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Feldpost aus dem Siebenjährigen Krieg

Geschichte|Archäologie

Feldpost aus dem Siebenjährigen Krieg
BRiefe
Diese Briefe wurden im Siebenjährigen Krieg an französische Seeleute geschrieben – kamen aber nie bei ihren Adressaten an. © The National Archives / Renaud Morieux

Nachdem sie 256 Jahre in einem britischen Archiv lagerten, hat ein Historiker jetzt erstmals Briefe geöffnet und gelesen, die im Jahr 1758 an französische Seeleute geschrieben wurden. Die Briefe stammen von den Frauen, Eltern oder Geschwistern der im Siebenjährigen Krieg von den Briten gefangen genommenen Seeleute, die diese Botschaften nie erhielten. Die Briefe wurden stattdessen von der britischen Marine beschlagnahmt und landeten ungeöffnet im Archiv. Ihr Inhalt gibt nun einen einzigartigen Einblick in Beziehungen und Alltag in den damaligen Kriegszeiten.

Während des Siebenjährigen Krieges von 1756 bis 1763 kämpften die Großmächte des damaligen Europas um die Vorherrschaft auf dem Kontinent und in den Kolonien. Es ging um die politische Macht, um Handelsvorteile und die Herrschaft über die wichtigen Seerouten nach Übersee. Dabei standen Preußen und Großbritannien auf der einen Seite einer Allianz von Frankreich, Spanien und der österreichischen Habsburgermonarchie gegenüber. Neben Landgefechten in Europa, der Neuen Welt und Südasien trugen die Kriegsparteien ihre Kämpfe auch zur See aus.

Brief
Brief einer Mutter an ihren Sohn Nicolas Quesnel, der auf der Galatée diente. © The National Archives / Renaud Morieux

Post für Frankreichs Seeleute

Im Ärmelkanal und entlang der Atlantikküste lieferten sich dabei vor allem Frankreich und Großbritannien Seegefechte. Die französische Flotte verfügte zur damaligen Zeit über einige der besten Kriegsschiffe Europas, es fehlte ihr aber an erfahrenen Seeleuten. Dies nutzte Großbritannien aus, indem es gezielt so viele französische Schiffe kaperte und die Schiffsbesatzungen gefangen nahm wie es konnte. Allein im Jahr 1758 saßen dadurch rund ein Drittel der französischen Seeleute in britischer Gefangenschaft, während der sieben Jahre des Krieges belief sich die Gesamtzahl der Gefangenen auf gut 64.000 Matrosen und Offiziere.

Für die Angehörigen dieser Kriegsgefangenen bedeutet dies meist Ungewissheit und Kontaktverlust: Schon zu normalen Zeiten war es schwierig, Seeleute per Brief zu erreichen. Meist wurden Briefe auf Verdacht an verschiedene Häfen geschickt oder man gab sie Schiffskameraden des auf See dienenden Sohnes, Bruders oder Ehemannes mit. Wurden Schiffe gekapert und Seeleute gefangengenommen, wurden diese Briefe oft zusammen mit anderen persönlichen Habseligkeiten beschlagnahmt. Im Fall von gekaperten Schiffen wurden die Briefe von den französischen Häfen häufig nach England weitergeleitet, in der Hoffnung, dass sie so die Gefangenen erreichen würden.

Seit 256 Jahren ungeöffnet

Dies war auch bei 102 Briefen der Fall, die von Angehörigen an die Seeleute an Bord des französischen Schiffs Galatée geschickt worden waren. Nachdem das Schiff im Jahr 1758 auf dem Weg von Bordeaux ins kanadische Quebec von der britischen Marine abgefangen und nach England gebracht worden war, wurden die Briefe nach England weitergeleitet. Doch die Beamten der britischen Admiralität beschlagnahmten die Briefe und lagerten sie ungeöffnet ein. Erst jetzt – 256 Jahre später – hat Renaud Morieux von der University of Cambridge diese historischen Briefe wiederentdeckt und erstmals aufgemacht und gelesen.

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“Ich habe diese Schachtel eigentlich nur aus Neugierde aus dem Archiv bestellt”, berichtet Morieux. “In ihr lagen drei Stapel von Briefen, die mit Bändchen zusammengeschnürt waren.” Siegel zeigten, dass diese Briefstapel seit ihrer Archivierung während des Siebenjährigen Krieges offenbar nie mehr näher untersucht worden waren. “Da wurde mir klar, dass ich die erste Person war, die diese sehr persönlichen Botschaften seit ihrer Niederschrift lesen würde”, sagt der Historiker. “Denn die Adressaten hatten damals keine Chance dazu.” Beim Öffnen zeigte sich, diese Briefe oft von den Ehefrauen und Verlobten der Seeleute stammten, aber auch von Eltern oder Geschwistern.

Botschaften an die Liebsten

Die Inhalte der Briefe geben bewegende und oft sehr emotionale Einblicke in das Leben und die Familienbande der Seeleute. “Diese Briefe spiegeln universelle menschliche Erfahrungen wider – sie sind keineswegs nur typisch für das Frankreich des 18. Jahrhunderts”, betont Morieux. Stattdessen erscheinen einige Liebesbriefe erstaunlich modern und gewagt für die damalige Zeit: “Ich kann gar nicht erwarten, dich zu besitzen”, schreibt beispielweise Anne Le Cerf an ihren Mann, einen Offizier auf der Galatée. Anne Le Cerf sah ihren Mann allerdings nie wieder, sie starb, noch bevor er aus der Gefangenschaft entlassen wurde, wie der Historiker ermittelt hat. In einem anderen Brief schreibt die Frau eines Leutnants auf der Galatée: “Ich könnte die ganze Nacht hier sitzen und Dir schreiben … Ich bleibe für immer deine treue Frau. Gute Nacht, mein lieber Freund.” Auch der Mann von Marie Dubosc erhielt ihren Liebesbrief nie.

“Wenn wir von unseren Liebsten durch Ereignisse wie Kriege oder Pandemien getrennt werden, suchen wir nach Wegen, um in Verbindung zu bleiben, wir sorgen uns um diese Menschen und versuchen, die Leidenschaft wachzuhalten”, sagt Morieux. “Heute haben wir Zoom und WhatsApp – im 18. Jahrhundert hatten die Menschen nur Briefe, aber was sie schrieben, fühlt sich sehr vertraut an.” Andere Briefe geben tiefe Einblicke in das Alltagsleben der zurückgebliebenen Frauen und Familien. “Diese Briefe widerlegen die altmodische Annahme, dass Krieg Männersache ist”, erklärt Morieux. Denn wie in vielen anderen Kriegen übernahmen damals die Frauen viele klassische Männeraufgaben – von der Leitung eines Hofes oder Betriebs bis zum Wirtschaften im Haushalt. “Sie
fällten dabei wichtige wirtschaftliche und politische Entscheidungen.”

Quelle: University of Cambridge; Fachartikel: Annales Histoire Sciences Sociales, doi: 10.1017/ahss.2023.75

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