Seit dem Mittelalter gibt es die Gerüchte um eine Frau, die Mitte des neunten Jahrhunderts zur Päpstin gewählt wurde. Doch ob es diese Päpstin namens “Johannes Anglicus” tatsächlich gegeben hat, ist heiß umstritten. Jetzt hat ein Forscher neue Belege für das Pontifikat dieser Frau aufgespürt. Darunter sind Münzen aus der damaligen Zeit, die ihre Signatur tragen, aber auch Verweise in zeitgenössischen Dokumenten.
Folgt man der offiziellen Kirchengeschichte, hat es nie eine Päpstin Johanna oder Johannes gegeben. Doch seit dem Mittelalter halten sich die Gerüchte um eine solche Frau auf dem Papststuhl hartnäckig. Am bekanntesten ist die Schilderung des Dominikanermönchs Martin von Troppau, der im Jahr 1277 in seiner Chronik über einen Papst Johannes Anglicus berichtet, der um 850 das Pontifikat hatte und in Wirklichkeit eine Frau gewesen sein soll. Seither rätselt die Welt über die Frage, ob dies Wahrheit oder Legende ist. Hat es einst eine Päpstin gegeben?
Hinweise auf einen “verschwundenen” Papst
Mit dieser Frage hat sich nun der Archäologe Michael Habicht von der Flinders University in Australien beschäftigt. Für sein Buch zum Thema hat er historische Dokumente und Münzen aus dem frühen Mittelalter ausgewertet und analysiert. “Am Anfang habe ich auch geglaubt, dass die Geschichte von Päpstin Johanna reine Fiktion ist”, sagt Habicht. “Aber als ich tiefer in die Forschung eingestiegen bin, tauchte mehr und mehr die Möglichkeit auf, dass doch mehr hinter der Geschichte steckt.”
So stieß Habicht unter anderem auf eine Chronik, nach der der angelsächsische König Aethelwulf während seiner Regierungszeit einen Papst Johannes besucht haben soll. “Dieser König herrschte zwischen 839 und 858, es ist daher unmöglich, dass damit der erst ab 872 gekürte Papst Johannes VIII gemeint war”, sagt Habicht. In einem weiteren Dokument berichtet der Chronist Conrad Botho für das Jahr 856, dass ein Papst Johannes die sakrale Krönung des Königs Ludwig II zum fränkischen Kaiser vollzogen habe. Im ältesten Manuskript der mittelalterlichen Papstchronik “Liber Pontificalis” wird für diesen Zeitraum ein Papst ohne Namen angegeben. Wie Habicht erklärt, wurde erst später fälschlicherweise Nicholas I. dafür eingetragen.
Ein Brief und eine Münze
Ein weiteres Indiz liefert ein Brief von Anastasius, einem 853 bei der Papstwahl gegen Benedict III. gescheiterten Kandidaten. Dieser ranghohe Kleriker adressierte einen Brief an einen Papst Johannes, der bislang dem späteren Papst Johannes VIII. und damit dem Jahr 872 zugeordnet wurde. Doch wie Habicht herausfand, unterzeichnete Anastasius ab 867 mit seinem Titel “Bibliothecarius”, zwischen 855 und 858 aber unterschrieb er nur mit “Exiguus” – und genau dies steht unter dem Brief an den Papst Johannes. Dieser Brief kann daher nach Ansicht des Forschers nur aus der Zeit der Päpstin Johanna stammen.
Einen noch handfesteren Beleg aber entdeckte Habicht, als er Münzen aus der Zeit der Frankenherrschaft untersucht. Dabei fiel ihm eine Silbermünze (Denier) aus der Zeit zwischen 856 bis 858 mit der Inschrift SCS PETRVS (Sankt Peter) und dem päpstlichen Monogramm IOHANIS auf. “In der Numismatik wird dieser Münztyp fälschlich dem späteren Papst Johannes VIII zugewiesen, obschon dessen Namensmonogramm deutliche Unterschiede aufweist”, erklärt der Forscher. Stilistisch gesehen müsse diese Münze aus der Zeit der 850er bis 860er stammen. Hinzu kommt, dass auf der Rückseite dieser Münze Kaiser Ludwig II. dargestellt ist, der ab 855 regierte.
“In dieser Zeit gibt es nur Johannes Anglicus, die Päpstin – somit liegt ein historischer Beleg für die reale Existenz der Päpstin vor”, sagt Habicht. Nehme man alle Indizien zusammen, spreche einiges dafür, dass in der Zeit von 856 bis 858 ein heute nicht mehr in offiziellen Kirchenchroniken auftauchender Papst Johannes Anglicus auf dem Papststuhl saß. Dieser Papst könnte später aus den Chroniken getilgt worden sein, weil er in Wahrheit eine Frau war.
Quelle: Michael Habicht: “Päpstin Johanna“