Sie hatten Kolumbus in der Neuen Welt freundlich empfangen – anschließend wurden sie ausgerottet: Die Taíno waren die ersten Opfer der Eroberung der Neuen Welt. Das indigene Volk verschwand aber offenbar doch nicht spurlos: Es gibt Nachfahren der Taíno in der Karibik, belegt Erbgut aus einem rund tausend Jahre alten Zahn einer Taíno-Frau. Das Genom dokumentiert zudem, dass die Ureinwohner der Karibik einst aus dem nördlichen Südamerika gekommen waren.
Als die Spanier in der Karibik erstmals Fuß auf den amerikanischen Kontinent setzen, begrüßten sie dort freundliche Menschen: In großen Teilen der Inselwelt lebten zu dieser Zeit die Taíno. Für die Ureinwohner sollte diese Begegnung leider der Anfang vom Ende werden. Die Eroberer gingern grausam mit ihnen um – misshandelten und versklavten sie. Außerdem rafften eingeschleppte Krankheiten die Taíno dahin.
Angeblich ausgestorben
Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts war das einst Hunderttausende von Menschen umfassende Volk bereits völlig ausgelöscht, besagen historische Berichte. Es entstand anschließend in der Karibik eine Mischbevölkerung, die aus Europäern, Afrikanern und aus Südamerika verschleppten indigenen Menschen hervorging. Einer restlosen Vernichtung der Taíno widersprechen allerdings Überzeugungen einiger heutiger Bewohnern der Karibik, die auch die Taíno zu ihren Vorfahren zählen. Die aktuelle Studie liefert nun Beweise dafür, dass sie Recht haben.
Die Ergebnisse basieren auf der Sequenzierung des Erbguts, das ein internationales Forscherteam einem Zahn entlockt hat. Er stammt von den Überresten einer Taíno Frau, die Archäologen in einer Höhle auf den Bahamas entdeckt haben. Den Datierungen zufolge hat sie dort irgendwann zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert gelebt – also mindestens 500 Jahre vor der Ankunft der Spanier. Die genetischen Informationen konnten die Forscher anschließend mit Genomdaten von verschiedenen indigenen Bevölkerungsgruppen in Südamerika abgleichen und mit genetischen Informationen über die heutigen Bewohner der Karibikinsel Puerto-Rico.
Puerto-Ricaner tragen das Erbe der Taíno
Es zeigte sich: Die Puerto-Ricaner tragen eindeutig das Erbe der Taíno in sich. Die Ureinwohner sind also doch nicht völlig verschwunden, sondern wurden teilweise assimiliert, folgern die Wissenschaftler. Ihnen zufolge besitzen aber vermutlich nicht nur Puerto-Ricaner Taíno-Vorfahren in ihrem Stammbaum. Weitere Studien könnten vermutlich ähnliche genetische Spuren in anderen karibischen Gemeinschaften aufdecken. „In vielen Geschichtsbüchern heißt es, dass die indigene Bevölkerung der Karibik ausgelöscht wurde. Jetzt wissen wir, dass Menschen, die sich als Nachfahren der Taíno sehen, richtig liegen: In der Karibik gab es eine Form der genetischen Kontinuität,” resümiert Co-Autor Hannes Schroeder von der Universität Kopenhagen.
Die genetische Studie wirft zudem Licht auf den Ursprung der Taíno, berichten die Forscher In den Vergleichen der Genomdaten zeichnete sich ab, dass die Taino genetisch am meisten mit heutigen Arawakan-Sprechern aus dem Norden Südamerikas verwandt waren. Das deutet darauf hin, dass ihre Vorfahren dort einst entstanden waren und anschließend in die nördlich gelegene Inselwelt aufgebrochen waren: Die Karibik war einer der letzten Teile Amerikas, die von Menschen besiedelt wurde, sagen die Wissenschaftler.
Quellen: St John’s College, University of Cambridge, Originalveröffentlichung: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1716839115