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Gewalt unter Wikingern auf der Spur

Archäologie

Gewalt unter Wikingern auf der Spur
Ein eingeschlagener Schädel zeugt von zwischenmenschlicher Gewalt in den Gemeinschaften der Wikinger. © Lisa Mariann Strand

Sie sind für ihre brutalen Überfälle auf andere Völker bekannt – doch welche Rolle spielte Gewalt in den Heimatgesellschaften der Wikinger? Aus den Ergebnissen einer interdisziplinären Studie geht nun hervor, dass es deutliche regionale Unterschiede gab. Demnach kam bei den Wikingern Norwegens zwischenmenschliche Gewalt deutlich häufiger vor als bei den Nachbarn im heutigen Dänemark. Die Forschenden liefern dabei Hinweise darauf, dass dort höher entwickelte Sozialstrukturen und Hierarchien vor unkontrollierter Gewalt in den Gemeinschaften schützten.

Brandschatzend überzogen sie von 800 bis 1050 n. Chr. immer wieder Teile Europas mit Angst und Schrecken: Die Wikinger gelten geradezu als ein Symbol für Kriegs- und Gewaltbereitschaft. Dass diese Aspekte tatsächlich eine wichtige Rolle für die einstigen Bewohner Skandinaviens spielten, spiegelt sich auch in ihrer Mythologie wider. Man könnte deshalb annehmen, dass die Wikinger auch innerhalb ihrer Gesellschaften nicht gerade behutsam miteinander umgingen. Was das Niveau der zwischenmenschlichen Gewalt betrifft, vermutete man bisher auch kaum Unterschiede zwischen den Wikinger-Gesellschaften der unterschiedlichen Teile Skandinaviens. Dieser Annahme widersprechen nun allerdings die Studienergebnisse des internationalen Forschungsteams um Jan Bill von der Universität Oslo.

Mehr Gewalt im Norden

Die Ergebnisse basieren auf einer Kombination von unterschiedlichen Hinweisen. Zunächst verglichen die Forschenden Untersuchungsergebnisse von Überresten einstiger Bewohner des heutigen Norwegens und Dänemarks aus der Ära der Wikingerzeit. Bei den insgesamt 30 Männer und Frauen aus den norwegischen Gräbern fanden sie bei 37 Prozent Hinweise auf einen gewaltsamen Tod sowie vergleichsweise viele Spuren verheilter Verletzungen. Aus diesen Befunden ging somit ein hohes Niveau von tätlichen Auseinandersetzungen hervor – Gewalt, die nicht von der Obrigkeit als Strafe verhängt wurde.

Die Untersuchungsergebnisse der 82 Skeletten aus der Wikingerzeit, die an unterschiedlichen Orten in Dänemark gefunden, ergaben dagegen ein anderes Bild: An ihnen stellten die Forschenden seltener Anzeichen von verheilten Verletzungen fest und nur bei sechs Prozent zeichnete sich die Spur eines gewaltsamen Todes ab. In den meisten Fällen spiegelt sich in den Befunden dabei wider, dass es sich um „offizielle“ Hinrichtungen gehandelt hat – etwa durch Enthauptungen.

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Das Forschungsteam sieht zudem in der deutlich unterschiedlichen Menge von wikingerzeitlichen Waffenfunden in Norwegen und Dänemark einen Hinweis auf die verschiedene Ausprägung von zwischenmenschlicher Gewalt in den beiden Gesellschaften. Demnach wurden den Wikingern des Nordens deutlich häufiger Schwerter als Beigaben ins Grab gelegt als in der südlichen Nachbarregion. Dieses Ergebnis deutet den Forschenden zufolge darauf hin, dass Waffen eine vergleichsweise wichtige Rolle für die Identität und den sozialen Status der norwegischen Wikinger spielten, was ihre vergleichsweise starke Neigung zur Gewalt unterstreicht.

Die Wikinger Dänemarks waren zivilisierter

Mit welchen gesellschaftlichen Aspekten dieser Unterschied verbunden gewesen sein könnte, beleuchteten weitere Untersuchungsergebnisse im Rahmen der Studie. Das Team sammelte dazu verschiedene Hinweise auf die gesellschaftlichen Strukturen der Wikinger-Gesellschaften in Norwegen und Dänemark. Wie sie erklären, spiegeln sie sich in bestimmten kulturellen Leistungen sowie Inschriften auf Runensteinen wider. Die Errichtung vergleichsweise aufwändiger Bauwerke in Dänemark legt demnach nahe, dass die Gesellschaft dort stärker strukturiert und intensiver organisiert war. Dies war wohl auch mit ausgeprägteren Hierarchien verbunden. Dies geht aus den Inschriften auf den Runensteinen hervor: Die häufige Verwendung von Rängen oder des Titels „König“ in Dänemark deutet auf eine stärker geschichtete Gesellschaft hin, sagen die Forschenden.

Wie sie erklären, stützen die Ergebnisse damit nun die Theorie, wonach eine stärkere Autorität und steilere soziale Hierarchien das Gesamtniveau der Gewalt in einer Gesellschaft senken können, indem sie die Gewaltanwendung unter offizielle Kontrolle stellen. Solche Muster wurden auch schon in anderen Teilen der Welt beobachtet, etwa in der südamerikanischen Andenregion und in Gebieten Nordamerikas, wo weniger zentralisierte Gesellschaften ebenfalls ein höheres Gewaltniveau aufwiesen.

Quelle: University of South Florida, Fachartikel: Journal of Anthropological Archaeology, doi: 10.1016/j.jaa.2024.101605

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