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Fingerabdrücke verraten präkolumbische Töpfer

Geschichte|Archäologie

Fingerabdrücke verraten präkolumbische Töpfer
Fingerabdrücke im Ton
Vergrößerte Ansicht von Fingerabdrücken auf tausend Jahre alten Gefäßscherben der Chaco-Canyon-Kultur. (Bild: John Kantner)

Wer stellte die Tontöpfe der präkolumbischen Chaco-Canyon-Kultur im Südwesten der USA her? War die Töpferei damals reine Frauensache oder beteiligten sich beide Geschlechter an der Produktion der Keramiken? Eine Antwort darauf liefern nun tausend Jahre alte Fingerabdrücke, die die Töpfer einst im noch feuchten Ton hinterließen. Sie werfen ein neues Licht auf die Arbeitsteilung in dieser Kultur und widerlegen gängige Annahmen.

Vor rund tausend Jahren bildete der Chaco Canyon in New Mexico das Zentrum einer blühenden Zivilisation. Vorfahren der Pueblo-Indianer errichteten hier im zehnten und elften Jahrhundert monumentale Felswohnungen und mehrstöckige Großhäuser. Bis zu 30.000 Menschen lebten damals wahrscheinlich im Einflussbereich des Chaco Canyon. Doch wie die Gesellschaft dieser präkolumbischen Kultur strukturiert war, ist bisher nur in Teilen bekannt.

War die Töpferei Frauensache?

“Eine der vielen im Bezug auf die Chaco-Ära diskutierten Fragen ist, in welchem Grad dort Arbeitsteilung herrschte und welche Rolle das Geschlecht für die religiöse, soziopolitische und wirtschaftliche Organisation spielte”, erklären John Kantner von der University of North Florida in Jacksonville und seine Kollegen. Das Problem: Weil es an direkten archäologischen Belegen für diese eher immateriellen Kulturmerkmale fehlt, sind Forscher meist auf indirekte Schlüsse oder Hinweise aus Nachfolgekulturen angewiesen.

Im Falle der Chaco-Canyon-Kultur berufen sich Archäologen meist auf die Praktiken der heutigen Pueblokulturen im US-Südwesten und auch Aufzeichnungen der ersten europäischen Eroberer. “Diesen Beobachtungen nach gibt es eine Arbeitsteilung, in der Frauen für die Herstellung der Tongefäße zuständig waren – und dies wurde auf die archäologischen Daten übertragen”, berichten Kantner und sein Team. Doch es gebe auch ethnografische Aufzeichnungen, die auf eine weniger geschlechtsspezifische Rollenteilung und geteilte Verantwortlichkeiten in vielen Handwerksbereichen hindeuteten.

Fingerabdrücke verraten das Geschlecht

Um mehr Klarheit über die Rolle von Frauen und Männern bei der Töpferei der Chaco-Canyon-Kultur zu bekommen, haben Kantner und sein Team eine für die Archäologie eher neue Methode genutzt: Fingerabdrücke. Denn die Muster der Rillen und Grate an den Fingerspitzen erlauben nicht nur die Identifizierung einzelner Personen, sie verraten auch das Geschlecht. “Studien zeigen, dass die Breite der Grate sich zwischen Männern und Frauen signifikant unterscheidet”, berichten die Forscher. “Dies ermöglicht die Identifizierung des Geschlechts zu 80 bis 90 Prozent genau.”

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Die Töpferwaren der Chaco-Canyon-Kultur sind in dieser Hinsicht besonders gut geeignet und “verräterisch”: Die typischen Kochgefäße wurden hergestellt, indem die Töpfer übereinander gelegte Tonrollen mit den Fingern zusammendrückten und zu einer Gefäßwand vereinigten. “Als Folge dieser Praktik sind viele dieser Gefäße mit den Teilabdrücken der Töpfer übersät”, so Kantner und sein Team. Für ihre Studie haben sie die Abdrücke von 985 Scherben solcher Gefäße aus einem Dorf des Chaco Canyon nun analysiert.

Keine strikte Arbeitsteilung

Das überraschende Ergebnis: Die Töpferei war offenbar alles andere als reine Frauensache – im Gegenteil. In der Frühzeit der Kultur stammten zwei Drittel aller Tonscherben aus der Hand männlicher Töpfer, wie die Archäologen berichten. In der späteren Periode sind die Anteile von Männern und Frauen dagegen nahezu gleich: 49,9 Prozent der Abdrücke stammten von Männern. Zudem gab es leichte geografische Unterschiede: Im westlichen Teil der Gemeinschaft töpferten mehr Männer, im südlichen dagegen waren Töpferinnen leicht in der Überzahl. “Das spiegelt sowohl zeitliche Veränderungen als auch soziokulturelle Unterschiede zwischen den in diesem Dorf lebenden Gruppen wider”, konstatieren die Forscher.

Insgesamt aber belegen ihre Ergebnisse, dass die Arbeitsteilung der Menschen im Chaco Canyon und den umliegenden Ortschaften keineswegs so klar war wie bisher angenommen. “Die Produktion dieser Töpferwaren unterlag keiner ausgeprägt geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung “, sagen Kantner und seine Kollegen. “Stattdessen demonstrieren die direkten Belege der Fingerabdrücke auf den Tonscherben, dass sowohl Männer als auch Frauen routinemäßig an der Produktion der Gefäße beteiligt waren.” In diesem Fall führte demnach der Rückschluss von Nachfolge-Kulturen auf diese Gemeinschaften in die Irre.

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1901367116

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