Als Machtsymbol wurden dem Herrscher abgetrennte Feindes-Hände präsentiert: Dieses bisher nur aus Darstellungen bekannte Ritual beleuchtet nun eine Untersuchung von Funden aus einem rund 3500 Jahre alten Pharaonen-Palast in Ägypten. Es handelt sich um die Überreste von zwölf abgetrennten Händen junger Erwachsener, die man offenbar „sauber präpariert“ und in eine „eindrucksvolle“ Stellung gebracht hatte. Vermutlich waren sie dem König im Rahmen einer Zeremonie präsentiert und anschließend im Vorhof des Thronsaals vergraben worden, sagen die Forscher.
Haufen aus menschlichen Händen liegen vor dem triumphierenden Pharao: Darstellungen dieser Szene sind aus Gräbern von hochrangigen Militärangehörigen und von Tempelwänden bekannt. Sie illustrieren eine „Ehrengold“ genannte Zeremonie, bei der der Herrscher seine siegreichen Soldaten zum Dank für die gruseligen Kriegstrophäen mit Goldschmuck ausgezeichnete. Diese Praktik wurde in der Zeit des Neuen Reiches üblich, stammte aber wohl schon aus der vorausgehenden zweiten Zwischenzeit des Reichs am Nil. Am Ende dieser Ära saßen fremdländische Herrscher auf dem Pharaonenthron: Die sogenannten Hyksos kontrollierten Ägypten zwischen 1640 und 1530 v. Chr. von ihrer Hauptstadt Avaris im östlichen Nildelta aus.
Bioarchäologischer Beleg
Von dort und aus der Ära der Hyksos stammen die Funde, über die das Team um Julia Gresky vom Deutschen Archäologischen Institut nun berichtet. Sie wurden im Jahr 2011 bei einer Ausgrabung unter der Leitung des Österreichischen Archäologischen Instituts in den Überresten des Palastes der einstigen Hyksos-Hauptstadt entdeckt. Es handelt sich um zwölf abgetrennte rechte Hände, die in altägyptischer Zeit in drei Gruben im Vorhof des Thronsaals begraben worden waren. Was genau es mit ihnen auf sich hatte, blieb allerdings unklar. Diesen Funden haben Gresky und ihre Kollegen deshalb nun eine detaillierte Untersuchung gewidmet.
Wie die Archäologen berichten, geht aus den Merkmalen der Handknochen hervor, dass sie von jungen Erwachsenen stammten. Bis auf einen unklaren Fall handelte es sich dabei um Männer. „Diese Hände wurden vermutlich nach dem Tod – noch auf dem Schlachtfeld abgetrennt“, sagt Gresky. Die weiteren Untersuchungsergebnisse sprechen den Forschern zufolge ebenfalls für Kriegstrophäen und nicht etwa für die Überreste von verstümmelnden Bestrafungen. Denn die Hände wurden offenbar geradezu chirurgisch behandelt: „Man hat sie sauber präpariert und von möglichen Resten des Unterarms befreit. Dies erfolgte mit größter Sorgfalt, ohne Schäden an den Handknochen selbst zu verursachen“, berichtet Gresky.
Für ein Ritual präpariert
Außerdem wurden die Hände in eine eindrucksvolle Stellung gebracht. Dazu wurden die Finger extra weit voneinander abgespreizt. Dies sollte vermutlich die typische Handstruktur betonen. Zudem erschienen dadurch wohl ihre Ausmaße größer – und somit auch die der erfolgreich besiegten Feinde, erklären die Wissenschaftler. „Der Ort, die Behandlung und der archäologische Kontext sprechen dafür, dass die abgetrennten Hände als Trophäen im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung im Palast dargeboten wurden“, resümiert das Team.
Es handelt sich somit um den ersten direkten bioarchäologischen Beleg für die vor dem Königspalast durchgeführte Zeremonie des “Ehrengoldes“. Offenbar wurde sie demnach bereits bei den Hyksos-Herrschern durchgeführt und avancierte dann im Neuen Reich zu einem typischen Teil der Kriegssymbolik und Machtdemonstration. Für die alten Ägypter besaß das gruselige Verfahren vermutlich auch noch eine spezielle Bedeutung, betonen die Wissenschaftler abschließend. Denn wie die Mumifizierungspraktiken verdeutlichen, war die körperliche Unversehrtheit von Toten für die Existenz im Jenseits sehr wichtig. Die Verstümmelung war für die Feinde Ägyptens damit eine Behandlung mit Konsequenzen, die über den Tod hinausgingen.
Quelle: Deutsches Archäologisches Institut, Fachartikel: Sci Rep, doi: 10.1038/s41598-023-32165-8