gea.22016

Anzeige
DAMALS | Aktuelles Heft
DAMALS in den sozialen Medien
Bildband DAMALS Galerie
Der Podcast zur Geschichte

Geschichten von Alexander dem Großen bis ins 21. Jahrhundert. 2x im Monat reden zwei Historiker über ein Thema aus der Geschichte. In Kooperation mit DAMALS - Das Magazin für Geschichte.
Hören Sie hier die aktuelle Episode:
 
Anzeige
Wissenschaftslexikon

Pflan|zen|schutz|mit|tel  〈n. 13〉 Mittel, meist chemischer Stoff, zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten, –schädlingen u. Unkräutern bei Kultur– u. Nutzpflanzen; →a. Pestizid … mehr

Nach|spiel  〈n. 11〉 1 kurzes Theater– od. Musikstück als Abschluss eines größeren Stückes 2 〈fig.〉 Folgen … mehr

Dribb|ler  〈m. 3; Sp.〉 technisch versierter Spieler, der gut dribbeln kann

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige