Lange schlummerten sie unter einer Übermalung und dann blieb ihre Bedeutung zunächst unerkannt. Nun rücken Denkmalpfleger die Reste eines kunsthistorischen Schatzes im Augsburger Dom erstmals ins Rampenlicht. Experten zufolge stammen die Darstellungen vom Leben und Sterben Johannes des Täufers aus der Erbauungszeit des ottonischen Doms im frühen 11. Jahrhundert. Damit handelt es sich um das älteste Zeugnis für die Ausmalung einer frühmittelalterlichen Bischofskirche nördlich der Alpen.
Irgendwann hielt man sie für veraltet oder unwichtig und so wurden sie übermalt, verputzt oder zugebaut – und gerieten schließlich in Vergessenheit: So ist es wohl vielen Kunstwerken im Laufe der Geschichte ergangen. In diesem traurigen Schicksal steckt aber auch eine Chance: Kunsthistorische Schätze können wiederentdeckt werden – so wie im aktuellen Fall, über den das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) nun berichtet.
Der Blick richtete sich dabei auf das südliche Querhaus des Augsburger Doms. Dort schlummerten Jahrhunderte lang die nun freigelegten Wandmalereien unter einer Übermalung. Wie das BlfD berichtet, wurden ihre Spuren bereits in den 1930er Jahren und 1980er Jahren entdeckt, doch das Alter und die Bedeutung wurden nicht erkannt. Dies änderte sich erst durch weitere Funde: Bei Restaurierungsmaßnahmen am Dachstuhl im Jahr 2009 tauchten Wandmalereien auf, die offenbar zu rund 1000 Jahre alten Baustrukturen des Doms gehörten. Dies warf wiederum neues Licht auf die älteren Entdeckungen im Querhaus und so widmete nun ein Restaurierungs- und Bauforschungsteam unter der Leitung des BLfD den Funden erstmals eine genauere Untersuchung.
Aus ottonischer Zeit
Sie konnten bestätigen, dass es sich um Wandmalereien des ottonischen Doms handelt. Aus baugeschichtlichen Informationen des Bistums Augsburg geht in diesem Zusammenhang hervor, dass das bischöfliche Gotteshaus ab dem Jahr 995 nach dem Einsturz des Vorgängerbaus wieder aufgebaut worden war. Der Überlieferung zufolge unterstützte dies die später heilig gesprochene Kaiserin Adelheid – die Gemahlin Kaiser Ottos I. Vollendet wurde dieser sogenannte ottonischen Dom um das Jahr 1050. In den darauffolgenden Jahrhunderten wurden dann viele der Baustrukturen allerdings erheblich verändert.
Wie das BLfD berichtet, wurden die wiederentdeckten Darstellungen im südlichen Querhaus im Verlauf der Arbeiten nun dokumentiert, gereinigt und gesichert. Trotz der starken Beschädigungen konnten zwei Szenen sowie Hinweise auf eine dritte identifiziert werden: An der Ostwand hat sich die Hinrichtungsszene erhalten, die den thronenden Herodes zeigt sowie die Jünger des Täufers, die seine Enthauptung beweinen. An der Westwand konnten die Experten die Szene der Grablegung identifizieren. Die vermutlich an der Südwand angebrachte Darstellung der Geburt und der Namensgebung Johannes des Täufers wurden wohl bereits Mitte des 14. Jahrhunderts beim Bau des gotischen Südfensters zerstört, berichtet das BlfD.
Kunsthistorischer Schatz
Den Experten zufolge handelt es sich bei dem Bilderzyklus nun um das älteste Zeugnis für die Ausmalung einer frühmittelalterlichen Bischofskirche nördlich der Alpen.
Kunsthistorisch weist das Dekorationssystem große Ähnlichkeiten zu der auf der UNESCO-Welterbe-Liste stehenden Georgskirche in Oberzell auf der Insel Reichenau auf. „Es handelt sich bei den entdeckten Wandmalereien um den neben Oberzell flächenmäßig größten bekannten Zyklus aus der Zeit um 1000 im deutschen Sprachraum“, sagt Mathias Pfeil vom BlfD.
Domkapitular Armin Zürn des Augsburger Doms freut sich ebenfalls über die Forschungsergebnisse: „Die neuen Erkenntnisse, besonders die Entdeckung der Johannesvita sind Nachweis für die großartige Gestaltung dieses geistlichen Ortes durch die Jahrhunderte.“ Die kunsthistorische Untersuchung und Spurensuche soll nun auch weitergehen: Die Wandmalereien werden ausführlicher ausgewertet und auch in anderen Teilen des Gebäudes sollen weitere Untersuchungen erfolgen, schreibt das BlfD.
Quelle: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (BlfD), Bistum Augsburg