In einem Küstenort im Norden der englischen Grafschaft Yorkshire haben Archäologen die älteste bekannte Salzgewinnungsanlage Großbritanniens entdeckt. Die jungsteinzeitliche Salzsiederei bestand bereits um 3800 vor Christus und verfügte über drei Feuerstellen, über denen Salzwasser aus dem nahen Meer zu Salzkuchen eingekocht wurde. Während auf dem europäischen Kontinent schon ähnlich alte Anlagen gefunden wurden, ist dies der erste Fund dieser Art in Großbritannien.
Salz war schon vor tausenden von Jahren eine wertvolle Ressource. Mit dem “weißen Gold” ließen sich Fleisch und andere Lebensmittel haltbar machen und Speisen würzen. Salz war daher schon früh auch eine begehrte Tausch- und Handelsware. “Die Gemeinschaften, die die Salzgewinnung und Verteilung kontrollierten, profitierten davon”, erklärt der britische Archäologe Steve Sherlock. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass Menschen in Europa ab der Jungsteinzeit damit begannen, gezielt Sole und Meerwasser einzukochen und so Salz zu gewinnen. Relikte solcher neolithischen Salzsiedereien finden sich unter anderem in einigen Küstengebieten Spaniens, aber auch in Deutschland, Polen, Frankreich und auf dem Balkan.
Ofenkonstruktion aus der Jungsteinzeit
In Großbritannien dagegen fehlte bisher jede Spur jungsteinzeitlicher Salzgewinnung. Die frühesten bekannte Relikte früher Salzsiedereien stammten aus der Bronze- und Eisenzeit – bisher. Jetzt jedoch hat Sherlock bei Ausgrabungen im Norden Yorkshires erstmals auch eine britische Salzsiederei aus der Jungsteinzeit entdeckt. Die Relikte liegen in der Nähe von Loftus in einem Gelände, auf dem Wissenschaftler schon in den 1980er Jahre zwei neolithische Bauwerke sowie die Reste einer Eisenzeitsiedlung gefunden hatten. Seit 2004 führen Sherlock und sein Team dort weiterführende Ausgrabungen speziell der neolithischen Strukturen durch.
Neben den Pfostenlöchern einer hölzernen Ringstruktur, den Spuren eines Hauses und zahlreichen Keramikscherben stießen die Forscher auf die Reste einer rund 6,50 Meter langen Kammer, in der drei Feuerstellen lagen – erkennbar an geschwärzten Steinen und Ascheresten. “Um die Ränder dieser Feuerstellen gab es eine Konzentration von feuergeröteten, keilförmigen Steinen und keramischem Material, die meiner Ansicht nach Stützen für Öfen und Reste von Keramiktrögen waren”, berichtet Sherlock. Datierungen nach stammen diese Funde aus der Zeit um 3800 vor Christus. Südöstlich dieser Feuerstellen lag eine Grube mit Tonauskleidung, die als eine Art Tank gedient haben könnte.
Erster Beleg einer neolithischen Salzsiederei in Großbritannien
Doch worum handelte es sich? Nach Angaben des Archäologen gäbe es drei mögliche Interpretationen dieser jungsteinzeitlichen Öfen: Es könnte sich um eine Art Krematorium handeln, wogegen aber fehlende Knochen und menschlichen Überreste sprechen. Denkbar wäre auch, dass über diesen Herden Keramik gebrannt wurde. Allerdings müsste man dann Fragmente misslungener Brände finden, was nicht der Fall war. Zudem seien Brennöfen für Keramik aus dem jungsteinzeitlichen Großbritannien nicht bekannt. “Man geht davon aus, dass Gefäße zu dieser Zeit und bis in die späte Bronzezeit hinein in offenen Feuern gebrannt wurden”, erklärt Sherlock.
Seiner Ansicht nach liegt daher ein dritter Verwendungszweck weitaus näher: Es handelte sich bei den Feuerstellen um die Überreste einer jungsteinzeitlichen Salzsiederei. “Diese Interpretation stützt sich auf charakteristische Merkmale des Artefakt-Ensembles, für die es Parallelen in einer Reihe von bronze- und eisenzeitlichen Salzverarbeitungsstätten in Großbritannien gibt”, sagt Sherlock. Zudem lag die Anlage unweit der Meeresküste und damit einer Salzwasser-Quelle. Damit wäre die Anlage von Loftus die mit Abstand älteste Salzsiederei Großbritanniens und eine der ältesten in Westeuropa.
Vom Meerwasser zum Salzkuchen
Ausgehend von den Funden hält der Archäologe folgenden Ablauf der Salzgewinnung in Loftus für wahrscheinlich: Zunächst wurde Meerwasser in Becken gesammelt und durch Verdunstung an der Sonne vorkonzentriert. Die entstandene Sole wurde dann in die Anlage gebracht und dort in dem mit Ton ausgekleideten Tank zwischengelagert. Nach und nach wurden aus diesem Tank dann drei große Salzsiedegefäße aus Keramik befüllt, die über den Feuerstellen standen. Das Wasser wurde verkocht, bis das Salz auskristallisierte und sich am Grund der Gefäße ein Salzkuchen bildete. Als letztes wurden die Siedegefäße zerschlagen und die Salzkuchen herausgenommen. “Wie viel Salz hier einst produziert wurde, muss aber noch ermittelt werden”, so Sherlock.
Nach Ansicht des Archäologen könnte es im neolithischen Großbritannien noch mehr solcher Salzsiedereien gegeben haben. Weil aber damals die Meeresspiegel 2,50 bis drei Meter tiefer lagen, sind viele dieser Stätten heute vom Meer überflutet und daher weitgehend zerstört oder unzugänglich.
Quelle: Antiquity, doi: 10.15184/aqy.2021.25