Das Historische Museum der Pfalz in Speyer führt uns in einer eindrucksvollen Ausstellung auf die Spur der Hexen. Wer bereit ist, sein „sicheres“ Wissen über Hexen zu testen, sich gleichzeitig informieren und im besten Sinn unterhalten zu lassen, wird dort bestens bedient.
Reiten Hexen auf dem Besenstiel? Haben sie einen Pferdefuß und tun kleinen Mädchen und Buben Böses an, wie Kinder vermuten? Oder gehören sie ins „finstere Mittelalter“, wurden vor allem von Priestern verfolgt, waren weiblich, vielleicht gar „weise Frauen“, die Kenntnisse über Schwangerschaftsverhütung – alternativ „germanisches“ Wissen – bewahrten und damit der katholischen Kirche ein Dorn im Auge waren, wie viele Erwachsene meinen? Zur Frage derartiger hartnäckiger Klischees äußert sich die Ausstellung in Speyer entschieden und aufklärend. Die Ursprünge der Vermutung, die römisch-katholische Kirche habe durch die Hexenverfolgung „germanische“ Wurzeln nördlich der Alpen kappen wollen, verortet sie bei den Gebrüdern Grimm; nach 1933 gehörte sie dann zum Repertoire Heinrich Himmlers & Co. Bismarck dagegen passten Hexen-Klischees ausgezeichnet in seinen antikatholischen Kulturkampf: Die Hexenverfolgungen wurden als Ausgeburt römisch-katholischer Machenschaften an den Prager gestellt.
Die Entlarvung derartiger Mythen liegt den Ausstellungsmachern sehr am Herzen. So konnten die „Satansbräute“ beispielsweise durchaus auch Kinder oder Männer sein, und die deutliche Mehrheit der „Hexenprozesse“ wurde mitnichten durch kirchliche, sondern vielmehr durch weltliche Instanzen angestrengt – nicht nur von katholischen, sondern auch von protestantischen. Schritt für Schritt wird der Besucher in Speyer in die Welt der Hexenverfolgung eingeführt und lernt eine Zeit kennen, die durch religiöse Verunsicherung in Verbindung mit säkularem Fortschritt und (neuartiger) Rationalität geprägt war, die zudem gleichzeitig Kriege, Seuchen und Ernteausfälle als Folge der „kleinen Eiszeit“ erschütterten. Es stimmt nachdenklich zu sehen, in welche Abgründe von Diffamierung und Verdächtigung der historische Wandel Menschen stürzen kann, eine gehörige Neigung zu Hysterie ist ja unserer eigenen Zeit ebenfalls nicht fremd.
Die Ausstellungsarchitektur ist äußerst gelungen – von diesem Haus erwartet man ja fast nichts anderes mehr. Vom ersten Schritt an wird deutlich, dass er sich einerseits in einer wissbegierigen, ja wissenschaftlich ausgerichteten frühneuzeitlichen Welt bewegt. Von hinten beleuchtete hohe Bibliotheksregale stehen für diesen Aspekt, während andererseits in Vitrinen gleichzeitig der virulente Aberglauben dieser Zeit aufgezeigt wird: Zahlreiche Exponate veranschaulichen die Magiegläubigkeit der frühen Neuzeit, so etwa die Magensteine von Wiederkäuern oder der Hexengürtel des zehnjährigen Hans Zink aus Bettingen, mit dessen Hilfe – so dokumentiert es wenigstens die Gerichtsakte von 1629 – sich das Kind nachts in einen Hasen verwandeln konnte.
Eine Wohlfühlausstellung kann eine Beschäftigung mit dem Phänomen der Hexen natürlich nicht sein. Beklemmend wirkt etwa der Nachbau eines Scheiterhaufens oder der Anblick der Folterstühle, doch die Präsentation ist nie kitschig, und die Schwelle zur Sensationslust wird bewusst nicht überschritten. Der Scheiterhaufen samt Holzpfahl in der Mitte, an dem die „Hexe“ angebunden wurde, vermittelt einen Eindruck von den Dimensionen derartiger Konstrukte, doch verzichtet die Ausstellung dankenswerter Weise darauf, den schauerlichen Eindruck durch eine am Pfahl festgebundene Puppe verstärken zu wollen. Eine Vielzahl von Ideen setzt vielmehr das Vorstellungsvermögen und die Phantasie der Besucher frei: so eine mit unzähligen Wachskerzen bestückte Vitrine, auf der Votivgaben plaziert sind, die Andeutung von Zellen, in denen man Exponate besichtigen kann, ein Scharfrichtergewand… Die Ausstellung kombiniert zudem auf kluge Weise die – bemerkenswerte – Fülle an Exponaten (darunter selbstverständlich auch viele textliche und bildliche Auseinandersetzung mit Hexen und ihrer Verfolgung) mit Wandtexten und digitalem Informationsmaterial.
Die intensive Atmosphäre und die Befriedigung der inhaltlichen Neugier wirken zusammen, um die Besucher in dieser großen Ausstellung zu fesseln. Ihr bisheriger Erfolg – sie kann bereits mehr als 75.000 Besucher verzeichnen – ist hochverdient. Bis zum 2. Mai besteht noch die Gelegenheit, sie zu besichtigen. Ein Begleitbuch zur Ausstellung (Edition Minerva) fasst die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse zum Thema Hexen zusammen.
Eine Mitmach-Ausstellung des Jungen Museums Speyer: „Hexen – Krötenschleim und Spinnenbein“ lädt Kinder von vier bis zehn Jahren dazu ein, ein Hexenzauberdiplom zu erwerben und dabei gleichzeitig viel über die Welt der Hexen zu erfahren.