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Ein Charivari aus der Spätantike?

Trachten-Accessoire

Ein Charivari aus der Spätantike?
Gürtelgehänge
Spätantikes Gürtelgehänge im Grab und Zeichnung des Ensembles. © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Das Charivari ist ein für die bayrische Tracht typisches Accessoire – eine Schmuckkette mit Anhängern, die an der Lederhose getragen wird. Doch die Tradition solcher Ketten könnte weiter zurückreichen als bisher gedacht, wie nun eine spätantike Grabbeigabe aus dem ostbayrischen Pförring nahelegt. Die dort im 5. Jahrhundert bestattete Tote trug an der Hüfte ein ganz ähnliches Ensemble aus Münzen, Bronzeringen und anderen mit einer Lederschnur zusammengebundenen Objekten.

In der aktuellen Oktoberfest-Saison kann man sie wieder sehen: Männer in bayrischer Tracht, die an ihrer Lederhose ein Charivari tragen. Dabei handelt es sich um eine Kette aus massivem Silber, an der verschiedene Anhänger in Form von Münzen, Edelsteine, aus Silber oder Horn gefertigte Tierfiguren oder auch Zähne oder Pfoten von Wildtieren befestigt sind. Ursprünglich dienten diese Ketten wahrscheinlich als Talisman oder Andenken an erfolgreiche Jagden. Vor allem im bäuerlichen Ostalpenland gelten diese oft über Generationen vererbten Charivaris als Statussymbol.

Gängiger Annahme nach geht die Tradition der Charivaris auf die napoleonische Zeit zurück. Damals begann man im süddeutschen Raum, die silbernen Uhrenketten mit Anhängern zu schmücken und sie in die Tracht zu integrieren. Auch der Name leitet sich aus dem Französischen ab.

Objekte am Gürtelgehänge
Die Objekte am Gürtelgehänge im Einzelnen. © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Lederriemen mit verschiedensten Anhängern

Doch eine solche an der Hüfte getragene Schmuckkette ist offenbar keine Erfindung der Neuzeit: Schon in der Spätantike gab es etwas ganz Ähnliches, wie nun Archäologen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege herausgefunden haben. Im Rahmen ihrer Arbeit hatten sie einen Fund näher untersucht und restauriert, der aus einem 2016 im ostbayrischen Pförring entdeckten Kammergrab stammte. In diesem spätantiken Grab aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhundert war eine junge Frau mitsamt Grabbeigaben bestattet worden. Unter diesen war ein zusammengebackener Klumpen mehrerer kleinerer Objekte am linken Oberschenkel der Toten.

Das Team um Generalkonservator Mathias Pfeil durchleuchtete dieses Konglomerat mit Röntgenstrahlen und trennte anschließend die Einzelteile vorsichtig voneinander. Wie sich zeigte, bestand das Ensemble aus einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Objekte, darunter zwei Bronzeschlüssel, einer Nadelbüchse aus Knochen, mehrere Bronzeringe, drei gelochte römische Münzen, eine aufwändig gearbeitete Schmuckscheibe mit Glaseinlage, das Gehäuse einer Meeresschnecke sowie ein mit Bronzebändern verzierter Walnuss-Anhänger. Das Entscheidende jedoch: Diese Objekte waren einst auf einen Lederriemen aufgefädelt und miteinander verbunden, wie das Team berichtet.

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Talisman und Statussymbol zugleich

Dies legt nahe, dass diese Frau diese Objekte einst als Gürtelgehänge getragen hat – ganz ähnlich wie heute das Charivari. Und noch eine Ähnlichkeit gibt es: “Das Ensemble der jungen Frau aus Pförring ist in seiner Zusammenstellung außergewöhnlich und lässt spannende Rückschlüsse auf das soziale und kulturelle Umfeld der Toten zu“, sagt Pfeil. Die Vielfalt der an dem spätantiken Gehänge befestigten Objekte und ihre Auswahl legen nahe, dass diese Anhänger nicht bloß ein modisches Accessoire waren, sondern vermutlich als Talisman oder Statussymbol gedient haben könnten. „Die Funde eröffnen einen interessanten Einblick in die spätantike Kultur an der Donaugrenze des römischen Reichs und den Umgang mit Schmuck und Symbolik”, so Pfeil.

Schon vor mehr als 1500 Jahren gab es demnach etwas ganz Ähnliches wie das Charivari: Menschen fädelten Anhänger mit spezieller Bedeutung auf eine Kette und trugen sie am Gürtel mit sich herum. Das Charivari der bayrischen Tracht geht zwar nicht direkt auf diese frühen Gürtelgehänge zurück, wie das Landesamt betont. Seine Funktion teilt es jedoch mit dem Pförringer Fund: Es ist ein Talisman und gleichzeitig Symbol von Status und Zugehörigkeit.

Quelle: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

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