Filigrane Ornamente, mit Birkenpech aufgeklebt – die Sachsen der Jungsteinzeit schätzen offenbar aufwändig verzierte Gefäße: Archäologen haben in den Resten eines über 7000 Jahre alten Brunnens aus der Nähe von Leipzig zwei besonders schöne Linienbandkeramiken entdeckt. Neben weiteren Gefäßen fanden sie am Grund der hölzernen Konstruktion zudem vier Schöpfgefäße aus Rindenbast, die offenbar einst Nutzer der Wasserstelle verloren haben.
Die typischen Verzierungen haben ihren Namen geprägt: Die sogenannte Linearbandkeramische Kultur im jungsteinzeitlichen Mitteleuropa zeichnete sich durch keramische Gefäße mit Bandmuster-Ornamenten aus eckigen, spiral- oder wellenförmigen Linien aus. Es handelte sich um eine Kultur mit großer Bedeutung, denn sie markierte das Ende der Epoche der Jäger und Sammler in weiten Teilen Europas: Die Linearbandkeramiker waren die ersten Bauern, die sich dauerhaft niederließen. Ein Siedlungsgebiet war dabei auch das heutige Sachsen, wie bereits aus zahlreichen Funden hervorgeht.
Archäologen „ergründen“ einen hölzernen Brunnen
Neben den charakteristisch verzierten Keramiken sind auch hölzerne Brunnen typisch für die Siedlungen der Linearbandkeramischen Kultur. Es handelte sich meist um in Blockbauweise zusammengefügte Kasten-Konstruktionen, die in einer Grube vom Grundwasserstand bis Oberfläche errichtet wurden. Zwei solche Brunnen haben Archäologen auf dem Areal eines Kohleabbaugebiets südlich von Leipzig entdeckt. 2014 wurden sie im Block geborgen und in eine Werkhalle nach Großstolpen bei Groitzsch gebracht, wo sie unter Laborbedingungen untersucht werden konnten.
Nun präsentieren die Archäologen des Landesamts für Archäologie Sachsen die Untersuchungsergebnisse des fast 32 Tonnen schweren großen Brunnenkastens. Sein Alter fällt klar in die Zeit der Linearbandkeramischen Kultur: „Die dendrochronologische Untersuchung des ausgesprochen gut erhaltenen Brunnenkastens aus massiven Eichenbohlen ergab, dass die Hölzer im Jahr 5134 vor Christus geschlagen und im Anschluss auch zügig verbaut worden sind“, berichtet Harald Stäuble vom Landesamt für Archäologie Sachsen.
Was den Steinzeit-Sachsen einst in den Brunnen fiel
Im Füllmaterial der Brunnenkonstruktion entdeckten die Archäologen neben vielen Kleinfunden insgesamt zwölf vollständige, zum Teil zerbrochene linienbandkeramische Gefäße von unterschiedlicher Form und Größe. Als eine Sensation bezeichnen die Experten dabei zwei besonders schöne Gefäße: Sie sind durch filigrane Birkenrindenbänder verziert, die durch Birkenpech aufgeklebt wurden. Es handelt sich um eindrucksvolle und ausgesprochen seltene Zeugnisse der Kunstfertigkeit der ersten Bauern Sachsens, sagen die Archäologen. „Die Objekte sind ein einzigartiges Zeugnis der Gestaltungsfreude dieser frühen Kultur. In diesem exzellenten Erhaltungszustand sind sie nun nur aus Sachsen bekannt“, so die Landesarchäologin Regina Smolnik.
Wie das Team weiter berichtet, schlummerten im Bereich der Brunnensohle allerdings noch weitere Überraschungen: Die Archäologen entdeckten vier Schöpfgefäße aus Rindenbast, die den Menschen vor 7000 Jahren offenbar beim Wasserholen entglitten waren. Diese gut erhaltenen Funde dokumentieren die Herstellungstechniken der Jungsteinzeit. Es handelt sich dabei um seltene Glücksfälle für die Archäologie. Nur durch die permanent feuchten Bedingungen konnten sie die Jahrtausende überdauern, erklären die Experten.
Quelle: Landesamt für Archäologie Sachsen