Frankreich ist heute einer der wichtigsten Weinproduzenten weltweit. Wie weit die französische Weinbautradition zurückreicht, belegen nun genetische Analysen von Weinbeeren aus der Eisenzeit, der Antike und dem Mittelalter. Demnach nutzten die Winzer schon vor mehr als 2000 Jahren moderne Weinbautechniken und schufen Rebsorten, die bis heute genetisch weitgehend unverändert existieren.
Seit ihrer Domestikation in Asien vor mehr als 6000 Jahren gehören Weintrauben zu den beliebtesten und wirtschaftlich bedeutendsten Früchten weltweit. Spätestens seit der Antike dienten die Zucht und der Anbau von Weinstöcken vor allem der Produktion von Wein. Schon die Römer nutzten dabei die Technik der vegetativen Vermehrung der Weinstöcke. Durch diese Methode lassen sich genetisch identische Tochterpflanzen erzeugen – ein Vorteil, wenn man besonders günstige Eigenschaften der Beeren erhalten möchte.
DNA-Analyse antiker und mittelalterlicher Weinbeeren
“Basierend auf Schriften des römischen Autors und Naturgelehrten Plinius des Älteren und anderen wissen wir, dass die Römer bereits fortgeschrittenes Wissen über das Weinmachen besaßen”, erklärt Jazmin Ramos-Madrigal von der Universität Kopenhagen. “Sie bezeichneten die verschiedenen Rebsorten mit spezifischen Namen, doch bisher war es unmöglich, deren Namen mit den modernen Rebsorten zu verknüpfen.” Auch wie und mit welchen Sorten der Weinbau in Frankreich begann, war nur in Teilen bekannt: Historische Dokumente berichten, dass die ersten Weingärten um 600 vor Christus in der Gegend des heutigen Marseille angelegt wurden, erst rund 500 Jahre später intensivierten die Römer den Weinbau im gesamten südlichen Frankreich.
Um die Wurzeln des französischen Weinbaus aufzuklären, haben Ramos-Madrigal und ihr Team die DNA von 28 bei archäologischen Ausgrabungen in Frankreich gefundenen Weinbeeren analysiert. “Wir können die Genetik nutzen um festzustellen, welchen Wein die Römer in ihren Weingärten anbauten”, so die Forscher. Das Alter der aus neun Fundorten stammenden Beeren reicht von der Eisenzeit um 500 vor Christus bis in das Mittelalter um 1200 nach Christus zurück. Das aus diesen Beeren gewonnene Erbgut verglichen die Forscher sowohl untereinander als auch mit der DNA moderner Rebsorten.
Klone alter Rebsorten
Es zeigte sich: Schon vor mehr als 2000 Jahren nutzten die römischen Winzer moderne Techniken des Weinbaus und der Rebsortenzucht. So stellten die Forscher fest, dass einige Weinbeeren aus der Antike trotz hunderten Kilometern Entfernung ihrer Fundorte genetisch völlig identisch waren. Dies belegt, dass diese Weinstöcke durch vegetative Vermehrung aus derselben Ursprungspflanze gezogen wurden. “Die genetischen Klone deuten drauf hin, dass die Römer Weinreben über große Distanzen von mehr als 600 Kilometer transportierten – höchstwahrscheinlich als Stecklinge”, berichten Ramos-Madrigal und ihr Team.
Einige moderne Rebsorten sind direkte Nachkommen dieser antiken und mittelalterlichen Weinbaukunst, wie die Forscher feststellten. So erwies sich eine tausend Jahre alte archäologische Rebprobe aus der Nähe von Orleans als genetisch identischer Klon der noch heute existierenden Rebsorte Savagnin Blanc, auch als Weißtraminer bekannt. Diese Sorte wird heute vor allem im französischen Jura, aber auch in Mitteleuropa angebaut. Wie die DNA-Analysen nun enthüllen, gehen alle diese Rebstöcke auf Stecklinge nur einer mittelalterlichen Ausgangspflanze zurück. Bei einer weiteren Rebsorte, der “Mondeuse Blanche” identifizierten die Wissenschaftler nur einen Generationswechsel in den gesamten letzten 1800 Jahren – diese Rebsorte hat damit sogar antike Wurzeln.
“Unsere Ergebnisse bestätigen damit die lange gehegte Vermutung, dass die römischen und mittelalterlichen Winzer alte Rebsorten mithilfe der vegetativen Vermehrung kultivierten”, konstatieren Ramos-Madrigal und ihr Team. “Die moderne französische Weinbaukultur in Frankreich ist zum großen Teil ein Produkt dieser Traditionen.”
Quelle: University of York; Fachartikel: Nature Plants, doi: 10.1038/s41477-019-0437-5